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Von Alexander Visser: Rückkehr eines alten Bekannten

Keynes’ Auferstehung: Der Ökonom riet Staaten, in der Krise in die Wirtschaft einzugreifen

Wer jetzt zu Ostern nach einjährigem Rückzugsjahr im Kloster – ohne Zeitung, Rundfunk, Internet – in den Alltag zurückkehrte, würde sich verwundert die Augen reiben. Aus der Bankenkrise ist eine internationale Wirtschaftsflaute erwachsen, Politiker suchen weltweit nach Wegen aus der Rezession. Dabei klingen die Instrumente, die zur Lösung der Krise debattiert werden, seltsam vertraut: schuldenfinanzierte Konjunkturpakete, Verstaatlichung von Banken, Cash für Konsum. Unser zurückgekehrter Aussteiger würde sich fragen: Hat es einen Zeitsprung zurück in die 50er oder 60er Jahre gegeben? Wie kommt es, dass Konzepte, die jahrzehntelang als veraltet galten, plötzlich wieder gefragt sind?

Der britische Ökonom John Maynard Keynes hatte in der Depression der 30er Jahre dem Staat eine aktive Rolle in Wirtschaftskrisen zugewiesen. Unter Berufung auf Keynes galten staatliche Investitionsprogramme über Jahrzehnte als probates Mittel gegen Konjunkturflauten (auch wenn Keynes selbst solche Programme in seiner „Allgemeinen Theorie“ nur am Rande erwähnte). Spätestens aber als die „keynesianischen“ Staatsinterventionen in der Ölkrise der 70er Jahre versagten und nur für höhere Schulden sorgten, war Keynes out. Die Neoklassiker um Milton Friedman dominierten seitdem die Lehrmeinung: Der Staat solle sich aus dem Marktgeschehen heraushalten und sich auf die Inflationsbekämpfung konzentrieren.

Und jetzt? Die Staaten greifen massiv in die Wirtschaft ein, beteiligen sich an Banken und überbieten sich mit Milliardeninvestitionen. Keynes ist zurück. „Er war nie wirklich weg“, sagt Irwin Collier, Volkswirtschaftler an der Freien Universität Berlin. In der wissenschaftlichen Ausbildung habe er stets eine wichtige Rolle gespielt. „Seine Ideen wurden weiterentwickelt, auch unter Berücksichtigung einiger Kritikpunkte der Neoklassik.“

So hatte Friedman unter anderem argumentiert, staatliche Konjunkturprogramme würden nicht greifen, weil zwischen der Planung von Maßnahmen und dem Beginn der Umsetzung zu viel Zeit verloren gehe. Das Geld komme erst an, wenn die Krise schon vorbei sei. „Das sehen auch moderne Keynesianer so“, sagt Collier. Gegen vorübergehende Konjunkturdellen würden Investitionsprogramme nicht helfen. „Sie können nur bei wirklich großen Krisen helfen, bei drohender Depression, wenn es nicht auf Treffgenauigkeit ankommt.“

Aus Sicht des Bielefelder Wirtschaftshistorikers Werner Abelshauser hat die deutsche Politik aus früheren Krisen allerdings noch nicht die notwendigen Lehren gezogen. „Es wird nicht genug dafür getan, dass das Geld aus den Konjunkturpaketen auch sofort in den Wirtschaftskreislauf gelangt.“ Ein Großteil der vom Bund bereitgestellten Milliarden werde über die Kommunen ausgegeben. Das dauere oft zu lange. In dieser Ausnahmesituation müsse der Bund notfalls per Verfassungsänderung befugt werden, „bis in die Gemeinden durchzuregieren.“ Der aktive Staat ist wieder gefragt.

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