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Vancouver 2010 - Biathlon

© dpa

Biathlon: Was wäre, wenn...?

Nach dem Staffel-Bronze für die deutschen Biathletinnen wird fleißig spekuliert: Wie das Rennen wohl ausgegangen wäre, wenn Magdalena Neuner nicht auf ihren Einsatz verzichtet hätte?

Eigentlich müsste man die olympische Frauen-Biathlonstaffel von Whistler noch einmal starten können. Noch einmal müsste Kathi Wilhelm anfangen dürfen und auf Simone Hauswald übergeben, anschließend müsste Andrea Henkel loslaufen - und schließlich die Schlussläuferin Magdalena Neuner in die Loipe schicken. Dann erst wüsste man wirklich, ob der Deutsche Skiverband am Dienstag auf eine olympische Goldmedaille verzichtet hat. 

Weil das aber nicht möglich ist, wird jene Bronzemedaille in den Annalen bestehen bleiben, die ohne Magdalena Neuner und mit Martina Beck gewonnen worden ist. Es war die schlechteste Leistung einer deutschen Frauen-Biathlonstaffel bei Olympischen Spielen, es war aber auch die letzte olympische Medaille für eine der erfolgreichsten deutschen Biathlon-Generationen. „Die Läuferinnen, die jetzt ihre Laufbahn beenden, haben jetzt auch eine Medaille in Vancouver gewonnen, das ist ein Effekt der Entscheidung von Magdalena Neuner“, sagte Bundestrainer Uwe Müssiggang. Er bemühte sich, die Entscheidung, auf die erfolgreichste Biathletin der Spiele von 2010 zu verzichten, als seine Idee darzustellen und sie sportlich zu rechtfertigen. 

„Ob es mit Magdalena Neuner eine andere Farbe geworden wäre, kann ich nicht beantworten“, sagte Bundestrainer Uwe Müssiggang, „es kommt immer drauf an, welchen Ski man unten dran hat.“ Die deutschen Läuferinnen hatten – abgesehen von Kathi Wilhelm, bei der ihr Freund die Skier präpariert – durchweg schlechter laufende Skier als die erstplatzierten Russinnen und die zweitplatzierten Französinnen. „Die anderen haben besseres Material gehabt, es hätte uns auch schlimmer erwischen können“, sagte Simone Hauswald, „wir sind dankbar über die Bronzemedaillen."

Schlechtes Material verhindert besseres Abschneiden

Auch der Bundestrainer zeigte sich zufrieden mit Platz drei. Und zumindest offiziell freute er sich darüber, Magdalena Neuner erfolgreich vor einer schlechten Leistung geschützt zu haben. „Diesen Schutz haben wir ihr angeboten, sie hätte einen Riesendruck gehabt“, sagte Uwe Müssiggang, „jetzt fährt sie nur mit sehr guten Ergebnissen nach Hause.“ Es wirkte mitunter kurios, wie der Bundestrainer eine Athletin schlecht redete, die bei den Spielen in Vancouver zwei Gold- und eine Silbermedaille gewonnen hat. Seltsam auch, wenn er Magdalena Neuner für ihre Schießleistungen in Whistler lobt - und gleichzeitig mangelnde Staffel-Schießleistungen in der Vergangenheit als Begründung anführt, um auf sie zu verzichten. In einer Unterhaltung am Sonntag habe er ihr seine Bedenken erklärt, und sie habe Verständnis gehabt, sagte Uwe Müssiggang. „Wenn sie dann gesagt hätte, sie wäre gelaufen, dann wäre sie auch gelaufen.“ 

Damit aber dürfte man dem eigentlichen Grund für den Startverzichts am nächsten kommen: Magdalena Neuner hat ihrer Freundin Martina Beck die Chance gegeben, ihre letzte olympische Medaille zu gewinnen. „Klar bin ich ihr dankbar dafür, was sie da gemacht hat“, sagte Martina Beck, „das ist Wahnsinn, das würde nicht jeder machen.“ Sie sei zwar in den letzten Jahren lieb zu der jungen Magdalena Neuner gewesen, „aber so viel habe ich doch gar nicht gut.“ 

Nachrückerin Martina Beck hält dem Druck stand

Sie hatte am Sonntag den ganzen Tag lang geweint, weil sie nicht für das Massenstartrennen berücksichtigt worden war. „Ich habe die Flucht ergriffen, bin mit meinem Mann nach Whistler zum Frustkaffeetrinken gefahren“, sagte sie, „es war klar, dass ich keinen Staffeleinsatz kriege.“ Dann kam der Anruf von Magdalena Neuner, in dem sie ihr eröffnete, dass sie doch starten könne. „Sie sagte, dass sie mir den Einsatz gönne“ berichtet Martina Beck, „da habe ich gleich weitergeheult.“ Im Rennen bot sie mit zwei Nachladern eine gute Leistung. „Es war ein sehr, sehr schwieriges Rennen, ich habe gemerkt, dass ich viel Druck hatte“, sagte sie.

Wie es nun weitergeht mit Kathi Wilhelm, Simone Hauswald, Martina Beck und Andrea Henkel, ist noch unklar. „Wir vier werden sicher nicht mehr bei Olympischen Spielen starten“, sagte Kathi Wilhelm. Alle wollten sich nach dieser Saison entscheiden. „Man kann damit rechnen, dass die Gedanken in Richtung Rücktritt gehen“, sagte der Bundestrainer.

Und so hat Magdalena Neuner ihr eigentliches Ziel erreicht, ihren vier Kolleginnen einen guten Olympia-Abschluss zu ermöglichen. „Es war mein Traum, dass ich eine Medaille im Gepäck habe“, sagte Martina Beck, „aber meine Olympia-Bilanz fällt nicht so gut aus nach der ganzen Vorgeschichte, das habe ich mir anders vorgestellt.“ Manche im Deutschen Skiverband dürften ähnlich denken.

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