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Kultur: Bloß nicht sentimental werden

La crevette d“acier aus Frankreich im Nikolaisaal

Schummeriges Licht, Weingläser und Kerzen auf kleinen Tischen – wenn das Foyer des Nikolaisaals solch ein gemütliches Ambiente hat, ist der Boden für einen kurzweiligen Abend bereitet. Dicht an dicht sitzen die Zuschauer vor der kleinen Bühne und erleben hautnah, wie die vier Musiker von „La Crevette d“ acier" eine umwerfende Show liefern. Der innerhalb der Reihe „SpecialFrance!“ laufende Auftritt der „Garnele aus Stahl“ – wie die Übersetzung lautet – verströmt soviel Poesie, Musikalität und Witz wie es selten zu finden ist.

Nicht bloß der Name klingt seltsam schräg und originell, allesamt erweisen sie sich als höchst kuriose Gaukler, Erzähler und Musiker. Sie nennen sich Jacky, Jean-Claude, Monique und Michel, so wie Tausende andere Menschen auch, und produzieren unter dieser Maske ein minimalistisch-schönes Musiktheater, das dicht am Alltäglichen und doch fern von jeder Alltäglichkeit steht.

Das Besondere an der „crevette d“acier“ ist, dass ihre selbstverfassten kleinen Texte, Gedichte, musikalisch in Szene gesetzt werden. Sie fallen selbst dann nicht ins Klischee, wenn es um einen traumhaft amourösen Strandurlaub in der Südsee geht, wie in „Sous l“soleil de Bora-Bora“.

Klar, dass auch eine Garnele bissig ist, wie in dem als „Lied für Kinder“ angekündigten Chanson mit dem sarkastisch gerappten Refrain „Der Weihnachtsmann existiert nicht“ oder in dem spöttischen Lied über Familienferien „Les vacances“. Doch häufig trübt milde Melancholie den satirischen Blick, etwa in „Wenn ich eines Tages in den Himmel komme“, das selbstironisch als Lied über „Philosophie im Café“ angekündigt wird, aber dann ganz exzessiv endet. Nur nicht sentimental werden, heißt auch die Devise im empfindsamen Chanson „La vie“. Man könnte die vier als Gaukler im alten Sinne bezeichnen. Sie singen, spielen, tanzen, beherrschen verschiedene Instrumente und üben die närrische Kunst, heute meist „Comedy“ genannt, sehr lebendig aus.

Allerdings kommt „La crevette d“acier“ bei allen szenischen und stimmlichen Parodien stets mit einem poetischen Unterton daher. Dazu tragen vor allem die gefühlvollen Texte von Vincent Tirilly bei, der Schlagzeug spielt und mit dunklem Bariton singt. An Saxophon, Klarinette und Klavier sitzt Damien Dutrait, der ebenfalls singt und textet. Beim Anblick der fragilen dunklen Chloé Lacan mit dem Akkordeon, denkt man sofort, ah, eine echte Französin. Dabei versichert sie auf der Webseite der „Garnele“, dass sie aus der Nähe von Bukarest stamme. Als Baby habe ein alter betrunkener Rumäne ihre Wiege umgedreht, sie sei einen Hügel heruntergekugelt und in einem Brotkörbchen gelandet, das in der Donau schwamm

Die Kompositionen stammen überwiegend von Mathias Castagné, der Gitarre, Banjo und noch viel mehr spielt. In den leicht verrückten Chansons der „Crevette d“acier“ wirkt eine ziemlich wahnwitzige Welt plötzlich amüsant und spritzig.

Babette Kaiserkern

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