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Einer von vier Kandidaten. Johann Andre Forfang könnte für Norwegen aufs Treppchen fliegen. Foto: dpa

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Skiflug-WM: Die Norweger sind an Extreme gewöhnt

Bei der heute beginnenden Skiflug-WM sind die Norweger die großen Favoriten. Ihr Vorteil sind die speziellen Bedingungen in ihrer Heimat.

Von Johannes Nedo

Als parteiisch will Alexander Stöckl nicht gelten. Seine Einschätzung sei absolut objektiv, betont Norwegens Nationaltrainer. Als er dann aber sagt, wem er aus seinem Team gute Medaillenchancen bei der Skiflug-WM einräumt, muss er selbst schmunzeln, denn er zählt einen nach dem anderen auf: Kenneth Gangnes, Johann Andre Forfang, Daniel Andre Tande, Anders Fannemel. Für ihn haben sie alle aussichtsreiche Chancen, aufs Podium zu kommen, wenn heute die Einzelkonkurrenz am Kulm im österreichischen Bad Mitterndorf beginnt (13 Uhr/ZDF und Eurosport).

Seine Mannschaft bestreitet bisher eine herausragende Saison. Im Gesamtweltcup liegen drei Norweger unter den besten sieben – so gut ist sonst keine andere Nation. Bei der Vierschanzentournee waren drei Norweger unter den besten acht. Und beim letzten Springen in Willingen am vergangenen Sonntag wurde Gangnes Zweiter, insgesamt kamen fünf Norweger unter die besten neun. Natürlich erwähnt Stöckl auch, dass Tournee-Sieger Peter Prevc in einer bestechenden Form sei und auch dessen ärgster Verfolger Severin Freund sehr stabil springe. Doch der clevere Österreicher glaubt, von der Situation mit den zwei Favoriten profitieren zu können. Während sich Prevc und der aktuelle Skiflug-Weltmeister Freund vor allem auf den Zweikampf gegeneinander fokussieren, könnten seine Norweger an beiden vorbeiziehen.

Diese Zuversicht speist sich nicht nur aus den letzten Resultaten, sondern auch aus einer weiteren besonderen Fähigkeit seines Teams. „Die Norweger waren schon immer gute Flieger“, sagt Stöckl. Warum seine Athleten diese zusätzliche Stärke besitzen, kann er nach fast fünf Jahren als ihr Cheftrainer gut erklären. Die norwegischen Schanzen seien dem Wind sehr stark ausgesetzt, sagt der 42-Jährige. „So entwickeln die Athleten ein besonderes Gespür dafür, wie sie mit veränderten Verhältnissen umgehen müssen.“ Bei starkem Aufwind wissen sie also ganz genau, wie sie ihren Körper justieren müssen, um trotzdem weit zu fliegen. Weil die Norweger auch unter schwierigsten Bedingungen trainieren, hätten sie zum einen mehr Selbstsicherheit, und zum anderen ein besseres Feingefühl, wie sie mit der Luft umgehen müssen, erklärt Stöckl. „Dieses Gespür wird bei höheren Geschwindigkeiten noch wichtiger.“

Die Norweger sind Grenzerfahrungen ausgesetzt

Und beim Skifliegen ist nicht nur die Anfahrtsgeschwindigkeit mit fast 100 Kilometern pro Stunde deutlich höher als beim Skispringen – alles ist extremer. Die Athleten gleiten viel länger in der Luft, die Kräfte, die auf sie wirken, sind umso größer. Dementsprechend ist ihr Adrenalinausstoß enorm hoch, und sie landen meist 100 Meter weiter als sonst. Sie sind also regelrechten Grenzerfahrungen ausgesetzt. „Sie müssen sehr schnell, sehr gut auf das reagieren, was kommt“, sagt Stöckl. Sie müssten überaus präzise sein in ihrem Ablauf. Das heißt aber auch: Wenn nur eine Kleinigkeit dabei schiefgeht, hat dies sofort große Auswirkungen, wie der Sturz des österreichischen Vorspringers Lukas Müller beim Einfliegen am Mittwoch gezeigt hat.

Es ist im Skifliegen und genauso im Skispringen immer ein sehr schmaler Grat, auf dem die Athleten wandeln. Auch Stöckl hat mit seinen Schützlingen lange darüber diskutiert, wie aggressiv sie bei ihren Sprüngen agieren sollten. „Eine gewisse offensive Herangehensweise gehört aber eben dazu“, sagt er. Am liebsten spricht Stöckl derzeit sowieso über die Siegchancen seiner Norweger, im Einzel – und dann besonders im Mannschaftswettbewerb am Sonntag.

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