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Landeshauptstadt: Wohnen im Holländerhaus, Golf im Park

Was aus dem Holländischen Viertel werden sollte – Die Pläne aus dem Schattenreich des DDR-Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski (Teil 2)

Es war ein kleines, unscheinbares Büro in Stahnsdorf, von dem aus die geheime DDR die Zukunft für den Bezirk und die Stadt Potsdam plante. Offiziell hatte es den Namen „Exportkoordinierungsbüro“ bekommen. Man kümmerte sich um die Steigerung der für den West-Export relevanten Produktion in den sozialistischen Betrieben und Kombinaten im Bezirk. Es ging um zusätzliche Devisen für die zugrunde gehende DDR. Doch hinter der Fassade war das Büro ein Pilotprojekt der besonderen, der konspirativen Art: Es war ein Gemeinschaftsprojekt des Schattenreichs von DDR-Chefdevisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski und der SED-Bezirksführung Potsdam. Neben Westexporten wurden hier auch geheime Devisen-Projekte für die Stadt Potsdam geplant. So auch der seit den 70er Jahren immer wieder angedachte Bau eines Hotels im Holländischen Viertel im Herzen der Stadt.

Hatten die DDR-Planer das weitgehend verfallene Viertel zum Großteil schleifen wollen, so sollten nun Planer aus Westberlin im Auftrag der DDR das Ensemble zum Großteil erhalten, lediglich die Innenhöfe planieren und die Häuser hoteltauglich entkernen. Die Kosten allein für den Umbau des Karrees zwischen Mittel- und Gutenbergstraße sowie zwischen Hebbel- und Benkertstraße zum Hotel mit Tagungszentrum und separater Hotelhalle mit Restaurants im Innenhof: 76,5 Millionen DM, plusminus 15 Prozent. Inbegriffen war die Umsiedlung der Gewerbebetriebe in eine neue Industriehalle am Stadtrand. Für die Bewohner der Holländerhäuser sollten neue Wohnungen gebaut werden – Baulücken gebe es in der Innenstadt genug.

Den Auftrag hatte das West-Berliner Büro 1988 erhalten. Auftraggeber nach außen war die zum Schalck-Imperium gehörende Kunst- und Antiquitäten GmbH (KuA), die Antiquitäten und Kunstwerke in der DDR akquirierte und konfiszierte und in den Westen verkaufte, die aber auch gegen Provision auf Kuba Hotelprojekte für westliche Tourismuskonzerne anbahnte.

Am 14. April 1989, die proletarische DDR existierte noch, legten die West-Planer bei der KuA ihr Exposé für ein feudales „Schlosshotel mit internationalem Golfplatz Potsdam“ vor. Das Planungsbüro gehörte zum Firmennetzwerk eines Westberliner Kaufmanns, der auch bei Hotelprojekten auf Kuba Partner der Schalck-Truppe war.

Bis ins kleinste Detail hatten die Experten vom Klassenfeind das Projekt durchgerechnet und geplant. Statt des Abrisses alter Häuser empfahlen sie in ihrem Exposé ausdrücklich, die historische Bausubstanz so weit wie möglich zu erhalten und zu rekonstruieren. Lediglich an der Ecke Gutenberg- und Benkertstraße sollten zur Straße hin zwei Neubauten entstehen. Potsdam, so die Planer, müsse mit seinen historischen Bauten wuchern, anders habe die Stadt im internationalen Tourismus keine Chance. Daher sollten die neuen Holländerhäuser selbst zwar aus Beton- und nur teilweise aus Mauerwerk errichtet werden. Doch die Fassaden sollten mit Backstein verkleidet werden, um „den barocken Charakter“ zu wahren.

Doch hinter den Häusern sollte Tabula rasa gemacht werden: Die Innenhöfe sollten komplett planiert werden. Auf der einen Seite sollte ein Tagungszentrum mit bis zum 570 Plätzen entstehen, auf der anderen die Hotelhalle mit Lobby, Empfang, Nachtbar und Restaurants. Die dreigeschossige Hotelhalle und die ein- bis zweigeschossigen Tagungsräume sollten nicht höher werden als die historischen Bauten rundherum. Die Planer hatten an eine „luftig wirkende“ Stahl-Glaskonstruktion und teilweise an eine Spiegelverglasung gedacht. Die beiden Neubauten seien „klar definierte“, gegenüber den historischen Bauten aber „zurückhaltende“ Baukörper. In „deren geschwungener und leicht geneigter Spiegelglasfassade zu offenen Hofraum hin“ werden, so die Planerprosa, „die Baustrukturen der alten Häuser geradezu aufgesaugt und optisch vervielfältigt und reflektiert“.

Die Hotelgäste und die Potsdamer, die es sich leisten konnten, sollten ins Cafe, zum Italiener, Griechen, Russen, Holländer, ins Steakhaus oder ins Pub gehen können. Gegenüber den Entscheidungsträger der SED machten die Planer ihr Konzept so schmackhaft: „Diese Einrichtungen stehen sowohl den Hotelgästen als auch anderen Besuchern zur Verfügung.“ Und da in der DDR die Parteien und Gremien so gern tagten und verdiente Kollektive so gern feierten, schrieben die Planer auch, dass „die Hotel- und Kongresskapazität für Veranstaltungen mannigfaltiger Art sowohl von den bezirklichen und städtischen Behörden Potsdams als auch für die Bevölkerung von und um Potsdam benötigt werden“. Doch ausgerichtet war das ganze Projekt nicht am Bettenmangel der DDR-Bürger. Ähnlich wie bei schon in den 70er und 80er Jahren etwa in Berlin (Palast- und Grandhotel) und Dresden (Hilton) mit ausländischen Investoren realisierten Luxusherbergen war an zahlungskräftige West-Klientel gedacht worden. Das Planungsbüro aus Westberlin bot auch an, über westliche Reiseveranstalter eine Auslastung des Hotels von mindestens 70 Prozent zu gewähren. Die umtriebigen Planer hatten zudem erkannt, dass „das Bedürfnis der Bevölkerung von Berlin (West), im grenznahen Bereich Kurzausflugs- und Naherholungsmöglichkeiten zu nutzen“ steigen und die Region auf der anderen Seite der Mauer „nachhaltig beleben“ wird. Doch dafür reiche ein Hotel mit 208 Zweibett-, acht Dreibettzimmern und zehn Suiten nicht aus. Dass vorzeigbare Freizeiteinrichtungen im Potsdam der Vorwendezeit fehlten, war auch den Planern nicht entgangen. Ein Golfplatz müsste her, ein Reitgelände und auch Tennisplätze. Auf der Suche nach einem innenstadtnahen, tauglichen Gelände waren die Planer auf den Babelsberger Park gekommen. Einen Teil des Areals, so schlugen die Kapitalisten den Sozialisten vor, solle für die in der DDR als elitär verabscheuten Sportarten genutzt werden.

Und weil 18-Loch-Golf- und Tennisclub ein Clubhaus (hier nebst Schwimmbad) brauchen, sollte das Kleine Schloss am Tiefen See dafür herhalten. Selbst für die anspruchsvollen Reiter hatten die Planer einen angemessenen Ort gefunden: Unweit des Schlosses trainierte die Reiterriege der Betriebssportgemeinschaft DEFA Babelsberg. Ihre Pferde standen in dem alten Reitstall im Park (heute ist er zugemauert) – der Stall sei auszubauen, befanden die Planer.

Die Hotelpläne, für die in den Wendewirren 1989/90 sogar ein dubioses Kreditangebot über mindestens 50 Millionen DM unbekannter Herkunft an die Stadt herangetragen wurde, hatten sich mit dem Untergang der DDR erledigt. Potsdam hatte nach Währungsunion und Einheit genug Devisen. Die Pläne verschwanden mit dem „Exportkoordinierungsbüro“ Stahnsdorf.

Der Mann, der das Büro einst leitete und die Hotelpläne an die SED-Oberen herangetragen hatte, hat dagegen nach jahrelangem Kampf ein Hotel errichtet: Axel Hilpert ist Miteigentümer des Ressort am Schwielowsee.

Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.

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