zum Hauptinhalt
2786 Brandenburger Polizisten wurden im vergangenen Jahr Opfer von Straftaten. 1359 Fälle von Gewalt gegen Beamte wurden registriert.

© Carsten Rehder/dpa (Archiv)

Mehr Gewalt in Krisenzeiten: Brandenburgs Innenminister sieht „zunehmende Verrohung der Gesellschaft“

Versuchter Mord, Angriffe auf Frauen und Polizisten, illegale Grenzübertritte: In Brandenburg steigt die Kriminalität. Innenminister Stübgen verweist auf globale Krisen.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Konflikt in Nahost und die Nachwirkungen der Corona-Pandemie schlagen sich nach Einschätzung von Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) auch auf die Kriminalitätsstatistik des Landes nieder. Im vergangenen Jahr sind die Straftaten im Land erneut gestiegen. 186.242 Taten wurden von der Polizei registriert – das sind gut 16.000 Fälle mehr (plus 9,4 Prozent) als 2022.

„Die Zunahme spiegelt im Kleinen die tiefgreifenden Veränderungen und globalen Umbrüche wider, die im Großen vorgehen“, sagte Stübgen am Mittwoch bei der Vorstellung der Statistik in Potsdam. „Die Konfliktherde der Welt betreffen auch Brandenburg.“

Die Zunahme der Straftaten insgesamt erkläre sich auch mit dem globalen Geschehen: Ausländerrechtliche Verstöße, also in erster Linien illegale Grenzübertritte, seien erneut ein prägender Faktor für die steigenden Kriminalitätszahlen in Brandenburg. 19.015 solcher Delikte wurden 2023 gezählt, eine Zunahme um 27,3 Prozent.

5499
Gewalttaten wurden 2023 in Brandenburg registriert – der höchste Stand der vergangenen 15 Jahre.

Besonders besorgniserregend: Gewalttaten wie versuchter Mord, gefährliche und schwere Körperverletzung, Raub und Vergewaltigung haben zugenommen und seien ein Indiz für „eine zunehmende Verrohung der Gesellschaft“, so Stübgen. Mit 5499 Fällen wurde 2023 der höchste Stand im Bereich Gewaltkriminalität seit 15 Jahren verzeichnet. Im Jahr zuvor waren es 4685 Gewalttaten.

Zwei Bereiche ragen besonders negativ heraus: Gewalt gegen Frauen und Angriffe gegen Polizeibeamte. Häusliche Gewalt stieg insgesamt um 472 Fälle auf 6325. Meist sind Frauen das Ziel von Angriffen in den eigenen vier Wänden: 69,5 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind weiblich, wohingegen der Hauptanteil der Tatverdächtigen mit knapp 75 Prozent männlich ist.

Und: Die Schläger sind, wie Stübgen betonte, entgegen von äußert rechten Kreisen kolportierten Vorurteilen, überwiegend Deutsche. Der Anteil nichtdeutscher Verdächtiger, gegen die wegen häuslicher Gewalt ermittelt wurde, lag 2023 bei 18,4 Prozent.

Anstieg bei Kinder- und Jugendkriminalität

Gleichzeitig wird für diejenigen, die Leib und Leben schützen sollen, der Einsatz immer gefährlicher: 2023 wurden 1359 Fälle von Gewalt gegen Brandenburger Polizeibeamte registriert, das sind 90 mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt wurden 2786 Polizistinnen und Polizisten Opfer von Straftaten, 372 mehr als im Vorjahr. „Der Respekt gegenüber jenen, die helfen wollen und für Sicherheit sorgen sollen, sinkt erheblich“, so Stübgen.

Es brauche einen „starken, souveränen Staat, der seine Polizisten auch zu schützen weiß“, teilte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Brandenburg am Mittwoch mit. Aufklärung und Prävention müssten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wieder in den Fokus gestellt werden, die Polizei dürfe „nicht zum Feindbild werden“.

Grund zur Sorge bereite laut GdP auch der Anstieg von Kinder- und Jugendkriminalität. Unterschiedliche Statistiken fänden den Grund in zunehmender Frustration, die durch Schulschließungen und die darauffolgenden Lernrückstände während der Corona-Pandemie verstärkt worden seien.

Das Bildungsministerium müsse die Verantwortung übernehmen und die Zahl der Stellen für Schulsozialarbeit und Schulpsychologen aufstocken, „um gemeinsam mit der Polizei und allen gesellschaftlichen Kräften präventiv gegen diese Entwicklungen vorzugehen“. Laut Statistik stieg die Zahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren gegenüber dem Vorjahr um 1814 Personen, das entspricht einer Zunahme von knapp zwölf Prozent.

Auch Polizeipräsident Oliver Stepien sieht in den Folgen der Pandemie und anderer Krisen einen Grund für die Kriminalitätsentwicklung in Brandenburg. „Die wirtschaftlichen Herausforderungen sowie soziale Unsicherheiten haben ein komplexes Gefüge geschaffen, das vermutlich auch zu einem Anstieg der Straftaten beigetragen hat“, so Stepien bei der Vorstellung der Statistik.

Insbesondere der Anstieg bei Diebstählen um 10,4 Prozent sei wohl darauf zurückzuführen. Nach der Aufhebung der Corona-Einschränkungen habe es wieder mehr Tatgelegenheiten gegeben – aber eben auch mehr „zwischenmenschliche Konflikte, die sich dann leider auch in der gestiegenen Zahl der Gewaltdelikte widerspiegeln“, sagte Brandenburgs Polizeichef.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false