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Auf den Spuren der Teilung.

© dpa

Deutsch-deutsche Teilung: Zu Besuch an der früheren Grenze

Ein ehemaliger Bundesgrenzschützer führt Besucher in Duderstadt an der früheren Grenze entlang. Auf dem musealen Kurs passieren die Besucher viele zeitgeschichtliche Hinterlassenschaften. Ein Ortstermin.

Gleich hinter dem ehemaligen Zollverwaltungsgebäude beginnt der vier Kilometer lange Rundkurs durch ein Stück Zeitgeschichte. Erst geht es ein Stück entlang an der Bundesstraße 247 zwischen dem niedersächsischen Duderstadt und dem thüringischen Worbis, dann weiter auf dem alten Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen. „Da hinten, da hatten wir unseren Beobachtungsposten“, sagt Arno Gleisberg und deutet mit ausgestrecktem Arm nach Nordwesten auf einen etwa ein Kilometer entfernten Hügel.

Als die deutsch-deutsche Grenze auch das Eichsfeld teilte, war Gleisberg in Duderstadt beim Bundesgrenzschutz stationiert. Als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Grenzlandmuseums Eichsfeld führt er heute Besuchergruppen durch die Einrichtung und die weitläufigen Außenanlagen. An diesem Tag ist ein Kurs der Kreisvolkhochschule Duderstadt zu Gast. Eine Einführung zur Geschichte und zu den Hintergründen der deutschen Teilungen hat Gleisberg schon im Museum gegeben, jetzt sammelt sich die Gruppe draußen. 24 Stationen dokumentieren das einstige Grenzregime der DDR. Auf einer Länge von 300 Metern sind die ehemaligen Grenzsperranlagen im Original erhalten. Nirgendwo sonst an der früheren innerdeutschen Grenze gebe es noch so ein langes Stück, sagt Gleisberg.

Undurchlässig war die Grenze

„Das hier war die Kfz-Schnellsperre", erklärt der 75-Jährige und zeigt auf eine schon etwas verwitterte Schranke. „Die sollte Grenzdurchbrüche mit Kraftfahrzeugen verhindern, so hieß das im Grenzerjargon, und konnte innerhalb von drei Sekunden hochgeschossen werden“. Zum Einsatz sei sie niemals gekommen, aber einmal habe es nachts eine Funktionsprobe gegeben. „Das hat dann so geknallt, dass sich die Leute im nächsten Dorf in ihren Betten erschreckt haben.“

Absolut undurchlässig, wenngleich ziemlich einseitig von West nach Ost, war die Grenze an der Stelle allerdings nicht. Im Zuge des von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) mit der DDR-Führung ausgehandelten Grundlagenvertrags im Juni 1973 öffnete in dem Abschnitt der Grenzübergang Duderstadt-Worbis. Er war mit fünf Millionen Reisenden bis 1989 die am häufigsten benutzte Transitstelle im sogenannten kleinen Grenzverkehr. Er ermöglichte es vor allem Bundesbürgern, schneller und ohne weite Umwege zu ihren Verwandten und Freunden in den anderen Teil des Eichsfeldes zu gelangen.

Für die Einwohner der DDR blieb ein Besuch im Westen schwierig oder war ganz untersagt. Etwa 50 Menschen aus der Region entschieden sich zur Flucht, elf von ihnen kamen dabei ums Leben - an sie erinnert eine Gedenktafel am Museum. Kurz nach der Eröffnung des Übergangs bauten die DDR-Grenztruppen eine massive Betonbrücke über das kleine, parallel zur Straße in westliche Richtung fließende Bächlein Hahle, um mit ihren Fahrzeugen durchgängig am Zaun patroullieren zu können. „Solche Gewässer waren beliebte Fluchtrouten“, sagt Ex-Grenzschützer Gleisberg. „Die DDR hat erst mal das Bachbett kahlgeschlagen, den Bach mit Gittern gesperrt und das Bachbett mit Betonplatten ausgelegt.“

Signalzaun, Lichtsperren, Hundelaufanlage

Auf dem musealen Kurs passieren die Besucher weitere zeitgeschichtliche Hinterlassenschaften: die kleinen, kaum mannshohen Beobachtungsbunker, den früher von Schwachstrom durchflossenen Signalzaun, die Lichtsperren und die Hundelaufanlage. „Groß, kräftig und scharf mussten die Hunde sein, das war die Hauptsache“, beantwortet Gleisberg die Frage eines Teilnehmers nach den eingesetzten Rassen. „Und sie mussten laut bellen können. Hier oben war ja sonst nur Ruhe, hier konnte man sich vom eigenen Furz erschrecken.“

Die Hunde seien in der Regel im Alter von einem Jahr in die engen Laufgitter gekommen und dort meist bis zu ihrem Lebensende geblieben. Fast 3000 Tiere, weiß Gleisberg, wurden insgesamt an der Grenze eingesetzt. Nur ein kleiner Teil fand nach der Grenzöffnung neue Besitzer, die meisten Hunde mussten eingeschläfert werden.

Das damalige Verhältnis zwischen dem Bundesgrenzschützern und den Grenzern auf der anderen Seite beschreibt Gleisberg als schwierig. „Es gab kaum mal ein Gespräch“, sagt er. „Grüße wurden in der Regel nicht erwidert. Oder höchstens so“ - Gleisberg formt mit den Händen einen Trichter und ahmt dann die Bewegung eines Geigenspielers nach – „mit dem Arschgeigenzeichen.“   

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