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Brandenburg: SPD-Idee: Verfassung ändern, um Nazimärsche zu verhindern

Neue Klausel soll Demonstrationen von Rechtsextremen in Halbe unterbinden Novelle des Versammlungsrechts könnte dazu nicht ausreichen

Potsdam/Halbe - Der Soldatenfriedhof im südbrandenburgischen Halbe ist zum Wallfahrtsort für Neonazis aus der ganzen Bundesrepublik geworden. Weder Gesetze noch Gegendemonstrationen tausender Demokraten konnten das bislang verhindern. Nach Tagesspiegel-Recherchen wird deshalb jetzt in Brandenburg über eine Änderung der Landesverfassung nachgedacht, um für die Bekämpfung des Rechtsextremismus und das Verbot von Neonazi-Aufmärschen vor Gerichten bessere Karten zu haben. Denn seit der Föderalismus-Reform sind die Länder für das Versammlungsrecht zuständig, was neue Spielräume eröffnet.

So zeigte sich Parlamentspräsident Gunter Fritsch (SPD) offen für den Vorschlag, zur besseren Bekämpfung des Rechtsextremismus „notfalls auch die Landesverfassung zu ändern“. Er sei aber dafür, „in zwei Schritten vorzugehen“, sagte Fritsch. Zunächst einmal sollte, wie geplant, im Landtag in Kürze das neue Versammlungsgesetz verabschiedet werden. Es enthält mit Blick auf Halbe eine Art Bannmeile, um die Rechtsextremen zumindest unmittelbar vom Friedhof fernzuhalten. Es soll rechtzeitig vor dem Volkstrauertag am 18. November in Kraft treten, an dem wieder Neonazis aus ganz Deutschland zum „Heldengedenken“ an Waffen-SS und Wehrmacht in Halbe aufmarschieren wollen.

Das Dilemma: Auch das neue Gesetz wird die Aufmärsche nicht verhindern können, juristische Risiken bleiben. Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht, die Materie kompliziert. Vor diesem Hintergrund hat der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion Christoph Schulze am Donnerstag in einer Anhörung des Innenausschusses angeregt, in der Landesverfassung nach österreichischem Vorbild jedwede „nationalsozialistische Wiederbetätigung“ zu verbieten – und das durch einen Volksentscheid beschließen zu lassen. Vorbild wäre das in Österreich geltende NS-Verbotsgesetz, nach dem schon eine „Betätigung im nationalsozialistischen Sinne“ strafbar ist. Daran könnte, sagt Schulze, eine Verfassungsklausel gegen rechtsextreme Umtriebe und die Verherrlichung des Nationalsozialismus in Brandenburg anknüpfen. Er erhielt Zustimmung. Und zwar nicht nur von der PDS, die für die Aufnahme einer solchen „antifaschistische Klausel“ in die Brandenburger Verfassung plädiert. Der renommierte Staatsrechts-Professor Ulrich Battis von der Berliner Humboldt-Universität bezeichnete es als „hinreißende Idee“, wenn man ein neues, fundiertes Versammlungsgesetz zusätzlich durch eine Verfassungsklausel stärken würde. Sein Argument: Daran käme auch das Bundesverfassungsgericht schwerer vorbei, das gegen den Willen der Gesetzgeber von Bund und Ländern, aber auch der Auffassung der Mehrheit der Oberverwaltungsgerichte bislang regelmäßig Verbotsversuche für Neonazi-Demonstrationen kassiert hat.

Allerdings hatte Battis einen Einwand: Der jetzige Entwurf für das Versammlungsgesetz sei zwar „nicht verfassungswidrig“, aber auch nicht gut genug. Es wäre besser, die für 2007 angekündigte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu Aufmärschen von Neonazis im bayerischen Wunsiedel abzuwarten und danach ein Gesetz „aus einem Guss“ vorzulegen, so der Experte. Vor dem Wunsiedel-Urteil mache auch eine Verfassungsänderung wenig Sinn, sagte Landtagspräsident Gunter Fritsch.

Trotzdem halten Landtag und Innenministerium nichts davon, das Versammlungsgesetz zu verschieben – wegen des geplanten Neonazi-Aufmarschs am 18. November. „Das Gesetz ist kein Allheilmittel. Wir wollen zeigen, dass wir gegen Rechtsextreme nichts unversucht lassen“, sagte Innen-Staatssekretär Hans-Jürgen Hohnen. Er sei „optimistisch“, dass das Gesetz gerichtsfest sein wird. Aber auch Hohnen hält eine spätere Verfassungsänderung für „denkbar“. Allerdings müsste diese „sehr breit von Gesellschaft, Politik und Parlament getragen werden“.

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