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Homophobie im Fussball: Vom schwulen Pass zum laschen Zuspiel

Der SVB hat sich 2012 als erster Profi-Verein gegen Homophobie gestellt. Die Sprache unter Fußballern ist geblieben

Sportlich endete der 1. Dezember 2012 für den SV Babelsberg 03 mit einem Hammer: In der dritten Minute der Nachspielzeit hatte Oliver Kragl mit einem fulminanten 35-Meter-Schuss dem damaligen Drittligisten ein 1:1 gegen den Chemnitzer FC beschert. Für wirkliches Aufsehen sorgte am Babelsberger Park indes schon vor dem Anpfiff der damaligen Partie, als eine Werbebande enthüllt wurde. Seitdem ist die Aufschrift „Nulldrei gegen Homophobie“ in der Nordkurve zu lesen. Als erster deutsche Verein im bezahlten Fußball setzte der SVB damit ein sichtbares Zeichen gegen die Diskriminierung und Diffamierung von Menschen aufgrund ihrer Sexualität.

Ein anderer „Hammer“ hat in dieser Woche der „Homosexualität im Fußball" zum Thema Nummer Eins verholfen. Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, der wegen seiner Schussgewalt „The Hammer“ genannt wurde, hat mit seinem öffentlichen Bekenntnis zur Homosexualität nach den Worten so mancher Kommentatoren für eine Sensation gesorgt. Dabei glaubt Alexander Bosch vom Fanprojekt des SV Babelsberg 03, dass die Fanszene viel weiter ist als die Fußballer selbst. Zumindest in Babelsberg. Dort hat der Banner „Nulldrei gegen Homophobie“ seit seiner Premiere vor zwei Jahren seinen festen Platz im Stadion, genauso wie der Verein sein Bekenntnis zur Toleranz in seiner Satzung festgeschrieben hat: Äußerungen, Handlungen und das Tragen und Zurschaustellen von Symbolen und Inhalten, die Dritte aufgrund ihrer Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung sowie ihres Geschlechts diskriminieren, wird nicht geduldet.

An schmähende Reaktionen auf diese Bande aus dem Gästeblock des Karl-Liebknecht-Stadions kann sich zumindest Bosch nicht erinnern. „Es gab mal Rufe, um uns wegen unserer engen Fanfreundschaft zum FC St. Pauli als schwule Babelsberger zu provozieren.“ In der Nordkurve, wo die alternative Nulldrei-Fanfamilie zuhause ist, werde darauf auf eigene Art geantwortet: „Es gibt Fangesänge, in denen wir uns selbst als schwul bezeichnen“, sagt Bosch. In der aktiven Fanszene, so glaubt er, sei es total egal, ob ein Fußballer schwul oder hetero sei.

Das nimmt auch Christian Rudolph von der Initiative „Fußballfans gegen Homophobie“ in Anspruch. „Zumindest in aktiven Fanszenen, die oft als Ultras kritisiert werden, weil sie eben auch Tabuthemen ansprechen", sagt er. Die Initiative selbst ist zu einem Vorreiter im Kampf gegen Homophobie im Fußball geworden. Aus der ursprünglichen Idee, eines einzigen Aktionstages ist eine internationale Kampagne erwachsen. An 60 Stationen – in Fußballstadien, Foren, Christopher Street Days – war die Initiative mit ihrem Banner in den vergangenen beiden Jahren präsent, inzwischen auch in Spanien und Kroatien. 6 500 Facebook-Freunde hat die Kampagne, die Rudolph zufolge durchaus einen Anteil daran hat, dass homophobe Gesänge auf kritischen Widerhall stoßen.

Doch es ist ein langer Weg zur Normalität, die SVB-Kapitän Julian Prochnow für sich in Anspruch nimmt, wenn er einen „schwulen Pass“ als gängige Fußballsprache für ein lasches Zuspiel beschreibt. „Das ist gedankenlos dahingesagt“, sagt Prochnow. „Ich denke, die wenigsten Spieler machen sich Gedanken, ob sie damit einen Mitspieler treffen oder verletzen könnten“, sagt er. Genauso wie man sich über ein „geiles Tor“ freue, ohne dass man das Wort an seiner ursprünglichen Bedeutung festmache. Zumindest für Prochnow taugt Homosexualität im Fußball nicht als Dauerthema. „Natürlich beschäftigt man sich hin und wieder damit, denn es ist ja ein gesamtgesellschaftliches Thema“, meint der 27-Jährige. In Babelsberg gehöre es zum Selbstverständnis des Vereins, dass er sich öffentlich gegen Homophobie positioniert. „Doch vor allem muss es innerhalb einer Mannschaft ein enges Vertrauensverhältnis geben“, sagt Prochnow.

Torsten Siebert sieht das genauso. Er ist Projektleiter „soccer sound“ des Lesben- und Schwulenverbands Berlin-Brandenburg (LSVD) und rät Fußballspielern, die sich outen wollen, sich eine Vertrauensperson zu suchen: Mitspieler, Kapitän, Trainer. „Dann hat man zumindest eine oder mehrere Personen im Team, die einen dabei unterstützen.“ Neben der Beratung homosexueller Fußballer leistet der LSVD auch Lobbyarbeit – aktuell mit der Aktion „Rote Karte für Homophobie“ in Kooperation mit dem Berliner Fußballverband. Mit dem Brandenburger Fachgremium gibt es eine solche Zusammenarbeit noch nicht. „Aber wir haben einzelne Aktionen in Brandenburg geplant“, sagt Siebert. Mit Hilfe des Aktionsbündnisses „Faires Brandenburg“ wird es im Frühjahr in Wustermark, Cottbus und Potsdam Podiumsgespräche und Lesungen geben. Eine Gesprächspartnerin: Tanja Walther-Ahrens, die unter anderem in ihrem Buch „Seitenwechsel“ Homosexualität und Fußball thematisiert und für ihr Engagement mehrfach ausgezeichnet wurde. Von 1995 bis 1999 war Walther-Ahrens in Potsdam aktiv – als Fußballerin beim 1. FFC Turbine.

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