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Ralf Stegner vor wenigen Tagen beim Bundesparteitag der SPD.

© imago/Emmanuele Contini

Update

Gespräche über große Koalition: Ralf Stegner warnt Union vor roten Linien

Politiker von CDU und CSU erheben zahlreiche Forderungen für Sondierungen. "Grundgesetzwidrige Obergrenzen" kämen nicht in Frage, sagt der SPD-Vize.

SPD-Vize Ralf Stegner warnt die Union davor, vor Beginn von Verhandlungen öffentlich rote Linien zu markieren. „Das ist nicht schlau“, sagte er dem Tagesspiegel. Zugleich erteilte er Forderungen nach einer längeren Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränkten Schutzstatuts eine Absage. „Weder kommen für uns grundgesetzwidrige Obergrenzen in Frage, auch wenn man sie anders nennt, noch ist der Schutz von Ehe und Familie eine verhandlungstaktische Frage. Auch beim Familiennachzug für Ehepartner und minderjährige Kinder geht es um Grundrechte.“

Zuvor hatte Fraktionschef Volker Kauder im Gespräch mit dem Tagesspiegel aufgezählt, was für die Union nicht verhandelbar ist. Eine Bürgerversicherung löse kein Problem in der Gesundheitsversorgung; die von SPD-Chef Martin Schulz ins Gespräch gebrachten Vereinigten Staaten von Europa seien "eine Gefahr" für die Zustimmung zur EU; der Unionskompromiss zur Flüchtlingspolitik sei eine "absolute Kernforderung". Gesprächsbereitschaft signalisierte Kauder hingegen in der Rentenfrage und in der Wohnungspolitik. Die Union habe im Wahlkampf die Sorgen der Menschen in diesem Punkt unterschätzt. Nötig seien auch Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, vor allem bei den Schulen und im Digitalen.

Die CDU will am Sonntagabend ihre Linie für das erste Treffen mit der SPD abstecken. Um 19 Uhr kommt der Parteivorstand um Kanzlerin Angela Merkel in Berlin zusammen. Am Mittwoch starten erste Gespräche der Spitzen von Union und SPD Ein SPD-Parteitag hatte sich zuvor für ergebnisoffene Gespräche über eine Regierungsbildung ausgesprochen. Rote Linien zogen die Sozialdemokraten nicht, legten sich aber auf elf Kernthemen fest, die ihnen wichtig sind. Dazu zählen die von der Union abgelehnte Wiederzulassung des Familiennachzugs für bestimmte Flüchtlingsgruppen, eine Solidarrente sowie eine Bürgerversicherung.

Haseloff: SPD müsse "verbal abrüsten"

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat die SPD derweil zur "verbalen Abrüstung" vor den Gesprächen mit der Union für eine mögliche Regierungsbildung aufgefordert. "Wir wollen eine große Koalition bilden. Das ist das Ziel", sagte der CDU-Politiker vor der CDU-Bundesvorstandssitzung am Sonntagabend in Berlin. "Es wäre wichtig, dass verbal abgerüstet wird", fügte er hinzu. "Die SPD weiß genau, was mit der CDU und CSU nicht geht." Dazu zählten die Vision der Vereinigten Staaten von Europa und die Bürgerversicherung. Zugeständnisse müssten Union und SPD in jeder Koalition machen. Er sei sich aber sicher, dass es große Schnittmengen mit der SPD gebe. Haseloff kritisierte zugleich die Bemerkung des neuen SPD-Generalsekretärs Lars Klingbeil, dass die SPD sich auch auf Neuwahlen vorbereite. "Die SPD weiß um die Risken für Neuwahlen", sagte der Ministerpräsident und verwies darauf, dass der Bundespräsident und nicht die SPD darüber entscheide. Die Sozialdemokraten seien "sehr, sehr gespalten". Er verwies etwa auf die Abgeordneten der SPD, die mit Überhangmandaten in Parlament gekommen seien und fürchten müssten, bei Neuwahlen wieder aus dem Bundestag zu fliegen.

Der designierte bayerische Ministerpräsident Markus Söder setzt ähnliche Prioritäten wie Kauder. „Bürgerversicherung und Steuererhöhungen sind doch nicht die Antworten auf die drängenden Fragen. Stattdessen geht es um Zuwanderung und Familiennachzug“, sagte der CSU-Politiker der „Welt am Sonntag“. Hier sei der gemeinsame Kurs mit der CDU in der Flüchtlingspolitik eine "gute Basis" für die kommenden Verhandlungen. Den Europa-Vorstoß des SPD-Vorsitzenden wies er zurück.

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn schlägt für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen mit der SPD eine unionsgeführte Minderheitsregierung vor. "Wenn es mit der SPD gar nicht geht, machen wir es eben alleine", sagte Spahn der "Bild am Sonntag". "Neuwahlen wären das Schlechteste", sagte Spahn. Sie würden kein völlig anderes Ergebnis als die Wahl im September bringen. "Wir können nicht vor die Bürger treten und sagen 'Eure Wahl passt uns nicht, wählt noch mal'."

Jens Spahn beim Bundesparteitag der CDU im Dezember 2014 in Köln.
Jens Spahn beim Bundesparteitag der CDU im Dezember 2014 in Köln.

© Oliver Berg/dpa

Eine Minderheitsregierung sei zwar etwas "völlig Neues", müsse aber deshalb nichts Schlechtes sein, sagte das CDU-Präsidiumsmitglied. "Angela Merkel könnte mit all ihrer Erfahrung auch eine Minderheitsregierung erfolgreich führen." Eine große Koalition um jeden Preis lehne er ab. "Wenn eine neue große Koalition die falschen Schwerpunkte setzen würde, hätten Union und SPD in vier Jahren zusammen nicht mal mehr eine Mehrheit", sagte Spahn. "Es waren schon jetzt nur noch 53 Prozent." Kauder sagte dem Tagesspiegel, er halte nichts von einer Minderheitsregierung.

Der "starke Staat" als einigendes Band von Union und SPD?

Spahn kann sich als verbindendes Projekt für eine neue Koalition mit der SPD den "starken Staat" vorstellen. "Recht, Ordnung und Sicherheit müssen wieder garantiert werden." Dies müsste die SPD eigentlich genauso sehen: "Sicherheit ist ja auch eine soziale Frage." Eine neue große Koalition könne nur gelingen, "wenn wir uns der Unzufriedenheit bei den Themen Innere Sicherheit, Migration und Integration stellen".

Auch viele SPD-Wähler würden nicht wollen, dass sich die Migrationskrise 2015 wiederholt, sagte Spahn der "Bild am Sonntag" ebenfalls. Dafür brauche es konkrete Maßnahmen wie etwa den Schutz der EU-Außengrenzen, schnellere Asylverfahren, konsequente Abschiebungen und "auch das Signal, dass es für subsidiär Geschützte keinen Nachzug der Familien nach Deutschland gibt".

De Maizière regt "Vorab-Vereinbarung" zum Familiennachzug an

In diesem Punkt brachte Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine fraktionsübergreifende Verständigung im Bundestag ins Gespräch. "Für den Familiennachzug sollten wir uns bemühen, eine Vorab-Vereinbarung zu treffen, wenn bis März noch keine Regierung steht", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "In eine solche Verständigung könnten neben Union und SPD weitere Fraktionen eingebunden werden." Auf die Frage, ob damit auch die AfD gemeint sei, antwortete er: "Nein. Wir werden uns nicht von der AfD abhängig machen."

Bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus ist der Familiennachzug bis März kommenden Jahres ausgesetzt. "Wir haben alle die Chance und die Pflicht, in der Flüchtlingspolitik eine befriedende Lösung zu finden, um die Spaltung unserer Gesellschaft bei diesem Thema zu überwinden", sagte de Maizière. Auch er erwähnte das Kompromisspapier von CDU und CSU als Verhandlungsgrundlage für die Sondierungen mit der SPD. Allerdings halte er nichts davon, mit roten Linien in die Gespräche zu gehen. "Dass andere das getan haben, war Teil des Problems in den Jamaika-Verhandlungen", kritisierte de Maizière. (mit AFP, dpa, Reuters)

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