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Brandenburg: Schröder auf Osttour: Der Kanzler wirft einen Blick auf die ostdeutsche Landwirtschaft

Die Ankündigung eines Kanzlerbesuches kann gerade auf einem Schafhof den Alltag schon gehörig durcheinander bringen. Schon lange vor dem Eintreffen von Gerhard Schröder in Lenzen an der Elbe wurde gestern gewirbelt, gekehrt und der Schafstall in Ordnung gebracht.

Die Ankündigung eines Kanzlerbesuches kann gerade auf einem Schafhof den Alltag schon gehörig durcheinander bringen. Schon lange vor dem Eintreffen von Gerhard Schröder in Lenzen an der Elbe wurde gestern gewirbelt, gekehrt und der Schafstall in Ordnung gebracht. "Natürlich wollen wir uns von der besten Seite zeigen", sagt Horst Möhring, Geschäftsführer des Schäferhofes Rademacher. "Die Landwirtschaft kann eine Aufwertung durch den Kanzler durchaus gebrauchen. Wir sind ein ökologischer Betrieb und froh über solche Aufmerksamkeit gerade in dieser nordwestlichen Ecke Brandenburgs." Doch schnell verschwand der Chef beim Signal des baldigen Eintreffens von Politiker- und Journalistentross in der Stille des Elbtales. "Ich muss mich noch rasieren", entschuldigte sich Möhring. In der Hektik des Morgens hatte er das tägliche Ritual offensichtlich vergessen.

Dafür waren die Schafe angesichts des Blitzlichtgewitters ganz gut gestimmt. Neugierig näherten sie sich den für einen Stallbesuch nicht ganz passend gekleideten Politikern und begannen mit den typischen Gemurmel und Brummen. Die Tatsache, dass Schröder überhaupt auf Schafe im Stall traf, deutete schon auf die besondere Problematik der Landwirtschaft gerade im Osten hin. Die Dürre des Frühjahrs hat allein in diesem Betrieb zu einem Verlust von einer Dreiviertel Million Mark geführt. Das Grünfutter wuchs nicht in der erwarteten Menge, so dass Heu zusätzlich gekauft werden musste.

Schröder erhielt von Geschäftsführer Möhring noch eine weitere beeindruckende Zahl: Mit 126 000 Mark schlagen in diesem Jahr die Belastungen durch die Öko-Steuer negativ zu Buche. "Da muss dringend etwas verändert werden", forderte der Landwirt. Doch die Gespräche in Lenzen drehten sich nicht nur um Bilanzen, Schafe und Anbaumethoden. "Niemand im Westen soll uns sagen, dass unsere Leute nicht flexibel und mobil seien", meinte Horst Möhring. Von den 589 zum Zeitpunkt der Währungsunion 1990 in der damaligen LPG beschäftigten Frauen und Männer seien allein 58 dauerhaft in den Westen gezogen. Dazu kämen 22 Lehrlinge. Die Menschen säßen nicht zu Hause und kassierten nur Arbeitslosengeld, wie es so oft behauptet werde, meinte der Chef. Allerdings seien die Folgen dieser "Go-West-Stimmung" auch in Lenzen zu spüren. Vor allem junge Leute hätten auf der Suche nach Arbeit ihre Heimat verlassen. 252 Namen stehen heute auf der Lohnliste des Schäferhofes und angeschlossener Firmen. Damit ist der Agrarbetrieb der größte Arbeitgeber in der 2500 Einwohner zählenden Stadt an der Elbe. Am Vormittag hatte Schröder Schloss und Musikademie in Rheinsberg besucht. Dabei hatte die Junge Union Brandenburgs mit einigen Spruchbändern ihre Meinung zur Kanzlervisite geäußert. Zu lesen waren Losungen wie "Vorwärts zur Chefsuche Ost" oder "Antritt = Fehltritt". Die Polizei erteilte den 20 Demonstranten einen Platzverweis. Von Lenzen fuhr die Delegation weiter nach Wittenberge, wo Schröder den Auftakt zum Umbau des Bahnhofes gab. Am Abend stand ein Gespräch mit Beamten der Mobilen Einstzgruppe gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit (MEGA) auf dem Programm.

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