zum Hauptinhalt
Ausstellung Urania Potsdam

© Andreas Klaer

Weil die Wende dazwischenkam: Wiederentdeckte DDR-Werke in Potsdam ausgestellt – mehr als 30 Jahre später als geplant

Anlass für die Schaffung der Radierungen, Farblithografien und Fotografien war der 100. Geburtstag des umstrittenen Dichters Johannes R. Becher. Nun werden die Werke in der Urania gezeigt.

Von Alicia Rust

Anlässlich des 100. Geburtstags des umstrittenen Dichters Johannes R. Becher hatte der Kulturbund der DDR 1989 einen Auftrag an Künstler vergeben. Dann kam die Wende dazwischen.

Die Füße eines Gekreuzigten, darunter das Konterfei von Johannes R. Becher, auf dessen Stirn Blut tropft. Mit Grünwald (Becher) ist die auf 25 Auflagen beschränkte Farb-Lithografie aus dem Jahr 1990 betitelt. Das Motiv stammt vom Uwe Pfeifer, einem 1947 in Halle an der Saale geborenen Künstler, der bis 1990 Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR war.

Sein Werk ist eines von dreißig Kunstwerken, die zurzeit in der Ausstellung „Spurensuche“ Grafiken mit künstlerischen Positionen aus dem Jahr 1990 zu sehen sind. Darunter Radierungen, Farblithografien, klassische Schwarz-Weiß-Fotografien, sowie Silber-Gelatine-Prints.

Verfasser der Nationalhymne der DDR

„1989 kam der Aufruf des Kulturbundes der DDR an Künstler, ein Werk anlässlich des hundertjährigen Geburtstags von Johannes R. Becher einzureichen“, sagt Karin Flegel, Geschäftsführerin der Urania Potsdam. „Aus diesem eigens für den Anlass geschaffenen Werken sollte anschließend eine Mappe zusammengestellt werden“, sagt Flegel. Zur Ehrung des expressionistischen Dichters, und SED-Politikers, der auch Minister für Kultur war, sowie der erste Präsident des Kulturbundes der DDR. Bekanntheit erlangte er vor allem als Verfasser des Textes der Nationalhymne der DDR.

Die Ausstellung „Spurensuche“ läuft bis zum 15. Dezember 2023.

© Andreas Klaer

Dass es zur Fertigstellung der Mappe nicht mehr gekommen ist, habe daran gelegen, dass noch im selben Jahr etwas dazwischenkam, sagt Flegel und lächelt. Dieser Umbruch und die Wiedervereinigung habe einiges verändert. „Viele Künstler sind aus dem Kulturbund ausgetreten“, sagt die Architekturhistorikerin.

Teils deutliche Kritik am System

Alle der 18 Kunstschaffenden, die 1989 noch den Auftrag erhalten hatten, haben zwar 1990 ihre Werke noch abgegeben, doch die Mappe blieb unveröffentlicht. Das Vorhaben geriet im Tumult der Zeit in Vergessenheit. Ein Tribut an die Post-Wende-Ära, in der man eben mit anderen Anliegen beschäftigt war.

Die Kunstwerke, in denen zum Teil subtil und teilweise auch recht deutlich Kritik am System sichtbar wurde, wie auch an der Persönlichkeit Bechers, verschwanden anschließend für viele Jahre im Beeskower Depot des Museum Utopie und Alltag. Eine Grafikmappe im Dörnröschenschlaf. Die Spur zu ihr wurde durch einen Zufall gelegt.

„Ich bin immer auf der Suche nach interessanten Vorträgen, da habe ich einen Tipp bekommen“, sagt Flegel. Sie entdeckte das Buch „Riss im Bild“ der Historikerin Anja Tack über Kunst in der DDR.

Von der ersten Planung bis zur Ausstellungseröffnung Mitte September ist gerade mal ein halbes Jahr vergangen.

Karin Flegel, Geschäftsführerin der Urania Potsdam

Durch die Einladung an Tack kam ein Stein ins Rollen. Mit Angelika Weißbach, Wissenschaftliche Mitarbeiterin aus Beeskow, war schnell die dritte im Bund gefunden. Die Idee einer Ausstellung der Arbeiten, die auf sehr unterschiedliche Weise die Figur Bechers aufgriffen und interpretierten, war geboren.

„Von der ersten Planung bis zur Ausstellungseröffnung Mitte September ist gerade mal ein halbes Jahr vergangen“, sagt Flegel. Was auch der Tatsache gestundet war, dass es in Beeskow zuvor schon einmal eine kleine Ausstellung gegeben habe.

Historischer Moment

Die Grafiken und Fotografien wirken heute wie Zeitdokumente. Allesamt sind sie in einem besonderen historischen Moment entstanden. Unter den Werken von Ingo Arnold, Kurt Buchwald, Ulrich Hachulla, Christine Perthen, Uwe Pfeifer, Ursula Strozynski und Ulrich Wüst befindet sich auch die Fotografie eines Happenings, das überrascht.

Eine Performance am 19. Januar 1990. Kurt Buchwalds Foto trägt den Titel: Große Säuberung/ Stalingraben. Zu sehen: sieben Männer und Frauen in einer fabrikartigen Halle offenbar bei einer Aufräumaktion. Zwei von ihnen tragen einen großen Topf, darin befindet sich laut Aufschrift ein interessanter Inhalt: Stalinsoße.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false