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Slawische Minderheit: Rechnungshof stellt Förderung für Sorben infrage

Ein noch unveröffentlichter Bericht des Rechnungshofes sorgt für Aufregung unter den rund 60.000 Sorben und Wenden in Brandenburg und Sachsen. Die Minderheit fürchtet um ihre im Einigungsvertrag festgeschriebene Förderung aus Bundesmitteln.

Von Sandra Dassler

Cottbus/Potsdam - „Wenn uns der Bund keine Fördermittel mehr zur Verfügung stellt, müssen wir eben vor dem Europäischen Gerichtshof klagen“, sagt Horst Adam. Der Cottbuser Publizist ist wie viele andere Angehörige der sorbischen Minderheit in Brandenburg und Sachsen empört: „Dass wir seit Jahren immer weniger Fördergelder vom Bund erhalten, daran haben wir uns gewöhnt. Dass aber die Förderung an sich infrage gestellt wird, ist ein Skandal.“

Der Auslöser der Aufregung unter den rund 60 000 Sorben und Wenden, die in Brandenburg und Sachsen leben, ist ein bislang unveröffentlichter Bericht des Bundesrechungshofes. Den interpretierten sorbische und deutsche Medien als Empfehlung an den Bund, die Förderung einzustellen. Die größte Entrüstung löste dabei die Feststellung des Bundesrechnungshofes aus, der „Einigungsvertrag sei als Grundlage für die Förderung der Sorben durch den Bund verbraucht“.

Im Einigungsvertrag war der Schutz und die Förderung der Minderheit durch ein Zusatzprotokoll festgeschrieben worden. „Wie kann sich das ,verbrauchen‘?“, fragt der Vorsitzende des sorbischen Dachverbandes in der Niederlausitz, Hans-Peter Petrick: „Verbraucht sich ein Grundgesetz? Verbraucht sich die Verantwortung des Bundes? Die Sorben sind jahrhundertelang durch die Germanisierungspolitik unterdrückt worden. Sie durften ihre Sprache nicht verwenden und haben sich teilweise verleugnet, weil man ihnen einredete, sie seien minderwertig.“

Der Bundesrechnungshof will zu dem Bericht nicht Stellung nehmen. Er sei noch nicht öffentlich, sagte ein Sprecher. Nach Tagesspiegel-Informationen bezieht sich die Hauptkritik des Rechnungshofes allerdings nicht auf die Förderung generell. Vielmehr wird kritisiert, dass die Gelder global an die Stiftung für das sorbische Volk überwiesen werden, die dann selbstständig über die Verteilung an Projekte und Einrichtungen entscheidet. Der Rechnungshof moniert vor allem, dass die Stiftung nur einen geringen Teil der Fördergelder für Sprachprojekte ausgebe. Der Bund solle künftig die einzelnen Projekte direkt fördern, vor allem solche von „nationaler Bedeutung“.

„Was soll das sein – nationale Bedeutung?“, fragt der Vorsitzende des Sorbenrates im Brandenburger Landtag, Harald Konzack: „Und wer legt das fest? Die Bundesregierung? Das wäre eine Fortsetzung der alten Bevormundung. Man sollte es den Sorben überlassen, was sie fördern.“

Das Bekanntwerden des Berichts fällt in eine Zeit, wo ein neues Finanzierungsabkommen für die Sorben verhandelt werden muss. Das alte läuft Ende 2007 aus. Danach erhalten die Sorben rund 15 Millionen Euro jährlich. Die Hälfte zahlt der Bund, die andere Hälfte teilen sich Brandenburg (ein Drittel) und Sachsen (zwei Drittel). Da der Bund für das nächste Jahr die Zuschüsse um 600 000 Euro gekürzt und zwei Millionen Euro eingefroren hat, kann die Sorben-Stiftung für das kommende Jahr keinen Haushalt vorlegen. In Museen, wissenschaftlichen Einrichtungen und Theatern bangen Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze. Vereine wie der sorbische Kinderchor oder das Sorbische National Ensemble wissen nicht, ob sie im nächsten Jahr noch Zuschüsse erhalten.

Ein Sprecher des Kulturstaatsministers Bernd Neumann (CDU) bezeichnete die Aufregung gestern als unnötig. Der Bund habe nicht vor, sich aus der Förderung zurückzuziehen, sagte er. Über die Höhe der künftigen Zuschüsse würden aber derzeit noch Gespräche geführt.

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