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Kurztrip: Der Nostalgiehimmel liegt am Finowkanal

Weißwäsche, Porzellan, Spitze, Leinen - das ist die Welt von Emma Emmelie. Der Antikladen in Zerpenschleuse ist schöner als jedes Heimatmuseum

Von Susanne Leimstoll

Wie gemein, alle haben immer mindestens eine Großmutter, die ihnen geschliffenes Kristallglas hinterlassen hat oder verschnörkelte Porzellanterrinen von KPM, gestärkte weiße Leinenhemdchen mit Spitze oder mit roten Monogrammen bestickte Tischwäsche. Ich nicht. Egal jetzt, denn von Berlin aus ist der Nostalgiehimmel nicht weit. Er liegt einen Katzensprung hinüber nach Wandlitz im Nordwesten der Stadt und von dort noch ein kurzes Stück weiter bis zum nördlichsten Ortsteil Zerpenschleuse. Ein ideales Ziel auf einer Radtour oder einer Wanderung. Entzücken schon auf der Brücke: Welch ein friedlicher Blick auf Wasser, Boote, wild bewachsene Ufer und alte Schifferhäuschen. Vor einem liegt - nomen est omen - der „Lange Trödel“, ein stehendes Gewässer, ein alter Teil der Wasserstraße Finowkanal, ein Ort, an dem Glashütten standen, pittoresk wie eine holländische Gracht.

Zwei Kilometer weiter die Uferstraße entlang, vorbei an der Ziegelfachwerk-Kirche von 1844, wartet der echte Trödel. „Emma Emmelie“ tut, als sei sie ein ganz altes Haus mit antiken Sprossenfenstern, dabei ist sie mit altem Material neu gebaut. Man kann ja erstmal Platz nehmen in einem leinenbezogenen Liegestuhl und an provokant auf die Wäscheleine gehängten Liebestötern vorbei aufs Wasser gucken. Oder sich an den riesigen Holztisch setzen und all die dekorativen Appetithappen an der hölzernen Fassade beäugen: Weißwäsche, emaillierte Eimer, Zinnwannen, Körbe... Ines Schweighöfer trifft man wahrscheinlich drinnen am Tresen ihrer Antikscheune, vor Regalen, brechend voll mit wunderbarem weißem Porzellan oder in einem der drei anderen Räume auf den 100 Laden-Quadratmetern. Man erkennt die Inhaberin gleich in all der von ihr selber dekorierten Zimmerpracht, sie wirkt als käme sie aus der Zeit dieses Mobiliars: mädchenhaft in gestreiftem Kleid und Spitze, Zöpfe im blonden Haar, dicke, weiße Strickstümpfe in derben Schnürstiefeletten, kecke Augen, feines Lächeln. Ines Schweighöfer, 50, vormals Tänzerin an der Komischen Oper, Puppenbauerin und -spielerin, Fotografin und mehr, sammelt schon ewig alte Sachen. Damit bestückte sie erst ihren Antikladen neben dem Deutschen Theater in Berlin und zog, als das Haus luxussaniert werden sollte, hinaus nach Zerpenschleuse, in das Häuschen neben der Scheune.

Dass die Antikscheune nun ein Ort ist, an dem man Stunde um Stunde stöbern und Liebhaberstücke entdecken kann, habe sie ihrem Mann zu verdanken, sagt sie. Er hat sie für sie gebaut, im Sommer 2011 wurde eröffnet, und Ines wusste gleich, das ist es, was sie immer wollte. Die ganze Zeit wäscht und bügelt und näht sie oder arbeitet all die schönen alten Sachen auf: besticktes Leinen und Spitze, komplette Aussteuer-Sammlungen mit Porzellan und Silberbesteck, Leinentücher und Läufer, Glas mit Gravur und Nippes, Kleidung aus der Zeit zwischen 1800 und 1950, bäuerliche Möbel und tönernes Küchenzubehör, Silbergefäße und alten Schmuck. Immer wieder mal bekommen die Zimmer ein neues Gesicht, alle paar Wochen muss sie umdekorieren, sie kann nicht anders. Nichts liegt oder steht einfach so in Regalen, jedes Stück wird präsentiert wie ein kleiner Star als Teil der Einrichtung, schöner als in jedem Heimatmuseum.

Früher durchstöberte Ines Schweighöfer Flohmärkte, jetzt kommen die Leute mit Raritäten häufig zu ihr. Oder sie macht sich auf den Weg zu einem Bauernhof vier Stunden entfernt. Denn dort warten alte Buckeltruhen voller Leinen, handgewebt und von Großmuttern gerollt.

Manches will sie gar nicht hergeben, etwa das Kleid aus Batist mit alter Spitze, das sie vorn am Fenster auf eine Schneiderpuppe drapiert hat und das man in aller Ruhe bewundern kann, während man nach dem Einkauf neben dem Eisenofen einen Kaffee schlürft und von Ines' selbst gemachten Kuchen probiert. Vielleicht geht dann die Tür auf und ihr bärtiger Mann, Schauspieler Michael Schweighöfer, kommt rein, grüßt nett und sagt zu seiner Frau im Vorbeigehen: „Ick hab' Fleisch gekooft. Heute Abend jib's Gulasch.“ Da kann man sie nochmal strahlen sehen.

Wandlitz / OT Zerpenschleuse. Kanalstr. 27, Tel. (0170) 524 83 64. www.emma-emmelie.de

Essen und Trinken

Café Wildau. Schönes Hotel und Ausflugslokal mit toller Gartenterrasse und Blick auf den Werbellinsee. Schorfheide-Eichhorst, Wildau 19, www.cafe-wildau.de

Café Kunst und Rad. Ein familiengeführtes Haus mitten im Wildpark Schorfheide, das auch wechselnde Ausstellungen einheimischer Künstler bietet. Täglich frisch gebackener Kuchen. Radstation mit Leihrad-Angebot. Neuerdings auch zwei Ferienapartments. Schorfheide, Wildau 3, www.kunst-und-rad.de

Gestüt Gut Sarnow. Früher Jagdgebiet für die preußischen Könige, heute ein Ziel für Reiter oder einfach Ausflügler, die mit Blick auf Koppeln und Waldrand gut essen oder im Hotel übernachten wollen. Schorfheide, www.gut-sarnow.com

Übernachten

Im Schwalbennest. Heilpraktikerin und Künstlerin Sabine Wollenberg hat in einem der historischen Gebäude am Finowkanal drei bezaubernde Ferienwohnungen eingerichtet - unter anderem mit Möbeln aus Ines Schweighöfers Antikscheune. Sie bietet auch Yoga und Entspannungswochenenden an. Wandlitz-Zerpenschleuse, Berliner Str. 1a, Tel. (033395) 711 45, www.imschwalbennest.de

FREIZEIT

Schloss Oranienburg. Wichtigster Barockbau Preußens. Drinnen und auch draußen im Garten absolut sehenswert, www.spsg.de

Wildpark Schorfheide. Besonders zu empfehlen: die Mondschein-Führung zum Raubtiergehege. Schön schauerlich, wenn die Wölfe heulen. Schorfheide, Prenzlauer Str.16, wildpark-schorfheide.de

Kloster Chorin. Eines für alle: als Baudenkmal für Historiker, wegen seiner Festivals etwas für Musikliebhaber, wegen seines Cafés etwas für Genießer und Biofreunde. Chorin, Amt 11a, www.kloster-chorin.org

Hof der kleinen Tiere. Dexter Rinder und Sattelschwein, Verkauf von Produkten, www.hofderkleinentiere.de

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