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Pfleglicher Umgang miteinander: CDU-Spitzenkandidat Laschet und NRW-Ministerpräsidentin Kraft (SPD)

© dpaWDR/Herby Sachs

Wahl in Nordrhein-Westfalen: Groko im Spitzenduell

Hannelore Kraft und Armin Laschet tun sich nichts: Das direkte TV-Duell der Spitzenkandidaten von SPD und CDU in NRW verläuft schonend. Eine Nachbetrachtung.

Nach 44 Minuten Sprechzeit – auch da auf Augenhöhe mit je 22 Minuten – lächelten sich Hannelore Kraft und Armin Laschet an. Die Ministerpräsidentin von der SPD und der Herausforderer von der CDU wirkten recht entspannt – das erste und einzige Spitzenduell vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 14. Mai hatte sich bis dahin ganz gut entwickelt. Kraft und Laschet hatten sich zu Kriminalität, Bildung, Verkehrswege und Staus zwar die Meinung gesagt, aber sachlich, ruhig, ohne größere Aufgeregtheiten. Es hätte auch der Einstieg in Sondierungsgespräche sein können. Die Zuschauer in NRW konnten die Fernsehgeräte mit dem Gefühl abschalten, dass eine große Koalition es schon schaukeln würde.

Nach den Umfragen hat die regierende rot-grüne Koalition keine Mehrheit mehr. Wenn es mit dem grünen Wunschpartner nicht klappe, dann werde man schon sehen, sagt Kraft und schaut in Richtung Laschet. Der erklärt mit Verve und heftigem Auf und Ab der Handkante, für die CDU komme nicht in Frage, mit der AfD zu koalieren und mit der Linken auch nicht. Von der FDP reden beide nicht. Schwarz-Gelb wird wohl ebenfalls nicht klappen. Mit einer Debatte über eine Dreierkonstellation wollen Kraft und Laschet an diesem Abend die Bürger nicht quälen – und mutmaßlich auch sich selbst nicht nach der Wahl. Kraft bezeichnete die Linken als weder regierungs- noch koalitionsfähig. Laschet erinnerte daran, dass Rot-Grün schon 2010 mit linken Stimmen als Minderheitsregierung etabliert worden war. Kraft erwidert, regiert habe man auch mit Unterstützung der CDU.

Zu viel Einbrüche, zu wenig Wachstum

Eines wird immerhin deutlich in diesem Spitzenduell: NRW steht nicht ganz so gut da, wie es wünschenswert wäre. Zu viele Einbrüche im Vergleich der Länder, also zu unsicher. Und beim Wachstum auch nur Mittelfeld, zu wenig, um die Menschen an Rhein, Ruhr und im Westfälischen zu beeindrucken und den Haushalt mit eigenen Mitteln ins Lot zu bringen. Einer großen Koalition, das nimmt man mit aus dem Gespräch der beiden (in dem Kraft ihr Gegenüber schon mal selber fragt, was er denn machen wolle), dürften weder Sozialdemokraten noch Christdemokraten richtig abgeneigt sein.

Die Einigkeit ist für ein TV-Duell, von dem man Trennendes erwartet, recht groß, der insgesamt recht verbindliche Ton kommt hinzu (Kraft kann bekanntlich ziemlich giftig werden, aber am Dienstagabend zeigt sie meist ihre charmante Seite). Gegen die Einbrüche und für das Sicherheitsgefühl wollen sie und er mehr Polizisten einsetzen und mehr Kontrollen durchführen – ob nun „verdachtsunabhängig im Hinterland“ (Laschet) oder „anlassbezogen“ (Kraft) dürfte Rot-Schwarz (oder auch Schwarz-Rot) nicht ins Schlingern bringen.

Der umstrittene Innenminister

Immerhin würde der Innenminister dann nicht mehr Ralf Jäger heißen, das wissen beide. Der Fall Amri – Attentat am Breitscheidplatz in Berlin – ist für Laschet der Anlass, an dessen Kompetenz zu zweifeln. Kraft verteidigt ihren Minister, aber sagt zwischen den Zeilen auch, dass sie über seine Entlassung nachgedacht hat – mit dem Ergebnis, dass es dafür nicht gereicht habe. Laschet erwähnt stolz seinen neuen Berater im Kampf gegen Salafisten und andere islamistische Zumutungen, den Professor Neumann aus London, Kraft kontert, den hätten sie schon vor einiger Zeit mal als Gast im Kabinett gehabt.

Zur neuen Leitkulturdebatte verteidigt Laschet pflichtgemäß die Äußerungen des Bundesinnenministers und CDU-Wahlkämpfers Thomas de Maizière, weist darauf hin, er habe das früher schon thematisiert und bringt die Begriffe Abendland und Aufklärung unter. Kraft sagt nur kurz, auch sie wolle die Burka nicht, aber die Richtschnur sei die Verfassung. Die Frage der Moderatorinnen, ob der Islam zu NRW gehöre, umgehen beide mit dem Hinweis, das Land habe schon immer viel Zuwanderung gesehen und sei dadurch „nach vorn gekommen“, wie Kraft anmerkt. „Stimmt“, sagt Laschet.

Bildung ist unstrittig, Finanzierung nicht

Zur Kinderarmut, im Land etwas höher als im deutschen Schnitt, haben beide jeweils Lösungen parat, die sich in einem Koalitionsvertrag gut ergänzen würden. Kraft will noch mehr in Bildung investieren, Laschet denkt an die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen, denn Kinderarmut sei immer das Ergebnis von Elternarmut, was die Ministerpräsidentin mit einem wohlwollenden Nicken quittiert. Und ob nun die Möglichkeit einer neunjährigen Gymnasialzeit (G8 wollen beide nicht aufgeben) eine Sache der Schulen sein soll, wie Laschet fordert, oder aber eine Wahlmöglichkeit für Schüler und Eltern, dürfte sich in Koalitionsverhandlungen klären lassen. Ein bisschen echten Streit gab es nur bei der Frage, ob eine Milliarde Euro für die Beitragsfreiheit in der Kleinkinderbetreuung angesichts der (ansonsten wenig besprochenen) angespannten Haushaltslage mit viel Schulden richtig oder falsch ist.

Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland mit den meisten Wählern. Was dort nach dem 14. Mai passiert, ist auch mit Blick auf die Bundestagswahl von entscheidender Bedeutung. Kraft und Laschet haben da einiges in der Hand.

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