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Wissbegierig. Schüler aus Potsdam konnten am Freitag Uni-Luft schnuppern. Auf dem Campus in Golm und am Neuen Palais beantworteten ihnen Professoren, Doktoranden und Studenten Fragen zu Fledermäusen, fernen Galaxien oder schwarzen Löchern.

© Andreas Klaer

Kinder-Universität: Marshmallows und Erdbeben

2000 Grundschüler ließen sich an der Uni-Potsdam für einen Tag das Studentenleben schmecken

Golm - Nick steckt in der Klemme. Behutsam betrachtet der Neunjährige den zuckersüßen Marshmallow in seiner Hand. Dreht ihn von rechts nach links, schnuppert daran. „Darf ich den jetzt essen?“, fragt er seinen Banknachbarn Mirco. „Ich weiß nicht“, flüstert der zurück und drückt wie Nick an der Süßigkeit umher, die die Psychologin Katja Kröller im Vorlesungssaal der Uni Potsdam in Golm an die Schüler der Grundschule Marquardt hat verteilen lassen. Noch nicht essen, hatte sie gesagt – ein kleines Stück wird nicht schaden, denkt sich Nick. Mit den Fingerspitzen pult er am Marshmallow, bis sich eine Ecke des Zuckerspecks löst und im Mund verschwindet.

Rund 2000 Grundschüler aus dritten und vierten Klassen Potsdams und der Region waren am Freitagvormittag in der Uni Potsdam zu Gast. Am Neuen Palais und erstmals auf dem Campus in Golm ließen sie sich bei der 8. Kinder-Uni das Studentenleben schmecken. Professoren, Doktoranden und Studenten führten die Schüler in die Wissenschaft ein. In insgesamt 17 Vorlesungen beantworteten sie Fragen zum Sternenhimmel, über „das Böse“ oder zur Entstehung von Erdbeben. Gemeinsam bastelten sie Spielzeug, das es so schon vor 300 Jahren gab, betrachteten ferne Galaxien oder ließen sich von der Psychologin Katja Kröller das Essverhalten des Menschen anhand des sogenannten Marshmallowtests erklären und wurden dort gleich selbst zu Probanden.

Fünf Minuten gilt es auszuhalten, ohne den Marshmallow zu essen. Schafft man das, wird man mit einem zweiten belohnt. Was für Erwachsene in der Regel unproblematisch ist, stellt Kinder auf eine Geduldsprobe, sagt Katja Kröller. Statt die Süßigkeit für fünf Minuten zu vergessen, wird das Marshmallow genau untersucht, dran gerochen und geknabbert. Die Erleichterung im vollbesetzten Vorlesungssaal ist dann auch regelrecht zu hören, als die Psychologin endlich das Signal gibt: „Jetzt dürft ihr essen.“

Begeisterung für die Wissenschaft zu wecken, ist das Ziel der Kinder-Uni. Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) redete den Schülern deshalb ins Gewissen: „Wichtig ist, dass ihr in der Schule gut seid, damit ihr später an die Uni gehen könnt.“ Das Angebot der Kinder-Uni ist breit, der Ansturm auf das Angebot war in diesem Jahr so groß wie noch nie. Die Dozenten auf dem Campus Golm waren voll gefordert.

Während der Biochemiker Thilo Liesenjohann mit einer Klappantenne über dem Kopf durch den mit Kinderstimmen erfüllten Vorlesungssaal läuft und einen versteckten Peilsender sucht – der eigentlich für wilde Mäuse gedacht ist –, ist eine Etage höher die Erdbebenexpertin Stefanie Donner zu Gange. Fragen über Fragen prasseln auf die junge Doktorandin am Institut für Erd- und Umweltwissenschaften ein. Wie ist die Erde entstanden? Wie sah sie aus, als die Dinosaurier noch lebten? Warum bewegen sich die Erdplatten und warum merken wir das nicht? Kaum hat sie die Fragen beantwortet, schießt der nächste Finger in die Luft. Dabei hat die Doktorandin noch nichteinmal ihren Seismographen – „die Kiste mit der man Erdbeben misst“ – ausgepackt, für den die Schüler der Ludwig-Renn-Grundschule doch alle kräftig trampeln sollten. „Ich bin aufgeregter als bei einer Konferenz“, sagt Donner. Seit Mai hat sich die Doktorandin auf die Vorlesung vorbereitet. Das Schwierigste sei, die gewohnten Fremdwörter wegzulassen, sagt sie.

Bei den Kindern kommt das Uni-Angebot gut an. Sophie hat in der Geschichtsvorlesung der Studenten des Historischen Instituts gelernt, dass Mädchen früher weniger Zeit in der Schule verbrachten als Jungs. „Das würde ich mir auch wünschen“, sagt die Neunjährige der Pappelhain-Schule. Dass das nicht geht, weiß sie auch. Später will Sophie Geschichte studieren, sagt sie.

Sophies Mathe-Lehrerin Petra Schneider ist überzeugt, dass die Kinder-Uni das richtige Modell ist, um die Schüler für Wissenschaft zu begeistern. Seit fünf Jahren besucht sie mit ihren Klassen die Uni. „Das Rechenbrett aus dem Mittelalter werden wir wohl künftig auch mal im Unterricht nutzen“, sagt Schneider. „Echt?“, fragt der neunjährige Dominik. „Die Schiefertafel finde ich cool.“

Auch Psychologin Katja Kröller ist nach ihrer Vorlesung zufrieden. Sie hat die Kinder mit ihren Marshmallows beobachtet. „Ich habe gesehen, dass einige probiert haben“, doch die meisten Kinder hätten sich zurückgehalten, sagt Kröller – auch wenn es schwerfiel. Für sie war die Vorlesung vor den kleinen statt den großen Studenten eine Premiere. „Ich glaube, es macht einen großen Unterschied“, sagt sie. „Die Kinder sind noch besser zu begeistern“, viele Studenten hätten stattdessen im Uni-Alltag nur noch Klausuren und Noten im Kopf.

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