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Gut vernetzt. Der Geschäftsführer der Stadtwerke Peter Paffhausen trat am 20. Mai zurück. Ruhe ist dadurch aber nicht in Potsdam eingekehrt.

© dapd

Potsdam: Fall Paffhausen bringt Parlament in Fahrt

Potsdams Stadtverordnete wollen den Filz auflösen und setzen eine Kommission ein. Der Steuerzahlerbund prüft eine Untreue-Anzeige gegen Oberbürgermeister Jann Jakobs.

Potsdam - Nach Skandalen und Affären um Filz und Verstrickungen will das Potsdamer Parlament Aufklärung mit aller Macht: Das Rathaus soll schnellstmöglich eine Transparenz-Kommission einsetzen. Das beschlossen die Stadtverordneten in ihrer jüngsten Sitzung – einstimmig. Das unabhängige Gremium, dessen Mitglieder eine Selbstauskunft nach Regularien der Anti-Korruptions-Organisation „Transparency International“ abgeben müssen, soll die Filz-Vorwürfe aufklären und neue Strukturen bei den Kommunal-Unternehmen schaffen. Den Vorschlag hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nach zahlreichen Aufklärungsforderungen eingebracht.

Das Stadtparlament drängt Jakobs außerdem zur Aufklärung der Stadtwerke- Affäre um Ex-Geschäftsführer Peter Paffhausen, gegen den die Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt. Anfang der Woche waren Räume der Stadtwerke-Zentrale, des SV Babelsberg 03 und Paffhausens Privatwohnung durchsucht worden. Jakobs betonte, die Stadtwerke und deren Tochter „Energie und Wasser Potsdam“ (EWP) hätten die Unterlagen freiwillig vorgelegt. Diese werden laut Staatsanwaltschaft derzeit ausgewertet. Es sei umfangreiches Material, die Prüfung werde einige Tage dauern, so Sprecher Helmut Lange am Freitag. Bisher bezögen sich die Ermittlungen auf den Komplex der Bürgschaftserklärungen.

Paffhausen soll als EWP-Chef nach Angaben von Jakobs mindestens zweimal Geheimbürgschaften für den SV Babelsberg 03, dessen Aufsichtsratschef er war, erteilt haben – an Aufsichtsrat und Gesellschaftern vorbei. Auch er selbst als EWP-Aufsichtsratschef habe nichts gewusst, versicherte Jakobs. Die Bürgschaften über 400 000 Euro und 600 000 Euro seien aber „zustimmungspflichtig“ gewesen. Derzeit lasse er über den Berliner Wirtschaftsstrafrechtler Guido Frings und Wirtschaftsprüfer ermitteln, wie viele Bürgschaften es gegeben habe und ob diese eine Straftat darstellten, so der Oberbürgermeister. Möglicherweise handelt es sich um Untreue. In die Affäre schaltet sich jetzt auch der Bund der Steuerzahler ein: Eine Strafanzeige wegen Untreue gegen Paffhausen sei in Vorbereitung, bestätigte am Freitag Sprecherin Julia Berg. Geprüft werde auch, die Strafanzeige auf weitere Personen auszudehnen, etwa auf Oberbürgermeister Jakobs. Allerdings müsse das juristisch wasserdicht sein, eine Entscheidung soll Anfang kommender Woche fallen.

Die Stadtverordneten verpflichteten Jakobs per Beschluss zu prüfen, ob Paffhausen sich zivil- und strafrechtlich verantworten muss. Auch soll untersucht werden, ob er den Aufhebungsvertrag mit Paffhausen wieder auflösen kann. Dieser war bei Paffhausens Abgang geschlossen worden, die Geheimbürgschaften waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Grund für Paffhausens Rücktritt war die Spitzel-Affäre; er soll 2001 eine Berliner Detektei eines ehemaligen Stasi-Offiziers beauftragt haben, die ebenfalls städtische Gewoba auszuspionieren. Dem Vernehmen nach soll Paffhausen eine Abfindung in siebenstelliger Höhe erhalten; die Rede ist von einer Million Euro. Jakobs äußerte sich dazu mit Verweis auf Vertragspflichten nicht. Er sagte jedoch, es sei „dafür Sorge getragen“, dass „rechtliche Verfehlungen“ Paffhausens nicht ohne Auswirkungen blieben.

Paffhausens Geheimbürgschaften gelten als Beleg für den Potsdamer Filz; ein System von Abhängigkeiten, gekennzeichnet durch intransparentes Sport-Sponsoring der Kommunalunternehmen. Die Gewinne der städtischen Konzerne, so der Verdacht, sollen über Jahre als „Schattenhaushalt“ für die Politik funktioniert haben. Die Fraktionschefin der Bündnisgrünen, Saskia Hüneke, sagte, der Transparenzmangel sei in Potsdam „jahrelang unterschwellig diskutiert“ worden. Forderungen nach sauberen Strukturen und Informationen aber seien „abgeprallt“. Plötzlich, durch die Spitzel-Affäre als „nichtigen Auslöser“, sei jetzt alles offen, herrschten „revolutionäre Zustände, wie wir sie in der Schule gelernt haben“. Bürgerbündnis-Fraktionschefin Ute Bankwitz sagte, sie könne die Überraschung des Oberbürgermeisters über das Drängen des Stadtparlaments und den öffentlichen Druck nicht nachvollziehen. „Die Forderung nach Transparenz ist so alt wie diese Stadtverordnetenversammlung.“ Ihr früherer Fraktionskollege Manfred Kruczek habe über Jahre Aufklärung zum Sport-Sponsoring gefordert, „doch das wollte keiner hören, einige wollten ihre Pfründe sichern“.

FDP, Bündnisgrüne und Bürgerbündnis warfen Jakobs Mittwochabend im Parlament erneut mangelnden Aufklärungswillen vor. „Von Ihrem Aufklärungsbedürfnis habe ich nichts gespürt“, so FDP-Fraktionschefin Martina Engel-Fürstberger. Die Linke und ihr Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg hielten an ihrer bisherigen Linie fest. Sie stimmten für die Transparenz-Kommission, enthielten sich aber bei allen Anträgen zu Aufklärung und Konsequenzen im Fall Paffhausen. (mit pee)

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