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Passanten und Medienvertreter stehen in Berlin vor einem in der Ukraine zerstörten russischen Panzer.

© dpa/Carsten Koall

Ukraine-Konflikt: Mehrheit sieht deutsche Waffenlieferung als Kriegsbeteiligung

Welche Haltung haben die Deutschen zur Waffenlieferung an die Ukraine? Und inwiefern wird die „Friedenskundgebung“ von Wagenknecht und Schwarzer von der Politik kritisiert?

Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland ist der Auffassung, dass die deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine eine Kriegsbeteiligung bedeuten. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur stimmen 51 Prozent der Befragten dieser Einschätzung zu, nur 37 Prozent sehen das nicht so.

Völkerrechtler sind sich einig, dass Waffenlieferungen in einen Krieg den Lieferanten nicht zur Kriegspartei machen – egal um welche Waffen es sich handelt. Russland sieht die westlichen Verbündeten der Ukraine dennoch als Kriegsbeteiligte.

Die Bundesregierung hat seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor einem Jahr die Lieferung von Waffen und anderen Rüstungsgütern für fast 2,6 Milliarden Euro in die Ukraine genehmigt.

Nach einer aktuellen Statistik des Kiel Instituts für Weltwirtschaft liegt Deutschland damit unter den Ukraine-Verbündeten in absoluten Zahlen auf Platz vier hinter den USA, Großbritannien und Polen. Geht es nach dem Anteil der militärischen Hilfe an der Wirtschaftsleistung, liegen allerdings auch noch kleinere – vor allem osteuropäische Staaten – vor Deutschland.

Ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sehen die Menschen in Deutschland die Waffenlieferungen eher skeptisch. 40 Prozent der von YouGov Befragten meinen, es seien zu viele Waffen aus Deutschland an die Ukraine geliefert worden. Dagegen halten nur 22 Prozent die militärische Unterstützung für zu gering, 23 Prozent finden sie genau richtig.

Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern

Die geplante Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern stößt überwiegend auf Ablehnung. 44 Prozent halten sie für falsch und nur 41 Prozent finden sie richtig. Die Bundesregierung will bis Ende März die ersten von 18 dieser Panzer in das Kriegsgebiet schicken.

Noch deutlicher ist die Ablehnung mit Blick auf die Lieferung von Kampfjets. 56 Prozent der Befragten sind dagegen nur 27 Prozent dafür. Mehrere westliche Staaten haben sich offen für die Lieferung von Kampfjets gezeigt.

Für Kanzler Scholz ist das trotzdem weiter kein Thema. „Die Debatte macht keinen Sinn“, sagte er erst am Donnerstag wieder im ZDF. Es müsse jetzt sichergestellt werden, dass sich die Ukraine gegen den russischen Angriff wehren könne. „Dazu leisten genau die Waffen, die wir zur Verfügung stellen, den notwendigen Beitrag.“


Umfrage im Auftrag des Magazins „Spiegel“

Von den Deutschen wünschen sich 63 Prozent, dass sich die Bundesregierung stärker für Gespräche zwischen Russland und der Ukraine einsetzt. Das ergab eine Umfrage, die das Online-Befragungsinstitut Civey im Auftrag des Magazins „Spiegel“ durchgeführt hat. Dabei sprachen sich 21 Prozent der Befragten gegen ein Forcieren von Friedensverhandlungen aus.

Deutlich wird hierbei, dass Befragte aus Ostdeutschland sich stärker für Friedensverhandlungen und gegen Waffenlieferungen aussprechen als Menschen aus Westdeutschland. Für ein mögliches Kriegsende halten viele Deutsche eine Kompromissbereitschaft seitens der Ukraine für notwendig.

Das Ziel von Friedensverhandlungen

42 Prozent gaben an, dass das Ziel von Friedensverhandlungen die „Wiederherstellung der Grenzen des Landes vor der Annexion der Krim“ sein solle. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hält aktuell auch weiterhin an einer Rückeroberung der 2014 annektierten Krim fest.

Bei 17 Prozent der Befragten ist die Haltung, dass die Ukraine „als Gegenleistung für einen Rückzug der russischen Truppen“ weitere Gebiete an Russland abtreten solle. 33 Prozent waren der Meinung, dass die Friedensverhandlungen auf die alten Ländergrenzen vor der russischen Invasion abzielen sollten.


Geplante Friedensdemonstration

Mit starker Kritik behaftet ist die von der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer ausgerufene „Friedenskundgebung“, die am Samstag in Berlin stattfinden wird. Janine Wissler, Parteichefin der Linken, hat den Aufruf ihrer Parteikollegin Wagenknecht zu einer Kundgebung bemängelt. „Ich bedauere, dass die Partei weder angefragt noch informiert war über diesen Aufruf“, sagte Wissler den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Sie selbst werde an der Demonstration nicht teilnehmen. Die Parteichefin ermahnte Wagenknecht, sich klar von Rechtsradikalen abzugrenzen. „Organisierte Rechte haben auf der Demonstration nichts zu suchen“, denn „Nie wieder Krieg“ und „Nie wieder Faschismus“ gehörten untrennbar zusammen.

Organisierte Rechte haben auf der Demonstration nichts zu suchen.

Janine Wissler, Parteichefin der Linken

Wagenknecht und Schwarzer hatten zuvor eine ebenso umstrittene, mittlerweile hunderttausendfach unterschriebene Petition initiiert, in der sie die Bundesregierung auffordern, statt auf Waffenlieferungen an die Ukraine auf Friedensverhandlungen zu setzen.

Stark kritisiert wird die von der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer ausgerufene „Friedenskundgebung“.

© dpa/Rolf Vennenbernd

Die Spitze der Linkspartei blieb auf Distanz, führende AfD-Politiker dagegen unterzeichneten das Manifest. Für die Friedenskundgebung sind 10.000 Teilnehmer angemeldet, die Polizei erwartet jedoch mehr.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die für diesen Samstag in Berlin geplante Friedensdemonstration scharf kritisiert. „Jeder, der bei Sinnen und Verstand ist, wünscht sich Frieden“, sagte der Grünen-Politiker am Freitagabend in einem ARD-„Brennpunkt“.

Jeder, der bei Sinnen und Verstand ist, wünscht sich Frieden.

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister

Was Wagenknecht und die ihr folgenden Leute wollten, etwas als Frieden zu verkaufen, das ein „imperialistischer Diktator“ Europa aufzwinge. Wenn sich das durchsetze, wäre das eine Einladung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, die nächsten Länder zu überfallen.

Wer der Ukraine nicht zur Seite steht, steht auf der falschen Seite der Geschichte.

Christian Lindner, FDP-Chef

„Das ist kein Frieden, das ist eine Chimäre, die da aufgebaut wird, das ist eine politische Irreführung der Bevölkerung“, warnte der Vizekanzler.

Von Wagenknechts und Schwarzers Vorhaben ist auch FDP-Chef Christian Lindner nicht begeistert. Im Gegenteil – Lindner twitterte am Samstag: „Putins Aggression verharmlosen, Waffenlieferungen ablehnen. Keine Hilfen – nur Forderungen nach diplomatischen Lösungen“. Der Protestaktion müsse man „deutlich entgegnen: Wer der Ukraine nicht zur Seite steht, steht auf der falschen Seite der Geschichte“.


Die Linke fordert Auflösung der Nato

Die Linken-Chefin Wissler hält aber angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Forderung ihrer Partei nach einer Auflösung der Nato aufrecht. „Unsere Kritik an der Nato ist ja nicht obsolet, weil Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg führt“, sagte Wissler den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wir wollen die Nato ersetzen durch ein kollektives Sicherheitssystem. Das gilt unverändert. Stabile internationale Sicherheit ist erst dann gewährleistet, wenn alle wichtigen Staaten in ein gemeinsames Sicherheitssystem eingebunden sind.“

Dem Interviewer-Einwand, ohne die Nato könnten russische Truppen schon im Baltikum stehen, trat Wissler entgegen. „Mein Eindruck ist nicht, dass Putin kurz vor einem Angriff auf das Baltikum steht. Seine Armee hat sich in der Ukraine total aufgerieben.“ Die Nato sei „alles andere als ein Garant für Sicherheit und Stabilität in dieser Welt“, kritisierte Wissler.

Sie warf dem Bündnis vor, selbst völkerrechtswidrige Kriege geführt zu haben – „in Afghanistan oder auf dem Balkan“. Und die Osterweiterung der Nato gehöre „zur Vorgeschichte des Ukraine-Krieges“. Die Nachfrage, ob sie der Nato die Schuld am Ukraine-Krieg gebe, verneinte die Linken-Vorsitzende. „Ich halte die Nato-Osterweiterung für einen Fehler. Aber sie ist keine Rechtfertigung, in die Ukraine einzumarschieren und Städte zu bombardieren.“

Unsere Kritik an der Nato ist ja nicht obsolet, weil Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg führt.

Janine Wissler, Parteichefin der Linken

Wissler forderte ein Sonderprogramm zur Aufnahme russischer Deserteure in Deutschland. „Ich rufe russische Soldaten dazu auf, den Dienst an der Waffe zu verweigern“, sagte sie.

„Wir setzen uns dafür ein, dass russische Deserteure in Deutschland aufgenommen werden – in einem Sonderprogramm jenseits des Asylverfahrens.“ Das würde die russische Armee „empfindlich treffen“, argumentierte die Linken-Chefin. (Tsp, dpa, AFP, epd)

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