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Andrea Henkel hat in Nove Mesto noch zwei Chancen auf einen vorderen Platz im Einzel.

© dpa

Biathlon-WM: Andrea Henkel will noch eine Einzelmedaille

Die Biathletin Andrea Henkel will zum Abschluss ihrer Karriere mit aller Macht noch eine Einzelmedaille. Heute hat sie im Wettkampf über die 15 Kilometer die nächste Chance.

Das Städtchen Nove Mesto na Morave, aktueller WM-Gastgeber der Biathleten, ist schon ein recht abgelegenes Fleckchen Erde. Doch das ist nichts gegen die Abgeschiedenheit des zehn Kilometer entfernten Dorfes Snezne na Morave, wo Deutschlands Biathleten in diesen Tagen Unterschlupf gefunden haben. 744 Einwohner, eine aus Betonplatten zusammengesetzte Straße, neben der man schon mit Luchsen, Wölfen oder anderem Getier rechnet, wenn hinter einer Kurve plötzlich das deutsche Quartier auftaucht. Ein kleines, feines Hotel mitten im mährischen Winterweiß, mit flackerndem Kamin. Vor dem sitzt Andrea Henkel und erzählt.

1999 hat die Thüringerin erstmals an einer Weltmeisterschaft teilgenommen, in Nove Mesto erlebt sie nun ihre letzte. Nach den Olympischen Spielen in einem Jahr schließt Henkel Ski und Gewehr endgültig weg – und beginnt das Leben nach dem Sport. Aller Voraussicht nach in den USA, wo sie mit ihrem Lebensgefährten Tim Burke, ebenfalls Biathlet, schon in den vergangenen Jahren stets viel Zeit verbracht und sich einige Freiheiten bei der persönlichen Trainingsgestaltung abgetrotzt hat. „Nicht Hals über Kopf“ werde sie auswandern, sagt Henkel, „da drängt nichts. Aber in ferner Zukunft schon.“

In der Gegenwart will sich die Doppelolympiasiegerin von 2002 zunächst noch einen Wunsch erfüllen. Seit 2008 hat sie zwar Staffelmedaillen, aber keine mehr in einem Einzelrennen gewonnen. Was Weltmeisterschaften angeht, hat sie dabei noch zwei Gelegenheiten: die erste am Mittwoch im Einzel über 15 Kilometer (17.15 Uhr, live im ZDF). Und die zweite dann am Sonntag, im Massenstart.

Nach ihrem verhunzten Sprint, mit dem sie Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig mal wieder zur Verzweiflung trieb, gelang ihr tags darauf im Jagdrennen der Konter: 20 Schuss, 20 Treffer, beste Verfolgungszeit aller Starterinnen, von Rang 33 auf Platz sechs gekrabbelt, Selbstvertrauen inhaliert. „Ich habe weiterhin das Ziel, eine Einzelmedaille zu gewinnen“, sagt die nur 1,58 Meter große Frau trotzig. Genau dieser Trotz ist es, den ihr langjähriger Trainer als Ursache für Henkels immer wiederkehrende Aussetzer bei WM- Sprints ausgemacht hat.

Denn Gerald Hönig hat mitgezählt. „Das Schlimme ist, dass ihr das schon im dritten Jahr hintereinander passiert ist“, sagt er und meint die Weltmeisterschaften in Chanty-Mansijsk, Ruhpolding und jetzt in Nove Mesto. „Am Sonntag hat sie wieder gezeigt, was bei ihr möglich ist. Erst wenn sie nicht zu viel Druck spürt und nichts mehr zu verlieren hat, ist sie befreit“, sagt Hönig. „Andrea fällt es unheimlich schwer, die notwendige Ruhe zu finden – weil sie seit Jahren einer Einzelmedaille hinterherläuft. Und aus Kampf wird im Biathlon eben Krampf.“

Die notwendige Lockerheit, um ihr großes Ziel zu erreichen, kann Andrea Henkel allerdings niemand injizieren. Diesen Dreh muss sie selbst entdecken. Bei ihrem Bericht über die Stimmung im stillen Mannschaftshotel bekommt Henkel („Wir rennen hier nicht rum mit dem Kopf unter den Arm geklemmt“) das schon vorbildlich hin. Und auch in puncto Privatleben gibt sie sich sehr entspannt.

„Im Moment gerade nicht“, sagt sie auf die Frage, ob sie und Tim Burke in den USA einmal Kinder in die Welt setzen wollen. „Aber irgendwann dann schon.“ Und dabei klingt die 35-Jährige so leichtgängig, als müsste sie nur mal eben einen riesigen Rückstand aus einem Sprintrennen geraderücken.

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