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Nach Brexit und Trump-Wahl: Was für ein Wahlrecht mit 16 spricht

Eine Absenkung des Wahlalters ist eine gute Idee, kann aber nur funktionieren, wenn die politische Bildung besser wird. Ein Kommentar.

Sowohl beim Brexit als auch bei der Trump-Wahl haben die alten Wählerinnen und Wähler die jungen dominiert. Droht Deutschland auch eine Gerontokratie, also eine Herrschaft der Alten? Die Gruppe der 60- bis 69-Jährigen macht mittlerweile den größten Anteil der Wähler aus. Aber auch die Wahlbeteiligung sinkt. Von den Spitzenwerten jenseits der 90 Prozent aus den 70ern sind wir meilenweit entfernt.

Diese Entwicklung ist gefährlich, weil damit nicht nur immer weniger Wähler die Politik bestimmen, sondern das Ergebnis auch immer weniger repräsentativ wird. Ein Ausweg, den jetzt neben den Linken und Grünen auch die SPD in ihr Wahlprogramm nehmen will, ist die Absenkung des Mindestalters bei Bundestagswahlen auf 16 Jahre.

Der Vorschlag ist gut, reicht aber alleine nicht aus. Sicherlich würde eine Absenkung des Wahlalters das massive Ungleichgewicht zwischen den Altersgruppen bei Wahlen abfedern. Bei beiden oben genannten wurde das Ungleichgewicht eindrucksvoll demonstriert. Das hat für Aufsehen gesorgt. Doch die Aufregung wurde schnell wieder abgefangen, es hatte sich herausgestellt, dass die Wahlbeteiligung in den jüngeren Wählergruppen nicht besonders hoch war. Auf Deutschland übertragen heißt das: Eine Absenkung des Wahlalters steigert zwar die Zahl der Wahlberechtigten, aber nicht zwangsläufig die der Wähler.

Mehr Debatte, mehr Kultur

Trotzdem sollte der Vorschlag nicht sofort verworfen werden. Wenn man ihn mit einer anderen Forderung verbindet, könnte er seine volle Wirkung entfalten. Denn die politische Bildung muss deutlich besser werden. Früherer und umfangreicherer Politikunterricht in Schulen, Diskussions- und Informationsformate, die Jugendliche dazu animieren auch im Freundeskreis und Elternhaus über Politik zu diskutieren und Kommunal- und Vereinspolitik als Schule der Demokratie etablieren.

Österreich ist das einzige Land in der EU, in dem Jugendliche an nationalen Wahlen bereits ab 16 teilnehmen dürfen. Schon 2007 wurde das Wahlrecht dort entsprechen geändert. An den Beschluss zur Herabsenkung des Wahlalters wurde aber eine Bedingung geknüpft: Die Jugendlichen sollten zu selbstbestimmten demokratischen Persönlichkeiten ausgebildet werden. Unter anderem wurde der Politikunterricht bereits in der Unterstufe begonnen, nicht erst in der Oberstufe.

Eine ähnliche Reform in Deutschland würde nicht nur einer höheren Wahlbeteiligung zugutekommen, sondern auch langfristig eine stärkere politische Kultur etablieren. Denn wer auf Basis von Fakten und mit Lust an der Demokratie diskutiert, kann auch mal den offenen Dissens in einer Debatte aushalten.

Sebastian Scheffel

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