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Brandenburg: Filz, Denunziationen, Morddrohungen

Der Politkrimi in der Stadt Brandenburg um Bürgermeister und Ex-Polizeichef Langerwisch eskaliert

Der Politkrimi in der Stadt Brandenburg um Bürgermeister und Ex-Polizeichef Langerwisch eskaliert Brandenburg/Havel - Es ist ein Politkrimi, der sich dieser Tage in der Stadt Brandenburg an der Havel abspielt. Seine Anfänge aber liegen lange zurück. Mitte der 90er Jahre gab es hier einen angesehenen Polizeichef, der hart durchgriff, der eine der höchsten Aufklärungsraten im Land vorweisen konnte. Der Name: Norbert Langerwisch. Was nur in der Polizei einige wussten: Langerwisch hatte einen Tippgeber aus der lokalen Unterwelt, Dirk R., eine stadtbekannte Szenegröße. Klar, R. hatte selbst immer wieder Ärger mit der Polizei – mal wegen illegalen Waffenbesitzes, mal wegen Rotlicht-Delikten, mal wegen Betruges. Sein Verurteilungsregister blieb im Vergleich zu seiner Kriminalakte trotzdem auffällig dünn. Januar, 2005: Der einstige Kriminalist und Ex-Polizeichef Langerwisch, der 2001 in die lokale Politik wechselte SPD-Bürgermeister im Rathaus wurde, kämpft um sein politisches Überleben - weil er zu dem ihm wohl bekannten R. zweifelhafte Kontakte unterhielt. Denn R., inzwischen als Drogendealer inhaftiert, half ihm im Oberbürgermeister-Wahlkampf, was Langerwisch zunächst leugnete. CDU-Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann will ihren Stellvertreter deshalb am 26.Januar abwählen lassen. Und R., auf Empfehlung von Langerwisch von 2001 bis 2003 zudem V-Mann des Landeskriminalamtes, muss sich ab Freitag wegen bandenmäßigen Drogenhandels vor dem Potsdamer Landgericht verantworten. Als der aus dem Ruder gelaufene V-Mann im Sommer 2004 verhaftet wurde, hatten die Fahnder des LKA in seiner Wohnung nicht nur umfangreiche Bestände an Amphetaminen, Kokain und Haschisch gefunden - sondern auch 3000 Blanko-Wahlzettel für die vorangegangene Oberbürgermeister-Stichwahl, bei der Langerwisch gegen Tiemann unterlag. Wem wollte die Kiezgröße helfen? Spekulationen kursierten, da R. einige Zeit der CDU nahe stand, ehe man sich von ihm trennte - und er die Nähe zu den Genossen suchte. Was in einer kleinen Stadt wie Brandenburg nicht verborgen blieb. Trotzdem dementierten die SPD und Langerwisch jedwede Wahlhilfe. R., der offenbar um gesellschaftliche Anerkennung rang, klopfte auch bei der PDS an, wie sich PDS-Stadtpolitikerin Petra Faderl erinnert - man habe dankend abgelehnt. Der Verdacht der versuchten Wahlmanipulation mit den Blanko-Stimmzetteln erhärtete sich zwar nicht. Auch nicht, dass Langerwisch davon womöglich wusste. Doch was Rauch in den Vernehmungen zu Protokoll gab, war kommunalpolitisch nicht weniger brisant: Er habe die Wahlzettel als Werbeflyer für Langerwisch einsetzen wollen und diesen zusammen mit anderen Unternehmern im Wahlkampf unterstützt. Es ging um Wahlplakate, die er klebte, um eine Gaststätte, die er für eine Wahlveranstaltung im Neubaugebiet Hohenstücken zur Verfügung stellte – obwohl er eigentlich gar keine Gewerbeerlaubnis mehr hatte, um eine Gaststätte zu betreiben. In Brandenburg interessierte das niemanden. Warum Langerwisch monatelang die Nähe zu R. öffentlich leugnete, kann er sich heute selbst nicht mehr erklären. „Mit dem würde ich kein Bier trinken gehen“, sagte er damals. Ganz so, als hätte es das Dankeschön-Wildschwein-Essen für ein dutzend Unternehmer und Wahlhelfer, darunter R., im November 2003 nicht gegeben. Ganz so, als wäre da nicht die kaum drei Wochen alte Glückwunschkarte an den „Lieben Dirk“, in der ihm der „Bürgermeister“ im Juni 2004 „erfolgreiche Geschäfte“ wünschte. Freunde, die von seiner Lügerei wussten, griffen nicht ein. Langerwisch dazu heute: „Ich habe einen Fehler gemacht. Das ist aber kein Grund mich menschlich zu vernichten.“. Einen Rücktritt lehnt er deshalb ab. Falls er abgewählt wird, könnte er theoretisch in den Polizeidienst zurückkehren - oder bei 75 Prozent der Bezüge die verbleibende Amtszeit zu Hause sitzen. Sein Handicap und seine Stärke sei, dass er auf jeden zugehe, jeden duze, nicht zwischen Nähe und Distanz unterscheiden könne, sagen Vertraute über ihn. Das hat ihn populär, aber auch angreifbar gemacht. Dennoch, dass das Vize-Stadtoberhaupt „die Brandenburger belogen“ hat, bleibt für Oberbürgermeisterin Tiemann der Hauptgrund für den für sie riskanten Abwahlversuch. „So ein Verhalten ist mit diesem Amt nicht vereinbar“, sagt sie. Ob sie damit durchkommt, ist trotzdem offen. Die Mehrheiten sind knapp. Die örtliche SPD steht noch hinter Langerwisch, obwohl Ministerpräsident und SPD-Landeschef Matthias Platzeck bereits vorsichtig auf Distanz zu Langerwisch gegangen ist. Er sei, so heißt es inzwischen in der SPD-Landeszentrale „wohl nicht mehr zu halten.“ So hängt alles von der örtlichen PDS ab, die noch unentschlossen ist. Fraktionschef Alfredo Foerster zumindest ist für die Abwahl. Er zollt der CDU-Oberbürgermeisterin sogar ausdrücklich seinen „Respekt“, dass sie diesen Schnitt im Interesse der politischen Kultur in der Stadt durchzuziehen versucht - obwohl sie eine Niederlage riskiert. Um die Kontakte von R. und Langerwisch gebe es schließlich nach wie vor offene Fragen, so Foerster. „Er hat bislang nichts getan, um unser Vertrauen zurückzugewinnen.“ Doch die Affäre, die sehr viel mit dem örtlichen Filz zu tun hat, entwickelt längst eine Eigendynamik. Es wird lanciert und denunziert. Beide Seiten sprechen von einer „Schlammschlacht“. Wegen einer anonymen Morddrohung steht Oberbürgermeisterin Tiemann unter Polizeischutz. Inzwischen gerät auch ihre Partei in den Sog: CDU-Stadtpräsident Friedrich von Kekulé hat vom örtlichen Wachunternehmen Safe, ein Hauptunterstützer von Langerwisch im Wahlkampf, vor Jahren 3000 Euro Honorar erhalten. Er soll als Aufsichtsratschef die Theater GmbH beeinflusst haben, Safe einen lukrativen Auftrag zu geben, was Kekulé in einer schriftlichen Erklärung vehement bestreitet. Der Zuschlag für Safe - die Firma bekam den Auftrag - sei vor seiner Beratertätigkeit erfolgt, bei der es allein um die Vermittlung von Geschäftskontakten nach Berlin ging, so Kekulé. Doch stehen inzwischen Aussagen früherer Theaterchefs, und eines schillernden Ex-CDU-Stadtvorsitzenden dagegen. Tiemann hat umgehend das Rechtsamt eingeschaltet, um die Vorwürfe gegen den Parteifreund und Vertrauten, um die Vergabe des Theaters, zu prüfen. Kekulé ist bislang einer der Hauptinitiatoren für die Abwahl Langerwischs. Erst am Wochenende hatte er in einem Interview dessen Rücktritt gefordert - und erklärt: „Es gibt an bestimmten Stellen ein beruflich vollkommenes Verhalten von Politikern. Sie wissen, wann sie zurückzutreten haben. Herr Langerwisch handelt nicht professionell“ Und: In bestimmten Situationen hätten Politiker unter der strafrechtlichen Schwelle zurückzutreten. „Sie sind ansehensmäßig und verantwortungsmäßig verbraucht. Das ist das Harte am politischen Gewerbe.“ Soweit der Maßstab, den Kekulé formulierte. Gilt er auch für die eigenen Reihen? Oberbürgermeisterin Tiemann ist für saubere Verhältnisse in Brandenburg angetreten, Jetzt geht es in der Affäre auch um ihre Glaubwürdigkeit.

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