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Ein Mitarbeiter vom Tesla-Werk Berlin Brandenburg arbeitet an einer Fertigungslinie für Elektrofahrzeuge vom Typ Model Y.

© dpa/Patrick Pleul

Abgetrennter Finger, Kiste auf dem Kopf: Was im Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide bisher geschah

Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten? Eine Kleine Anfrage der Brandenburger Linksfraktion bringt Licht ins Dunkel der Unfälle und Störfälle bei Tesla.

Seit Wochen wird über die angeblich hohe Zahl von Arbeitsunfällen bei Tesla diskutiert. Im Gesundheitsausschuss des Potsdamer Landtags und im Plenum selbst waren die 190 Arbeitsunfälle, die im Zeitraum von Juni bis November 2022 in der Fabrik verzeichnet wurden, bereits Thema.

Zudem sorgte die vom Nachrichtenmagazin „Stern“ übermittelte Zahl von 247 Rettungswageneinsätzen im Jahr für Aufsehen. Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hatte im Ausschuss und im Plenum darauf hingewiesen, dass sich die Zahl der Krankenwagen, die zum Teslawerk fahren, nicht sonderlich von der Zahl der Rettungswageneinsätze in einer Kleinstadt mit 11.000 Einwohnern unterscheide.

Doch worum es bei den Arbeitsunfällen ging, war bislang unklar. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sebastian Walter und Thomas Domres legte das Gesundheitsministerium nun eine Liste der sieben schwersten Fälle vor, die vom Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit untersucht wurden. 

Handeln entgegen der Arbeitsanweisung

In der Regel handelte es sich dabei um das Nichteinhalten von Sicherheitsvorschriften: So verlor ein Arbeiter einer auf dem Gelände tätigen Baufirma an einer Kreissäge einen Finger, weil er „entgegen der Unterweisung beim Zuschneiden von Keilen keinen Schiebestock und keine Winkelschnitteinrichtung benutzt“ habe.

Ein anderer Beschäftigter stieg „von einer Arbeitsbühne aus auf einen Ofen, trat auf eine nicht durchtrittsichere temporäre Abdeckung einer Ofenöffnung und durchbrach sie.“ Dabei zog sich der Mitarbeiter Verbrennungen an einem Fuß zu. Ursache hierfür sei ein „Handeln entgegen der Arbeitsanweisung und entgegen ausdrücklich bestehendem Verbots“ gewesen.

Auf ungestreutem Weg ein Bein gebrochen

Das Landesamt reagierte daraufhin mit der „Anordnung, dass Tesla sicherstellen muss, dass Inhalte von Unterweisungen und Arbeitsanweisungen beachtet werden“. Daneben zählten etwa ein Arbeiter, der von einer zu hoch gestapelten Kunststoffbox am Kopf getroffen wurde, sowie ein Mitarbeiter, der auf einem nicht gestreuten Weg auf dem Werksgelände im Winter ausgerutscht und sich ein Bein gebrochen hatte, zu den besonders „bemerkenswerten“ Arbeitsunfällen.

Wie schon im Parlament betont das Ministerium auch in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage, dass Tesla überdurchschnittlich oft vom Arbeitsschutz kontrolliert werde. So seien drei Behördenmitarbeiter schwerpunktmäßig für das Autowerk und die Baustellen auf dem Gelände zuständig. Seit Baubeginn seien sie an insgesamt 191 Arbeitstagen mit der Überwachung des Werks und der Baustellen beschäftigt gewesen.

„Mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz aus dem Jahr 2020 wird zum 01.01.2026 eine Mindestbesichtigungsquote von fünf Prozent der Betriebe eingeführt“, heißt es in der Antwort. Die Quote führe rechnerisch dazu, dass jeder Betrieb durchschnittlich alle 20 Jahre durch die Arbeitsschutzbehörde besichtigt werde. „Im Vergleich dazu wurde die Tesla-Baustelle und der Anlagenbau bis Mai 2021 grundsätzlich mindestens wöchentlich besichtigt; seit Mai 2021 bis heute besteht grundsätzlich ein mindestens zweiwöchiger Rhythmus.“ Vergleichbare Großunternehmen würden durchschnittlich alle zehn bis 30 Wochen besichtigt.

26 umweltrelevante Havarien

In der Antwort auf die Anfrage gibt das Ministerium zudem Auskunft über die 26 in der Anlage verzeichneten umweltrelevanten Havarien. Dabei handelt es sich etwa um den Austritt von 13 Tonnen Aluminium aus einer Gießmaschine, den Austritt von 15 Litern Ameisensäure in der Lackiererei, einen Austritt von 150 Litern Diesel auf einem temporären Abfalllagerplatz oder diverse Brände, die an verschiedenen Stellen im Betrieb auftraten.

Fest steht, dass die Anzahl der Betriebsstörungen hoch ist und eine permanente Gefährdung für Boden, Wasser, Luft und für die Gesundheit der Menschen besteht.

 Thomas Domres (Linke), Prignitzer Landtagsabgeordneter

Laut Ministerium war keiner der Vorfälle ein „Störfall“ im Sinne der „Störfall-Verordnung“ des Bundes. „Ordnungsbehördliche Maßnahmen wurden nicht ergriffen, da kein Verstoß gegen die Genehmigung vorlag.“ Im Falle eines illegalen Abfallplatzes, auf dem Holz brannte, wurden allerdings dessen Stilllegung und Beseitigung angeordnet sowie Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen ungenehmigten Anlagenbetriebs gestellt.

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„Fest steht, dass die Anzahl der Betriebsstörungen hoch ist und eine permanente Gefährdung für Boden, Wasser, Luft und für die Gesundheit der Menschen besteht“, sagte der Fragesteller, der Prignitzer Landtagsabgeordnete Thomas Domres (Linke) dieser Zeitung. „Aus diesem Grund und der besonderen Lage der Betriebsstätte, in einem Wasserschutzgebiet, halte ich eine kontinuierliche Überwachung durch die jeweils zuständigen Behörden für nötig.“ Nur das schaffe Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern. Die Eigenkontrollen des Unternehmens reichten nicht aus.

„Ebenso ist es aus meiner Sicht notwendig zu prüfen, ob alle im Genehmigungsbescheid erteilten Auflagen und Anordnungen eingehalten werden“, sagte Domres. „Auffällig ist, dass der in der Region tätige Wasserverband aus meiner Sicht unzureichend eingebunden ist.“ Er müsse in Melde- und Informationsketten unbedingt eingebunden werden.

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