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Wie viele Zuschauer wohl am Sonntag auf dieser Tribüne in Spielberg in der Steiermark sitzen werden?

© Imago

Formel 1: Red Bull verliert Flügel

Vor dem Heimrennen in Österreich herrscht Frust – als Team fehlen die Erfolge, als Veranstalter die Zuschauer.

Um was es auch ging für Dietrich Mateschitz und Red Bull – der Erfolg hatte sie bisher immer verwöhnt. Doch jetzt kommt es auf einmal knüppeldick. Sportlich und geschäftlich. Zunächst zur sportlichen Misere: Nach sieben Saisonrennen in der Formel 1 hat Red Bull immer noch keinen Podestplatz erreicht. Und ausgerechnet in Österreich, beim Heimrennen auf dem Red-Bull-Ring, will der Rennstall an den Autos von Daniel Ricciardo und Daniil Kwjat schon den fünften Motor des Jahres einsetzen. Was bedeutet, dass beide in der Startaufstellung um zehn Plätze nach hinten müssen. Warum? „Weil wir uns hier auf dieser Strecke, auf der es ganz stark auf Motorleistung ankommt, sowieso keinerlei Chancen ausrechnen“, sagt Red-Bull- Teamchef Christian Horner und klingt dabei reichlich frustriert.

Die Bullen haben längst keine Flügel mehr. Und um überhaupt wieder schneller zu werden, orientieren sie sich gerade offensichtlich um: Die Trennung von Renault scheint inzwischen fast unausweichlich, nicht nur, weil die Beziehung ziemlich zerrüttet ist und entscheidende Verbesserungen des Motors kaum noch zu erwarten sind. Sondern auch, weil bei den Franzosen inzwischen die Einstellung vorherrscht: entweder ein komplettes Team übernehmen oder ganz aussteigen. Mit Lotus hätte Renault dabei auch einen wahrscheinlichen Kandidaten zur Übernahme.

Red Bull bewegt sich auf Ferrari zu

Es hat viele überrascht, dass Christian Horner Kontakt zu Ferrari aufgenommen hat – zwecks möglicher Motorenlieferungen ab 2016. Ferrari-Chef Sergio Marchionne ist wohl nicht einmal abgeneigt. Der Handel dürfte allerdings nur zustande kommen, wenn sich Red Bull und das Schwesterteam Toro Rosso mit der B-Version der Motoren begnügen, also der 20 bis 30 PS schwächeren Kundenversion, die derzeit zum Beispiel auch Sauber bekommt. Horner passt das eigentlich nicht. Aber Helmut Marko, der Motorsport-Koordinator von Red Bull, hat ihn inzwischen wohl überzeugt: Denn damit stünde das Team immer noch besser da als mit dem Renault, der derzeit eher noch weniger Leistung bringt als im Vorjahr. Der Motor ist einfach nicht zuverlässig genug. „Ich rechne erst zum Saisonschluss damit, dass wir wieder aufs Podium fahren können“, sagt Marko.

Auch wenn es im Moment öffentlich noch das eine oder andere halbherzige Dementi gibt, um Renault nicht komplett bloßzustellen: Red Bull bewegt sich auf Ferrari zu. Damit hätte das Team zumindest eine akzeptable Übergangslösung in der Zeit, in der der VW-Konzern mit Audi einen Einstieg in die Formel 1 prüft. Das könnte 2018 sein. Marchionnes Erklärungen, man müsse jetzt zusammen- stehen, um die Formel 1 zu retten, deuten in eine ähnliche Richtung: Denn würde diese Lösung scheitern, wäre es durchaus möglich, dass Dietrich Mateschitz seine beiden Teams zurückzieht. Die Formel 1 könnte das gerade gar nicht brauchen.

Die Fans aus Österreich halten sich zurück

Neben den Problemen des Teams auf der Strecke kämpft Red Bull als Veranstalter des Österreich-GP auch noch mit anderen Schwierigkeiten. Die allgemeine Zuschauermisere der Formel 1 ist inzwischen auch hier angekommen. Wenig von der Hoffnung, nach der Absage des deutschen Grand Prix vielleicht noch zusätzliche Fans speziell aus dem süddeutschen Raum anziehen zu können, scheint sich zu erfüllen. Und viele von denen, die im vergangenen Jahr für ein ausverkauftes Rennen mit mehr als 90 000 Zuschauern sorgten, kommen offenbar auch nicht wieder. Nur um die 50 000 Tickets wurden im Vorverkauf abgesetzt. „Weil Red Bull hinterherfährt“, versuchen sich zwar einige die Situation schönzureden, die Wahrheit dürfte aber etwas anders aussehen.

Das grundsätzliche Interesse an der heutigen Formel 1 mit ihrer Mercedes-Dominanz und dem von den Fans nie wirklich akzeptierten derzeitigen Reglement geht fast überall zurück. Dass die Übertragung des Rennens in Kanada bei RTL zuletzt trotz bester Sendezeit um 20 Uhr eine Million Zuschauer weniger hatte als die Übertragung von der Fußball-WM der Frauen zwei Stunden später, spricht Bände. Niki Lauda hatte sich rund um die Absage des Deutschland-Grand-Prix des Öfteren ziemlich despektierlich über die deutschen Veranstalter am Nürburgring und in Hockenheim geäußert, die es eben einfach nicht auf die Reihe bekämen, die Zuschauer anzuziehen: „Man muss eben mehr bieten, einen richtigen Event schaffen – so, wie das in Österreich passiert ist. Da hat man ja gesehen, dass es funktioniert.“

Jetzt, da man vom großen Hype des letzten Jahres auch in Spielberg weit entfernt ist, zeigt sich deutlich, dass es auch daran nicht liegt. Schon im vergangenen Jahr war in Österreich von Fans auf den Tribünen zu hören, dass die Formel 1 einfach zu teuer sei. Die günstigsten Tribünenkarten für den Sonntag gab es im Vorverkauf für 175 Euro.

Niki Lauda wundert sich derzeit nur darüber, dass Red Bull als Veranstalter die schlechten Vorverkaufszahlen relativ offen kommuniziert. Er kennt schließlich die Methode vieler Verantwortlicher in der Formel 1, die Probleme gerne totschweigen in der Hoffnung, die würden dann verschwinden. Immerhin gibt er zu, dass es eben wohl doch schwieriger sei, beim zweiten Rennen genauso einen Hype wie beim Comeback zu erzeugen. Und dass sich der Veranstalter bei den Ticketpreisen vielleicht doch etwas überlegen müsse.

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