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Xaver über Potsdam: Schotten dicht

UPDATE Sturmtief „Xaver“ versetzt Potsdam und die Region in Ausnahmezustand. Totalausfall im Tram-Netz. B 2 stundenlang voll gesperrt. 31 Feuerwehreinsätze im Stadtgebiet. Schulkinder dürfen zu Hause bleiben, einige Veranstaltungen werden abgesagt.

Orkantief "Xaver" hat die Landeshauptstadt am Freitag im Griff: Wegen eines in die Oberleitung gestürzten Baumes am Platz der Einheit gab es seit 8.30 Uhr einen Totalausfall im Tramnetz. Bei den Trams in Richtung Babelsberg, Glienicker Brücke und Pirschheide geht auch in den Mittagsstunden noch nichts, wie ein Verkehrsbetriebe-Sprecher den PNN sagte. Die Reparaturen verzögern sich demnach "auf unbestimmte Zeit". Für die Linie Richtung Pirschheide könnte es früher Entwarnung geben: Dort hält derzeit ein kaputter Tramwagen den Verkehr auf. Richtung Babelsberg und Glienicker Brücke verkehren Ersatzbusse. Richtung Pirschheide empfehlen die Verkehrsbetriebe den Umstieg auf die dort verkehrenden Linienbusse. Immerhin: Der S-Bahn-Verkehr war am Vormittag weitgehend störungsfrei. Probleme auf der S1 gab es zwischen 6 Uhr und 6.45 Uhr, als ein umgestürzter Baum am Botanischen Garten die Gleise blockierte, sagte ein S-Bahn-Sprecher den PNN.

Im Potsdamer Norden hatte ein Lkw-Unfall auf der B 273 seit den frühen Morgenstunden für ein Verkehrschaos und teils stundenlange Wartezeiten gesorgt: Gegen 2.19 Uhr war ein Lkw mit Anhänger hinter Bornim aufgrund des starken Seitenwindes ins Schleudern geraten, sagte eine Polizeisprecherin den PNN. Das Fahrzeug war demnach auf der Fahrbahn quergestellt, das Führerhaus komplett verkeilt, der Anhänger im Straßengraben gelandet. Der Fahrer blieb unverletzt. Die Bergungsarbeiten zogen sich wegen der Witterung bis 10.40 Uhr hin. Die Straße musste in dieser Zeit in beide Richtungen voll gesperrt werden, der Verkehr wurde weiträumig über die B 2 und die Autobahn umgeleitet. Betroffen waren auch die Havelbuslinien 614 und 650, bei denen es im Berufsverkehr Verspätungen bis zu zwei Stunden Verspätung gab, wie ein Sprecher sagte. Mittlerweile ist die Fahrbahn laut Polizei wieder frei.

Die Potsdamer Feuerwehr war in den Nacht- und Morgenstunden insgesamt 31 Mal im Einsatz, wie die Stadt mitteilte. In den meisten Fällen hätten umgestürzte Bäume, abgebrochene Äste, lose Fassaden- oder Dachteile beseitigt oder gesichert werden müssen. Personenschäden gab es bislang keine.  Zwischen dem neuen Landtag und der Nikolaikirche stürzte eine circa fünf Meter hohe Kabelbrücke teilweise ein. Dabei wurde eine vier Meter hohe historische Statue leicht beschädigt, hieß es.

Im neuen Landtag am Alten Markt war am Vormittag zwischenzeitlich der Strom ausgefallen - ausgerechnet bei der ersten Probesitzung des brandenburgischen Parlaments im rekonstruierten Stadtschloss. Es habe sich aber nicht um einen großflächigen Stromausfall gehandelt, so ein Stadtwerke-Sprecher.

Hier und dort hat auch die Weihnachtsdeko gelitten: An der Wilhelm-Galerie etwa mussten die Deko-Leuchten am Vormittag wieder gerichtet werden, am Restaurant "Garage du Pont" hatte es den Weihnachtsbaum der Länge nach umgelegt.

Mit Windstärken bis zu 83 Stundenkilometern hatte das Orkantief „Xaver“ Potsdam bereits am Donnerstag in Atem gehalten. Die meisten Schulen ließen den Nachmittagsunterricht ausfallen, der Weihnachtsmarkt in der Brandenburger Straße wurde frühzeitig geschlossen. Zahlreiche Veranstaltungen am Abend wurden abgesagt. Auch am heutigen Freitag soll es weiterhin stürmen. Die Kinder und Jugendlichen müssen deshalb nicht zur Schule kommen.

Am Einstein-Gymnasium findet heute gar kein Unterricht statt, wie eine Schulmitarbeiterin den PNN am Freitagvormittag sagte. Die Lehrer haben stattdessen Aufgaben für zu Hause erteilt. Lediglich Sekretariat und Schulleitung sind besetzt. Am Helmholtz-Gymnasium und der Gesamtschule am Schilfhof beispielsweise ist den Schüler beziehungsweise Eltern freigestellt, ob sie am Unterricht teilnehmen oder nicht. Wer nicht zur Schule kommt, muss den Stoff nachholen, sagte ein Mitarbeiter des Schilfhofschule. Am Helmholtz-Gymnasium sind viele Eltern der Empfehlung gefolgt und haben ihre Kinder zu Hause gelassen, wie Schulleiterin Grit Steinbuch den PNN sagte. Alle Lehrer seien aber vor Ort, der Unterricht finde regulär statt. An vielen Schulen in Potsdam Mittelmark sind bis zu einem Drittel der Schüler nicht erschienen. Der Unterricht fand aber statt.

Verletzt wurde bis zum Donnerstagabend niemand. Allerdings musste die Feuerwehr wegen mehrerer Sturmschäden ausrücken. So fiel in der Einfahrt des Restaurants „Seerose“ in der Breiten Straße ein Baum um, der von den Einsatzkräften beseitigt werden musste. Außerdem segelte am Humboldtring ein Dachblech von einem Haus und beschädigte ein Auto. Auch in der Mangerstraße musste die Feuerwehr ein hinuntergewehtes Dachblech von der Straße bergen.

Die meisten Potsdamer Schulen sagten wegen des Orkans vorsorglich den Nachmittagsunterricht ab. Heute sollen alle Schüler nur dann kommen, wenn es die Eltern erlauben. „Für Lehrer gilt Anwesenheitspflicht, für Schüler nicht“, sagte ein Sprecher der Stadtverwaltung. Schon am Mittwoch hatte das Brandenburger Bildungsministerium eine entsprechende Empfehlung an alle Schulen des Landes herausgegeben. Viele Lehrer gaben den Schülern am Donnerstag Aufgaben für zu Hause mit, wie etwa am Einstein-Gymnasium. Auch auf der Homepage des Humboldt-Gymnasiums hieß es: „Um keine Gefährdung unserer Schüler zu riskieren, findet ein Selbststudientag mit erteilten Aufgaben zu Hause statt. Die Schule ist geöffnet, eine Betreuung der Schüler ist gewährleistet.“ Auch auf der Seite des Schiller-Gymnasiums wurde eine „Eilmeldung“ wegen des eingeschränkten Unterrichts veröffentlicht.

Im Landkreis Potsdam-Mittelmark schickten ebenfalls viele Schulen, Horte und Kitas die Kinder früher nach Hause, oder baten die Eltern, ihren Nachwuchs eher abzuholen, so zum Beispiel in Werder (Havel), Kleinmachnow und auch Teltow. Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) riet allen Eltern, angesichts des Sturmtiefs auch am heutigen Freitag die Kinder zu Hause zu lassen. Dennoch werde die Stadt auch am Freitag ihre Kindergärten und Horte für die Kinder all der Eltern öffnen, denen eine Betreuung zu Hause nicht möglich sei. Landkreis-Sprecher Kai-Uwe Schwinzert sagte, alle Ämter und Gemeinden im Kreis seien über die Unwetterwarnungen informiert worden. „Jede Einrichtung muss selbst prüfen, wie sie verfährt“, sagte Schwinzert. Das gelte auch für die Schulen. „Jeder sollte die Sicherheit der Kinder und Beschäftigten selbst beurteilen und entsprechend handeln.“ Eine generelle Anweisung, die Ämter und Einrichtungen zu schließen, habe es nicht gegeben, so Schwinzert. 

Auch in Potsdam-Mittelmark musste die Feuerwehr mehrmals ausrücken. In Wilhelmshorst drohte eine Baumkrone abzubrechen, in Teltow fiel ein Baum auf die Fritz-Reuter-Straße. Auch zum Asylbewerberheim in Teltow wurden die Einsatzkräfte gerufen. Dort drohte sich ein 40 Meter langes Blechteil wegzuwehen und musste entfernt werden.

Verkehrsbeeinträchtigungen gab es bis zum Abend offenbar aber nur vereinzelt. In Potsdam hätten lediglich die Busse einige Minuten Verspätung gehabt, sagte der Sprecher der Verkehrsbetriebe. Ausgefallen sei bis zum Abend aber nichts, sogar die Fähre verkehrte trotz des Windes. Auch die Busse der mittelmärkischen Havelbusgesellschaft fuhren weiterhin. Je nach Wetter sollte dort jeder Fahrer selbst entscheiden, ob er die Fahrt fortsetzen könne oder nicht, wie Unternehmenssprecherin Ulrike Rehberg sagte.

Der Deutsche Wetterdienst hatte für die Nacht Sturmböen von bis zu 115 Stundenkilometern vorhergesagt. Zahlreiche Abendveranstaltungen wurden deshalb kurzfristig abgesagt. So wollte eigentlich der Kreisvorstand der Potsdamer Linken tagen, doch der Termin wurde wegen „Xaver“ auf den 11. Dezember verlegt. Die Potsdamer Demokraten hatten ursprünglich einen Jour Fixe mit Potsdams Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD) geplant – doch auch dieser wurde abgesagt. Der Weihnachtsmarkt in der Brandenburger Straße wurde gegen 17.30 Uhr geschlossen, um Mitarbeiter und Besucher zu schützen.

Wegen "Xaver" werden am Freitag auch einige Veranstaltungen abgesagt, unter anderem die Open Air-Aufführung des Filmklassikers "Die Feuerzangenbowle" und der Auftritt des Babelsberger Mämmerchors im Hof des Kulturhauses Babelsberg. 

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