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Günther Jauch

© dpa

Skandal in der Potsdamer Baubehörde: "Über die Prüfung der Potsdamer Missstände? Ich bin erleichtert“

Günther Jauchs Kritik an der Potsdamer Baubehörde löste die Prüfung der Missstände aus. Jetzt ist bestätigt, dass viele den gleichen Ärger mit den Beamten haben.

Günther Jauchs Kritik an der Potsdamer Baubehörde löste die Prüfung der Missstände aus. Jetzt ist bestätigt, dass viele den gleichen Ärger mit den Beamten haben.

Herr Jauch, Sie haben im März mit Ihrer öffentlichen Kritik an der Potsdamer Baubehörde die Untersuchung ausgelöst, die jetzt abgeschlossen wurde. Was empfinden Sie nach deren Veröffentlichung?

Ich bin erleichtert. Ich wusste ja, dass viele solche Erfahrungen gemacht haben. Betroffen sind übrigens nicht nur große Projekte, wo es um Millionensummen geht. Der Ärger beginnt schon beim Umbau eines Carports, der Heckenpflanzung an einer Garage oder der Farbe eines Zaunes. Das geht quer durch die Bevölkerung. Trotzdem ist es noch etwas anderes, wenn diese Willkürpraxis in einem nüchternen Bericht bestätigt wird.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Sie bewogen hat, an die Öffentlichkeit zu gehen?

Eigentlich nicht, die Praxis war für mich eher schon etwas Naturgesetzliches. Mich wunderte nichts mehr. Ich baue seit zehn Jahren in Potsdam, ausschließlich mit Denkmalen. Ich hatte mir bisweilen schon den Spaß gemacht, dass ich im Denkmalamt genau das Gegenteil von dem beantragt habe, was ich eigentlich wollte. Mir war klar, dass der Bescheid negativ ausfallen würde und ich mein Anliegen so erreiche. Das ging öfter auf.

Ihre Abrechnung war nicht kalkuliert?

Da war viel Zufall dabei. Wenn ich zum Beispiel gerade eine Genehmigung gebraucht hätte, hätte ich mich öffentlich nicht geäußert. Das hätte dann schnell diesen Ruch, einen Vorteil für sich selbst herausschlagen zu wollen. Es war eine Preisverleihung, es ging um Denkmalschutz, Ministerpräsident Matthias Platzeck war da, alle waren freundlich. Ich dachte: Es wäre schön, wenn der Alltag auch so harmonisch wäre. Deshalb habe ich einfach ein bisschen aus der Potsdamer Wirklichkeit erzählt, meinem Ärger etwas Luft gemacht. Ich habe aber nicht erwartet, was das auslöst, besonders nicht die Lawine von Solidaritätsbekundungen.

Welche hat Sie am meisten überrascht?

Es haben sich ehemalige Rathaus-Angehörige bei mir gemeldet, die bei dieser Willkürpraxis nicht mehr mitmachen wollten, die nicht mehr dort tätig sind. Ein früherer Beamter hat mir geschrieben, dass er erwachsene Männer heulend vor seinem Schreibtisch gesehen hat, und die Kollegen nur feixend herumstanden. Da habe ich noch einmal gespürt, dass es eben nicht nur darum geht, ob ein Gitterstab rechts- oder linksherum gedreht wird: In den Köpfen gibt es ganz andere Defizite.

Warum reagiert die Stadtpolitik erst jetzt?

Man kann so etwas schwer fassen, weil es sich häufig in Grauzonen abspielt, meist mündlich verhandelt wird. Der Battis-Bericht benennt ja, wie die Mechanismen sind: Ein Bauherr will etwas, die Behörde lehnt es ab. Er könnte vor dem Verwaltungsgericht dagegen vorgehen. Aber das dauert Jahre. Das Bauvorhaben läuft, es muss fertig werden, da sollen Leute drin wohnen. Was einem eigentlich zusteht, nämlich sein Recht, kehrt sich ins Gegenteil um. Man hat keine Chance, das Recht im Alltag durchzusetzen.

Wie sind Sie selbst damit umgegangen?

Man kann versuchen, die maximalen Auflagen herunterzuhandeln, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Bei mir mag das ja noch gehen. Ich habe ja tatsächlich Interesse an den Denkmalen, oft jenseits der wirtschaftlichen Zahlen. Aber andere haben viel weniger Spielräume. Was mich am meisten geärgert hat: Dass diejenigen, die sich nicht scheren, die sich über alle Vorschriften hinwegsetzen, von den gleichen Behörden nicht behelligt wurden. Auch das hat der Bericht ja bestätigt.

Erlebt Potsdam einen heilsamen Prozess?

Ich finde es bemerkenswert, was sich der Oberbürgermeister getraut hat. Er hat sich selbst in die Schusslinie gebracht, als er den Auftrag zu dieser Untersuchung gegeben hat, die ergebnisoffen war. Da wurde sehr genau gearbeitet, nichts unter den Teppich gekehrt.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) will das Rathaus umkrempeln, aber keine personellen Konsequenzen ziehen. Reicht das?

Mein Eindruck ist: Der Oberbürgermeister tut das, was ihm möglich ist. Hoffentlich hat er Erfolg damit. Ich habe Respekt, dass er Verantwortung für Missstände übernommen hat. Personelle Konsequenzen sind im öffentlichen Dienst schwer durchzusetzen. Versuchen Sie mal beim Arbeitsgericht damit durchzukommen. Da müssen schon Verfehlungen auf VW- Betriebsrat-Niveau nachgewiesen werden. Mangelnde Gutwilligkeit, Trägheit und ein seltsames Obrigkeitsdenken kriegt man damit nicht erfasst.

Wo sehen Sie Risiken bei dem, was jetzt im Rathaus passieren soll?

Ich hoffe, dass die Aktion am Ende nicht dazu führt, dass auf den Ämtern nur noch Beamten-Mikado gespielt wird: Wer sich als Erster bewegt, hat verloren. Wenn jeder zur Absicherung seines Jobs nur noch Berichte und Aktennotizen fertigt, anstatt zu entscheiden, die Sache des Bürgers voranzubringen, wäre das kontraproduktiv.

Als tiefere Ursache sieht der Bericht keine „Neidkultur“, sondern eher die Praxis, bei Reichen „so viel wie möglich“ für den Denkmalschutz herauszuholen. Hat er Recht?

Sicherlich schwingt das unausgesprochen mit: Bei dem ist es doch egal, da können wir nach Belieben draufschlagen, egal, was es kostet. Trotzdem ist es mehr: Generell gehen manche Amtsträger immer noch davon aus, dass sie oben sind, und der Bürger als ewiger Antragssteller ganz unten geduldig seine Verbescheidung abzuwarten hat. Wenn sich an dieser Einstellung etwas ein bisschen ändert, wäre in Potsdam schon viel gewonnen. Ich sage aber auch: Zum Glück erlebt man auch jetzt schon wohltuende Ausnahmen, selbst im Denkmalamt.

Erzählen Sie!

Es gibt dort einen Farbspezialisten, kundig, fleißig, gutwillig, zu dem ich Vertrauen habe. Das geht so weit, dass er mir eine Farbkennzahl zuruft – und genauso wird das Haus gestrichen. Jüngst hatte ich allerdings ein Schockerlebnis: Er hatte sich für Schlüpferrosa entschieden! Da musste ich schon schlucken. Aber siehe da: Es ist fertig und sieht großartig aus.

Werden Sie jetzt die „Investitionspause“ in Potsdam, die Sie sich auch wegen der Ämterbürokratie auferlegt haben, beenden?

Ich weiß es noch nicht. Ich habe noch zwei sehr heruntergekommene Immobilien in Potsdam, beide errichtet um die Jahrhundertwende, die ich schon vor geraumer Zeit erworben habe. Da will ich in diesem Jahr mit der Sanierung beginnen. Danach sehe ich weiter.

Auch um den Aufbau des Stadtschlosses als Landtagssitz, für das Sie sich engagiert haben, gibt es weiter Querelen. Warum tut man sich in Potsdam mit allem so schwer?

Ich will nicht pauschalisieren, und eine abschließende Erklärung habe ich noch nicht: aber es ist wohl eine spezielle Mischung aus Lethargie, Lust am Verhindern, an Umständlichkeit, an Bürokratie.

Sie wohnen in der Nähe des Neuen Gartens. Gerade schlagen die Wogen um das strengere Reglement in den Parks hoch. Überzieht die Schlösserstiftung?

Ich denke, dass die Stiftung im Prinzip Recht hat. Aber es ist schwierig zu erklären, dass auch ein Park ein Museum sein kann, ein Kunstwerk, das man sehr pfleglich behandeln muss. In einer Ausstellung verstehen wir das, da bewegen wir uns entsprechend. Im Freien ist das für uns ungewohnt, da tun wir uns schwer damit. Ich kann verstehen, dass mancher den Kopf schüttelt. Beim Grillen in den Schlossparks hört es für mich allerdings auf.

Hand aufs Herz, Sie schieben Ihr Fahrrad durch den Neuen Garten?

Ich schiebe es immer öfter, weil ich es irgendwie einsehe. Ich kann aber nicht ausschließen, dass man mich doch mal ertappt.

Das Gespräch führte Thorsten Metzner

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