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Der Kopf brummt. Eishockeyspieler nehmen wenig Rücksicht auf die eigene Gesundheit.

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Eishockey: Nach Ustorfs Rücktritt - Der Leistungssport hat ein Kopfproblem

Der Rücktritt des ehemaligen Eisbären-Spielers Stefan Ustorf wirft die Frage auf, wie Eishockey und der gesamte Sport mit Kopfverletzungen umgeht.

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Stefan Ustorf hatte keine Wahl. Sein Körper hat ihm die Entscheidung über seine Karriere abgenommen. Er signalisierte, dass Schluss ist mit dem Eishockey. „An eine Rückkehr ist nicht mehr zu denken“, sagte der 39 Jahre alte Stürmer am Donnerstag. „Ich bin körperlich in einem katastrophalen Zustand.“ Kaum noch Muskeln hat Ustorf, die Knie schmerzen, die Schultern benötigen künstliche Gelenke, der Kopf brummt, ihm wird übel. Das alles sind Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas, das der Profi nach einem Check erlitten hat. Eine Krankheit, für die es keine eindeutige Prognose gibt. Ustorf weiß nicht einmal, ob er überhaupt irgendwann wieder ein normales Leben führen kann.

Viele Sportprofis kämpfen heute auch deshalb mit so schweren Folgen, weil Gehirnerschütterungen und Traumata lange Zeit nicht ernst genommen wurden. Ein bisschen Kopfweh – was macht das schon? „Früher haben wir bei Kopfschmerzen eine Tablette eingeworfen und dann ging es wieder aufs Eis“, sagt der ehemalige Eishockeyprofi und heutige Trainer der Nürnberg Ice Tigers, Bengt-Ake Gustafsson. Doch der Sport ist immer schneller, und die medizinischen Erkenntnisse sind immer genauer geworden.

In den USA hat man als erstes reagiert – nicht zuletzt, nachdem die ehemaligen Footballprofis Junior Seau und Dave Duerson sich in Folge der Traumata und der damit einhergehenden Persönlichkeitsstörung das Leben nahmen. Seit einigen Jahren verpflichtet die NFL wie die anderen großen amerikanischen Profiligen Spieler zu neuropsychologischen Tests. Das hat viel dazu beigetragen, dass die Zahl der Kopfverletzungen gesunken ist. Trotzdem gab es in der Saison 2011 in 320 NFL-Spielen noch 190 gemeldete Gehirnerschütterungen. In der Eishockeyliga NHL mussten 128 Spieler in der Saison 2011/12 aussetzen. Prominentestes Opfer war der kanadische Superstar Sidney Crosby, der fast ein Jahr lang fehlte.

Inzwischen ist man weltweit sensibilisiert, was das Thema Kopfverletzungen im Leistungssport angeht. So gilt beispielsweise für Profiradsportler Helmpflicht. Und im Rugby ist im vergangenen Jahr eine Studie gestartet, die in ihrer Form für die Sportart einzigartig ist. Bis Ende 2013 werden dafür jeweils 200 frühere Profis, Amateure und Nicht-Rugbyspieler untersucht. Bislang ist in der ab 2016 olympischen Vollkontaktsportart noch nicht einmal ein Kopfschutz obligatorisch.

Fußball-Torhüter Petr Cech trägt seit seinem Schädelbasisbruch im Jahr 2006 während eines Ligaspiels in England freiwillig einen Kopfschutz. Allerdings ist er damit in seiner Sportart ein Exot. Dabei kommt es im Fußball häufig zu Kopfballduellen und Zusammenstößen. Verbindliche Regelungen, um Spieler zu schützen, gibt es trotzdem nicht. Auch Tests wie sie in den USA durchgeführt werden, sind nicht obligatorisch. Immerhin sind Schiedsrichter inzwischen dazu angehalten, den Einsatz der Ellbogen in der Luft härter zu bestrafen. In der Bundesliga wird das inzwischen verstärkt umgesetzt – und Spieltag für Spieltag kontrovers diskutiert.

Die Deutsche Eishockey-Liga ist etwas weiter. Checks gegen den Kopf werden seit dieser Spielzeit konsequent geahndet. Zudem prüft ein Disziplinarausschuss nachträglich, welche Strafe verhängt wird und begründet dies ausführlich. Das wirkt präventiv. Viele Spieler überlegen nun zweimal, ob sie ihren Check wirklich zu Ende fahren, wie es in der Sportsprache heißt. „Wir passen mehr auf“, sagt Eisbären-Kapitän André Rankel. Seinem Kollegen Stefan Ustorf hilft das nicht mehr. Sein Schicksal aber hat viel dazu beigetragen, dass der Sport sich seines Kopfproblems bewusst geworden ist.

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