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Brandenburg: Polizist stahl Festplatten mit Geheimdaten und verkaufte sie Sieben ausrangierte Datenspeicher wurden sichergestellt. Der Täter hatte sie aus einem Lager der Polizei entwendet und im Internet versteigert

Potsdam - Nicht nur eine Computer-Festplatte mit teilweise geheimen Daten der Polizei ist im Internet versteigert worden – es waren ganze sieben. Dies teilte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Donnerstag mit.

Potsdam - Nicht nur eine Computer-Festplatte mit teilweise geheimen Daten der Polizei ist im Internet versteigert worden – es waren ganze sieben. Dies teilte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Donnerstag mit. Bisher hatte das Ministerium nur den Diebstahl einer Festplatte bestätigt (wir berichteten).

Nach Schönbohms Angaben hat ein 45-jähriger Polizist gestanden, die Platten entwendet und im Internetauktionshaus Ebay versteigert zu haben. Das Motiv des Mannes, der 1982 in die Volkspolizei eintrat und nach der Wende übernommen wurde: Er wollte ein paar Euro hinzuverdienen. Allerdings ist eine solche Festplatte nur rund 20 Euro wert. Der Angestellte arbeitete im Zentraldienst der Polizei. Inzwischen ist er nicht mehr im Polizeidienst tätig: Per Aufhebungsvertrag trennte sich das Innenministerium am Mittwoch von ihm. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Mann wegen Unterschlagung.

Schönbohm zufolge befinden sich alle sieben Festplatten wieder im Besitz der Polizei. Sie wurden im gesamten Bundesgebiet beschlagnahmt, lagen gestern Nachmittag aber noch nicht vollzählig im Innenministerium vor, weil Kuriere noch nicht eingetroffen waren.

Am Wochenende hatte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet, dass ein Potsdamer Student Anfang März eine Computer-Festplatte mit internen Daten der Brandenburger Polizei bei Ebay ersteigert hatte. Der Student stellte die Festplatte von sich aus den Ermittlern zur Verfügung, nachdem das Innenministerium eine Belohnung von 2000 Euro für Hinweise zu ihrem Auffinden ausgelobt hatte. Der Student soll die Belohnung laut Schönbohm erhalten.

Offenbar durch Hinweise des Internet-Auktionshauses Ebay stießen die Ermittler sowohl auf den Dieb wie auch auf die Käufer der Festplatten. Letztere wussten nicht, dass die versteigerten Festplatten aus Beständen der Polizei stammen. Die von dem Studenten abgelieferte Diskette habe keine streng vertraulichen Informationen, aber „Verschlusssachen für den Dienstgebrauch“ der Polizei enthalten, so Schönbohm – darunter Alarmpläne für Geiselnahmen oder Entführungen, Namenslisten für die Besetzung von Krisenstäben, Einsatzbefehle und „Lagebilder“ zur sicherheitspolitischen Situation im Land, aber auch Telefonnummern von Beamten. Auf den übrigen bisher vorliegenden Platten sind nach Angaben von Schönbohm keine Informationen gespeichert: Zwei Festplatten seien „nicht funktionsfähig“, die dritte ist leer. Nicht bekannt war gestern, was auf den übrigen drei Festplatten gespeichert ist, die dem Ministerium noch nicht vorlagen. Unklar ist auch, ob Kopien angefertigt wurden.

Schönbohm kündigte an, dass sein Ministerium Konsequenzen ziehen werde: Zwar handele es sich um „einen bedauernswerten Einzelfall krimineller Energie“. Dennoch müssten die Abläufe überprüft werden. Der Polizist entwendete die Festplatten aus einem verschlossenen Lager in Wünsdorf, wo er beschäftigt war. Dort werden ausrangierte Platten gelagert, bis sie nach einem vom Bundesinnenminister vorgeschlagenen Verfahren zu einer Berliner Spezialfirma geliefert werden, die sie vernichtet. Künftig müsse sichergestellt werden, dass „kein Sicherheitsleck“ entstehen könne. Brandenburgs Datenschutzbeauftragter Alexander Dix hatte von „einen Skandal ersten Ranges“ gesprochen.

Einen ähnlichen Fall hat es bisher nur in Thüringen gegeben: Dort wurden 1998 aus dem Innenministerium zwei Computer mit 1600 teils geheimen Daten gestohlen, unter anderem zur Sicherheitsüberprüfung der Minister. Die Affäre löste eine schwere Regierungskrise in der damaligen Großen Koalition in Erfurt aus. Auch in der Potsdamer Koalition gab es gestern Ärger: Die SPD beantragte am Abend eine Sondersitzung des Innenausschusses, weil Schönbohm dort mittags von nur einer Festplatte gesprochen hatte. Auch die PDS warf Schönbohm vor, im Ausschuss wichtige Fakten verschwiegen zu haben und verlangte Aufklärung.

Michael Mara

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