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Ashiq Masih (links), der Ehemann der zum Tode verurteilten Christin Asia Bibi, verlässt in Lahore das Gericht. Der Oberste Gerichtshof hat einer Berufung zugestimmt.

© AFP

Pakistan schiebt Hinrichtung auf: Zum Tode verurteilte Christin Asia Bibi kann wieder hoffen

Pakistans Oberstes Gericht hat die Hinrichtung der Christin Asia Bibi aufgeschoben. Der Fall der wegen Blasphemie Verurteilten soll neu aufgerollt werden, Unterstützer hoffen nun auf einen Freispruch.

“Tötet sie, tötet sie”, feuerten die Zuschauer damals das Gericht an. Fünf Jahre ist es her, seit die Christin Asia Bibi als erste Frau in Pakistan wegen Blasphemie zum Tode verurteilt wurde. Seitdem sitzt die fünffache Mutter in Einzelhaft, in einer fensterlosen, gerade 2,4 mal drei Meter großen Zelle, und wartet auf ihre Hinrichtung. Doch nun gibt es erstmals Hoffnung: Am Mittwoch hat Pakistans Oberstes Gericht die Hinrichtung bis auf weiteres suspendiert und Berufung zugelassen.

Asias Fall wird damit neu verhandelt werden. “Schwester Asia wird zunächst in Haft bleiben müssen, aber ihre Freilassung ist nun eine reale Möglichkeit”, glaubt Naveed Aziz von der Britisch-Pakistanischen christlichen Vereinigung. Das Berufungsverfahren gilt vielen als Asias letzte Chance, dem Galgen zu entgehen.

Begonnen hatte der Albtraum mit einem banalen Zank im Sommer 2009 – um einen Becher Wasser. Muslimische Nachbarinnen, die mit ihr auf dem Feld arbeiteten, hatten sich geweigert, Wasser aus demselben Brunnen zu trinken, aus dem Asia geschöpft hatte. Das Wasser sei verseucht, weil Asia keine Muslimin sei, gifteten sie.

Damit brandmarkten sie Asia als “unrein” und “Unberührbare”. Die meisten Christen Pakistans entstammen den untersten Kasten und waren einst zum Christentum konvertiert, um dem Kastensystem zu entfliehen. Gedemütigt soll Asia gekontert haben: “Ich glaube an meine Religion und an Jesus Christus, der für die Sünden der Menschheit am Kreuz starb. Was hat Euer Prophet Mohammed getan, um die Menschheit zu retten?”

Ein aufgebrachter Mob verprügelt wenig später die Christin, die Polizei nimmt Asia fest. Ihre Familie muss fliehen und hält sich bis heute versteckt. Am 8. November 2010 verurteilt ein Gericht Asia als erste Frau wegen Gotteslästerung zum Tode. Die Richter wollen noch nicht mal in Erwägung ziehen, dass Asia fälschlich beschuldigt wird.

Der Fall spaltet Pakistan. Die Hardliner wollen an Asia ein Exempel statuieren, bauschen den Fall zur Machtprobe auf. Vergeblich versuchen Liberale, ihr zu helfen. Mehrere Politiker, die sich für Asia einsetzen, werden ermordet. Dazu gehören Salman Taseer, der Gouverneur der Provinz Punjab, und Pakistans Minderheitenminister Shahbaz Bhatti.

“Schwarze Gesetze” nennen Bürgerrechtler die Blasphemieparagraphen, die so viel Unheil im Land verbreiten. Das Gesetz wird missbraucht, um sich an unliebsamen Nachbarn zu rächen und religiöse Minderheiten zu terrorisieren. Betroffen sind nicht nur Christen, sondern auch Angehörige anderer religiöser Minderheiten wie Hindus, Sikhs, Shias und Ahmadis.

Obwohl laut Medien die Todesstrafe nie vollstreckt wurde, sollen seit 1992 über 60 Blasphemie-Angeklagte ermordet oder gelyncht worden sein, manche sogar im Gefängnis. Auch Asia soll im Gefängnis misshandelt worden sein. Ihr Gesundheitszustand sei schlecht, heißt es.

Die Obersten Richter gehen allerdings ein großes Risiko ein, sollten sie es wagen, Asia freizusprechen. Sie müssen nicht nur um ihr eigenes, sondern auch das Leben ihrer Liebsten fürchten. Auch Asia und ihre Familie werden in Pakistan nie wieder sicher sein. Sie werden Asyl in einem anderen Land, etwa in Europa, brauchen, um sich ein neues Leben aufzubauen.

Christine Möllhoff

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