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Umstrittenes Immobiliengeschäft: Neuer Filzverdacht in Potsdam

Nach Geheimsponsoring und Spitzeleien bei den Stadtwerken steuert das Potsdamer Rathaus möglicherweise auf die nächste Affäre zu: Die Stadt muss sich mit Vorwürfen über Wohnungsverkäufe unter Wert auseinandersetzen.

Potsdam - Nach Geheimsponsoring und Spitzeleien bei den Stadtwerken steuert das Potsdamer Rathaus möglicherweise auf die nächste Affäre zu: Der städtische Konzern Pro Potsdam versuchte am Montag, einer Enthüllung des Magazins „Stern“ zum Verkauf von 1050 Wohnungen im Wert von 27 Millionen Euro durch die damalige städtische Gewoba an die deutschlandweit operierende Wohnungsbaugesellschaft Th. Semmelhaack im Jahr 2000 zuvorzukommen.

Die Vorwürfe waren am Montag in den Details noch nicht einmal bekannt, da dementierte Pro Potsdam bereits öffentlich. Der städtische Wohnungskonzern veröffentlichte auf seiner Internetseite eine Erklärung zu der Journalistenanfrage. Zu lesen sind dort in verkürzter Form die Fragen des Magazins und die Antworten der Pro Potsdam. Dem Vernehmen nach liegen Informationen vor, wonach das Verfahren des Millionengeschäfts mindestens eine Reihe von Fragen aufwirft. Neben der Pro Potsdam wiesen die Landeshauptstadt Potsdam und Unternehmer Theodor Semmelhaack am Montag auf Anfrage alle – bisher nicht veröffentlichten – Vorwürfe zurück.

Hintergrund des Immobiliengeschäfts aus dem Jahr 2000 ist das sogenannte „Gewoba-Modell“: Aus Geldnot verkaufte das damals hoch verschuldete Potsdam Landeseigentum. Das Stadtparlament beschloss, dass die Gewoba Immobilien im Wert von bis zu 120 Millionen D-Mark von der Stadt kaufen solle. Als Refinanzierung, erklärte am Montag der damalige Gewoba- und heutige Pro Potsdam-Geschäftsführer Horst Müller-Zinisus, habe das Stadtparlament der Gewoba erlaubt, von den 18 000 Wohnungen bis zu 6000 zu verkaufen. Dazu schnürte die Gewoba zwei Pakete, die nach Genehmigung durch Aufsichtsrat, Hauptausschuss des Stadtparlaments und die Stadt Potsdam – vertreten durch den damaligen Oberbürgermeister und heutigen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) – an Semmelhaack verkauft wurden. Aufsichtsratschef der Gewoba war zu dieser Zeit der heutige Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der damals Sozialbeigeordneter war. Müller-Zinsius sagte am Montag, die Verkäufe an Semmelhaack seien korrekt gelaufen.

Pikant an dem Fall: In dem dreiseitigen Spitzelbericht, den eine Berliner Detektei im März 2001 für Ex-Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen erstellte und der zu Paffhausens Rückzug im Mai dieses Jahres führte, wird bereits die „Vermutung“ erwähnt, „wonach das Unternehmen Semmelhaack im Rahmen der Grundstücks/Immobilienverkäufe der Gewoba begünstigt wurde“. Belegen kann das der Autor der Spitzelberichts allerdings nicht. Zu der Frage, ob er einen Zusammenhang zwischen der Spitzelei und den jetzt aufgetauchten Dokumente sieht, sagte Müller-Zinsius: „Ich weiß nicht, ob man einen sehen kann.“ Die Pro Potsdam kündigte jetzt an, eventuell juristische Schritte einzuleiten, da „offenbar eine große Anzahl von vertraulichen Dokumenten“ an die Öffentlichkeit gelangt sei.

Müller-Zinsius selbst hatte im September 2002 schon einmal für Schlagzeilen gesorgt. Damals ging es um Vorwürfe, er habe mit Insider-Wissen im November 2001 aus dem Bestand der eigenen Gesellschaft zwei zusammenhängende Reihenhäuser in Babelsberg erworben. Müller-Zinsius und Oberbürgermeister Jakobs wiesen damals alle Vorwürfe einer Vorteilsnahme zurück.

Auch im aktuellen Fall dementiert die Stadtspitze einen Verkauf der Gewoba-Grundstückspakete unter Wert und mögliche Untreue. Der Unternehmer Theodor Semmelhaack wies ebenfalls Vorwürfe zurück, es hätte Unregelmäßigkeiten bei seinen Käufen im Jahr 2000 gegeben. Auch sei es unberechtigt, Zusammenhänge zwischen seinem Engagement als Sponsor des Handballvereins VfL Potsdam und des Fußballclubs SV Babelsberg 03 im Jahr 2008 und den Zuschlägen bei den Grundstücksverkäufen zu ziehen.

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