zum Hauptinhalt

Kultur: „Mon chere, Papa“

Eindrucksvolles Hörstück über Katte und der „wahren Nachricht von der scharffen Execution“

Eindrucksvolles Hörstück über Katte und der „wahren Nachricht von der scharffen Execution“ Von Gerold Paul Als der brandenburgisch-preußische König Friedrich Wilhelm I. sich donnernd den Prinzengemächern nahte, versteckte sich Katte, Jugendgefährte Friedrich II., in einem hülzenen Schrank. Der um acht Jahre ältere Hans Hermann von Katte nahm die Sache nicht ernst, er genoss sogar die Gefahr, während der Kronprinz „kreidebleich“ wurde. Doch auch ihm verging das Lachen, als er Blut aus den Mundwinkeln seines königlichen Freundes laufen sah – der gefürchtete Vater hatte wieder einmal Ernst gemacht... Mit dem auf geschichtlichen Quellen fußenden Hörstück „Katte! – Wahre Nachricht von der scharffen Execution des mit dem Schwert hingerichteten Lieutnants von Katten. So geschehen den 6. Nov. 1730 zu Cüstrin" und anderen Beiträgen wollte die Potsdamer Stadt- und Landesbibliothek, zusammen mit weiteren Partnern, der Tagung zu Friedrich II. im Alten Rathaus ein eigenes Rahmenprogramm anbieten. Doch man wies solche eigeninitiierte Gefälligkeit dankend zurück. So kam es, dass die hörenswerte Lesung am Mittwoch mit knapp 20 Besuchern für sich alleine stand. Die Schauspielerin Barbara Geiger hatte die Dokumente von Friedrichs und Kattes Verhaftung im August 1730 bis zur Hinrichtung des Lieutnants vor Friedrichs Augen in Küstrin sorgsam und sehr wirkungsvoll zu einer Chronologie zusammengestellt, ihr Kollege Jakob Wurster half beim Lesen, und Adam Lenox gab am Flügel sehr einfühlsame und melodische Eigenkompositionen dazu. Für Barbara Geiger hatte die Sache noch einen direkten Bezug. Wo sie lebt und arbeitet, da liegt auch Katte begraben, im sächsisch-anhaltinischen Wust, beschädigt freilich, denn schon zu Fontanes Zeiten nahmen seine Verehrer ihm sämtliche Zähne fort. Damit nicht genug, ein Engländer entwendete sogar jenen Halswirbel, an welchem das Schwert des Scharfrichters gerade noch vorbeistrich. Hintergrund dieser Staatsaffäre um einen kunstverliebten Kronprinzen, welcher die Härte des Vaters nicht trug und der ihn doch in einem reuevollen Gnadengesuch liebevoll mit „Mon chere, Papa“ anredete, waren Fluchtpläne des 18-jährigen Friedrich, in die neben Katte auch die Kronprinzessin eingeweiht war. Die Sache flog auf, die Freunde wurden in Kerkerhaft genommen und „hart“ verhört. Ja, bestätigte Friedrich seinem Vater, Friedrich Wilhelm I., er trug sich tatsächlich mit dem „bösen Vorsatz“, auf eine Weile wegzugehen, um sich ihm später desto reuevoller zu Füßen zu werfen. Katte hingegen, obwohl gewarnt, hielt bis zuletzt zu Friedrich. Wenn schon sterben, dann „für eine gute Sache“, sagte er kurz vor seiner Enthauptung. Die sehr eindrucksvolle Lesung, nichts hinzugebend, machte die ereignisschwere Zeit bis zum 6. November 1730 unter dem Stichwort „Unerhörtes Preußen“ sehr anschaulich. Friedrich Wilhelm I. ließ gegen beide Härte walten, vielleicht Gerechtigkeit, denn wie er seinem ungehorsamen Sohn – er brauchte ja einen Nachfolger auf dem Thron – bis 1732 in Kerkerhaft hielt, so war das Urteil gegen Katte entsprechend: Er kam mit dem Vorwurf der Desertation vor ein Kriegsgericht, was geltendem Recht entsprach. Doch während dieses auf „lebenslänglichen Kerkerarrest“ plädierte, verlangte der König die Todesstrafe für ein Exempel. Man hätte Katte „mit glühenden Zangen zerreißen und aufknüpfen“ müssen, doch als Gnadenakt, „kein Pardonnieren mehr“ zulassend, gewährte der Monarch das Richtschwert. Und so geschah es nach seinem Willen. Nachdem auch ein Gnadengesuch Kattes („Ich habe vieles aus Unbedachtsamkeit getan“) abgelehnt war, starb dieser „für einen Herrn, den ich liebe“ und im Bewusstsein, dass ja ohne den Willen Gottes gar nichts geschähe. Noch vor dem Ende seines letzten Gebets schlug der Scharfrichter zu. Friedrich, gezwungen die Exekution anzuschauen, fiel in Ohnmacht. Das alles ist zwar bekannt, aber die einfühlsame Darstellung der drei Künstler gibt dem interessierten Histor ein ganz unerhörtes Beispiel, wie man mit solchen Geschichten umgehen kann: Der Stoff enthält eine perfekt in sich abgeschlossene und überall glaubhaft motivierte Handlung, er zieht, kraft seiner ausdrucksstarken Details, alle Register der Emotionen, er ist völlig ausgewogen. Jedes Hinzutun durch Interpretation und Spekulation brächte ihn aus der Balance. Ja, Friedrich war im Gehäuse der preußischen Staatsmonarchie, Katte machte sich ohne Zweifel des Hochverrats schuldig, darüber sollte man nunmehr nicht richten. Friedrich Wilhelm I. hat es ja schon getan. Wenn man die Geschichte also lässt, wie sie ist, dann wird sie, wie am Mittwoch erlebt, ganz von selber lebendig.

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false