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Brandenburg: Rettung vor Versteppung

Claus-Dieter Steyer

Der Moorochse ist ein seltsames Tier. Mühevoll pumpt er seinen Hals wie einen Dudelsack auf, um die Luft dann mit einem langen Ton wieder auszustoßen. Dieser Ruf hat dem Tier seinen Beinamen eingebracht. Denn eigentlich handelt es sich bei ihm um eine Rohrdommel. Aber wenn die Menschen früher dieses Geräusch hörten, glaubten sie eben zuerst an eine im Schilf verirrte Kuh. Heute taucht der Vogel nur noch selten auf. Wo er doch einmal ruft, ist die Natur auf jeden Fall intakt: Es gibt ausreichend feuchte Wiesen, Moore und einen gesunden Schilfgürtel. Davon kann in weiten Teilen Brandenburgs keine Rede mehr sein. Vor allem in der Schorfheide nördlich Berlins vollziehen sich dramatische Veränderungen – und die lassen nicht nur dem Moorochsen keine Überlebenschancen mehr. Nirgendwo sonst sind die Folgen des Klimawandels so deutlich wie hier zu beobachten.

Vergleichsweise selten schaffen es Niederschlagsgebiete aus dem Westen bis in den Brandenburger Norden. Falls es hier doch einmal regnet, verschwindet das Wasser blitzschnell wieder. Es versickert jedoch nicht im Boden, sondern verdunstet durch die gestiegenen Durchschnittstemperaturen wieder. Das liegt nicht zuletzt an der Dominanz der Kiefern. Kaum ein Wassertropfen bleibt auf den dünnen Kiefernnadeln hängen. Das klappt bei Buchen oder Eichen viel besser. Erst eine gewisse Zeit nach dem Regen fällt hier das auf den Blättern gesammelte Wasser herab, um dann in den feuchten Boden einzudringen.

Doch die riesige Schorfheide, für deren Durchquerung man mit dem Auto mehr als eine halbe Stunde braucht, gilt schon größtenteils als staubtrocken. Innerhalb eines halben Jahrhunderts ging der Grundwasserspiegel beinahe in der Höhe eines Fußballtores zurück. Neues Grundwasser wird kaum noch gebildet. Seen trocknen hier genauso wie in der Uckermark oder Prignitz aus, Baumwurzeln stehen im Trockenen, Tier- und Pflanzenarten sterben aus. Irgendwann folgt die Steppe.

Aber nicht zwangsläufig. Dieser Spirale kann der Mensch nämlich nicht nur durch eine Reduzierung der Treibhausgase Einhalt gebieten. Der Spreewald ist das beste Beispiel dafür. Vor wenigen Jahren gaben Experten der aus unzähligen Fließen bestehenden Lagunenlandschaft kaum eine Chance. Also startete das Umweltministerium einen Masterplan, der dem Strom seinen alten Verlauf und seine alte Stärke zurückgab. Zwischen dem Spreewald und Berlin wurden alte Arme geöffnet und nicht mehr benötigte Kanalabschnitte beseitigt. Seitdem bleibt das Wasser länger in der Landschaft.

Ein ähnlicher Plan soll die Schorfheide retten. Abflüsse werden verstopft, Seen angestaut und Laubbäume angepflanzt und gepflegt. Der Erfolg wird sich an einem unbestechlichen Geräusch messen lassen – am Gebrüll des „Moorochsen“.

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