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Landeshauptstadt: Die kleine Oase der Defa-Dokumentarfilmer

Seit 15 Jahren behauptet sich die Potsdamer Filmproduktionsfirma „FilmArt“ auf dem Medien-Markt und hat dabei 3500 Bänder „Goldstaub“ gesammelt

Seit 15 Jahren behauptet sich die Potsdamer Filmproduktionsfirma „FilmArt“ auf dem Medien-Markt und hat dabei 3500 Bänder „Goldstaub“ gesammelt „Na komm Helga, sag mal was du immer sagst“, scherzt Firmenchef Evert Beewen. Seine Schnittmeisterin, Helga Wardeck, lässt sich nicht lange bitten und spricht es aus: „Das hier ist immer noch eine Oase, in der man sich einfach wohlfühlt.“ Diese Wohlfühl-Oase liegt im Herzen der Jägervorstadt, in der Bertha-von-Suttner- Straße und heißt FilmArt Potsdam. Hier haben insgesamt zwölf gestandene Filmemacher, die größtenteils noch zu DDR- Zeiten bei der Defa zusammengearbeitet haben, ihr persönliches Refugium gefunden. In einer kleinen Gaube unter dem Dach stapeln sich auf 17 Regalen fast 800 Bänder mit über 600 Filmen. Die gesammelte Erfolgs-Geschichte der Firma. Es kommt aber noch besser: Auf den drei Etagen des Hauses verteilen sich zudem ganze Regalbatterien gefüllt mit diesen typisch mausgrauen Kamerabändern. Geschätzte 3500 Kassetten sind hier archiviert. „Das ist unser Goldstaub“, sagt Tonmeister Lutz Laschet mit Stolz. Kohlenstaub wäre vielleicht treffender, wenn auch weniger glamourös. Allein zehn Jahre Wandel im ehemaligen Braunkohlerevier Lausitz sind hier auf Celluloid gebannt. „Wir haben überall dort gedreht wo sich technologische Prozesse mit Lebensläufen kreuzen“, so FilmArt-Autor Fritz Barber. Er berichtet von dem Vertrauen, dass sich die Filmemacher dabei erworben haben: „Obwohl wir von den Energiefirmen engagiert waren, haben wir oft bei den Arbeitern zu Hause geschlafen. Die wussten einfach, dass wir sie nicht in die Pfanne hauen.“ Die Lausitzer Geschichte und das Thema Energie haben es ihnen allen angetan, da kennen sie sich aus. Schon zu DDR-Zeiten hatten sie für den Progress Filmvertrieb Industriefilme gemacht. Nach dem Sprung in die Selbstständigkeit – gleich nach der Wende – haben die ehemaligen Defa Doku Filmer dann relativ schnell erste Aufträge aus der Energiebranche bekommen. Heute sind teilweise sogar Rahmenverträge daraus entstanden. Eine Grundlage, die es Geschäftsführer Beewen erlaubt größtenteils mit Festangestellten zu arbeiten. Derzeit werkeln hier acht feste und drei freie Mitarbeiter an bis zu fünf Produktionen gleichzeitig. Eine für Filmfirmen ungewöhnliche Konstellation. Meist scheuen die kleinen Medienbetriebe eine derartig kostenintensive Beschäftigtenstruktur. Nicht so Evert Beewen, er gibt zwar zu, dass er nie mehr als drei Monate sicheren Vorlauf hat, doch für ihn steckt in der festen Mitarbeiterstruktur die große Stärke seiner Firma. Wenn ein Projekt mehr Drehzeit bräuchte, dann fahre man halt noch einmal hin, so Beewen. „Ich muss dafür niemanden buchen und kann ganz anders kalkulieren als einer, der mit vielen Freien arbeitet“, sagt er. Um derart autark wirtschaften und arbeiten zu können, hat Beewen allerdings auch etwas investieren müssen: Allein drei unterschiedliche Schnittplätze verschiedenster Formate sind ständig einsatzbereit. Drei Kamerabusse und vier Kameraausrüstungen komplettieren die Ausstattung. Seit einiger Zeit haben sie zusätzlich ein kleines „Bluescreen Studio“ aufgebaut. „Nur Animationen machen wir noch nicht“, so Beewen. Aber das alles ist nur die halbe Miete. Ohne motivierte Mitarbeiter geht nichts. „Wir alle wissen, dass wir in einem Boot sitzen und werfen nicht die Kamera oder die Schere weg, wenn das Wochenende kommt“, beschreibt Helga Wardeck ihre Arbeitshaltung. Gerade schneidet sie einen Imagefilm für die Brandenburgische Landesregierung. „Heute Abend werde ich wohl wieder rote Augen haben“, meint sie. Ihr Chef hat in 15 Jahren Selbstständigkeit indes nur eines bereut: „Das wir uns damals nicht „Drefa“ genannt haben, aber da bin ich nicht drauf gekommen“, sagt er. Jörg Isenhardt

Jörg Isenhardt

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