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Bald nur noch zu Pferde. Michael Schumacher bleiben noch vier Rennen in der Formel 1. Danach will er nie wieder an einem richtigen Rennen teilnehmen.

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Formel-1-Rekordweltmeister: Michael Schumacher: "Höchstens noch mal Go-Kart aus Spaß"

Der Formel-1-Rekordweltmeister spricht über seine Pläne nach dem Karriereende: In anderen Rennserien will er nicht fahren, auch kein Teamchef werden - er setzt auf Flugzeuge und Pferde.

Von Christian Hönicke

Es ist dunkel. Kaum deutbare Klänge hallen zwischen den kahlen Betonwänden hin und her, manchmal ist ein Motorgeräusch dabei. Wie hier könnte es in Michael Schumachers Kopf aussehen.

Die Rennfahrerlegende stoppt auf ihrer Abschiedstournee in Berlin. Schumacher hat einen Sponsorentermin und sich auch gleich mal bei einer Rundfahrt die Stadt zeigen lassen, sagt er, die Architektur findet er sehr interessant. Am Sonntag ist er noch 13. beim Formel-1-Rennen in Südkorea geworden, am Mittwochabend steht er im Tor des einstigen Heizkraftwerks an der Köpenicker Straße. Mit einem Rollkoffer schreitet er durch die düstere Szenerie, top frisiert, weißes Hemd, dunkler Schal, dunkle Jacke, dunkle Hose, verschnörkelte Gürtelschnalle, braune Schuhe mit vielen Nähten, den Rücken durchgedrückt wie eh und je.

Der 43-Jährige steigt eine schwingende Eisentreppe empor und betritt den früheren Schaltraum des Kraftwerks. Hier sieht es aus wie im Hauptquartier eines Bond- Bösewichts, Knöpfe und Instrumente ohne Ende. Schumacher lässt sich gut gelaunt in ein helles Ledersofa fallen und ist bereit, Fragen zu beantworten. Über die Details seines Rücktritts aus der Formel 1 zum Saisonende will/kann/darf der Mercedes-Pilot nicht so gern sprechen, das hat er vorher klarstellen lassen. Seine Version hat er unlängst in Suzuka vorgelesen, die Worte klangen wie 2006 bei seinem ersten Rücktritt: Sein Akku sei fast leer et cetera. Was wirklich in seinem Kopf vorgeht, ist noch schwerer zu erahnen als die gegenüberliegende Wand in diesem Industrietempel. Nur einmal wird es kurz hell. Schumacher erinnert sich daran, wie er das erste Mal in ein Formel-1-Auto stieg. „Das ist Adrenalin pur, das absolut Geilste, einfach der Wahnsinn“, sagt er und die Augen glänzen mehr als sein Diamantarmband.

Herr Schumacher, demnächst werden Sie viel Zeit haben.
Die werde ich haben, ja. Und darauf freue ich mich auch.

Freuen Sie sich darauf, dann auch mal unpünktlich sein zu können?

Nein. Wenn ich irgendwo hin will, dann will ich da auch pünktlich erscheinen. Aber ich freue mich auch darauf, mich nicht 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche mit dem Gedanken zu befassen, wie verbessere ich mich und das Auto. Dass bringt auch einen gewissen Druck in den Alltag hinein.

Womit werden Sie die Zeit künftig füllen?
Da gibt es viele schöne Dinge. Die meisten sind privater Natur, und ganz wichtig ist die Familie. Meine Frau ist Reiterin. Mit ihr und der Familie unterwegs zu sein bei den Turnieren, darauf freue ich mich sicherlich. Und meine Frau ist dabei, mir ein Pferd auszusuchen, weil ich dann wohl auch das eine oder andere Mal mein Glück versuchen werde. Es gibt aber auch jede Menge andere Hobbys, die ich betreibe.

Sie interessieren sich seit Neuestem für Kunstfliegen. Wie kam es dazu?

Indem ich mal mitgeflogen bin. Ich habe eine Zeitlang einen Helikopter gehabt, da ist man aber sehr eingeschränkt und kann nicht viele Dinge machen. Mit so einem kleinen Kunstflieger ist das so wie ein Gokart zu fahren, aber eben in der Luft.

Werden Sie noch einmal in ein richtiges Rennauto steigen? Es gibt ja noch mehr als die Formel 1, die DTM etwa oder die 24 Stunden von Le Mans.

Ganz klar: Nein. Die Formel 1 ist der Gipfel des Motorsports, keine andere Rennserie würde mir das bieten können. Ich werde natürlich aus Spaß nochmal ein Go-Kart-Rennen fahren, aber das war’s.

Ist es eine Option, Ihr eigenes Formel-1-Team zu betreiben?

Nein, sicher nicht. Keine Option für mich.

Sie werden Anfang November als Legende des deutschen Sports geehrt. Was ist das für ein Gefühl?

Der Begriff schwebt ja schon seit längerem um mich herum. Das ist eine schöne Auszeichnung, keine Frage. Schön ist auch, dass ich’s selbst noch erlebe.

Haben Sie Angst vorm Altern?

Nö, nicht unbedingt. Aber man setzt sich damit auseinander und wenn man manchmal in den Spiegel guckt, denkt man: Hm, sah schon mal besser aus.

Vier Formel-1-Rennen bleiben Michael Schumacher noch, und er versucht, in Würde abzutreten. Er macht Witzchen, verbreitet die Story von seiner schmerzhaften ersten Rennerfahrung. Mit vier Jahren, auf dem Kart in Kerpen, krachte er auf dem Bürgersteig in eine Laterne: „Ich hab den Pfahl nicht kommen sehen.“ Für die drei schmerzhaften Jahre bei seinem Arbeitgeber Mercedes, der ihn nicht weiterbeschäftigen will und ihn damit quasi zum Rücktritt drängte, hat er nur wenige Worte übrig. „Wir sind gescheitert, muss ich sagen“, sagt er achselzuckend. Er habe in seiner zweiten Karriere verlieren gelernt.

Andere Fähigkeiten kann er bald im Ruhestand erlernen. Wie man Herzen erobert etwa. Ein Schweizer fragt, ob er nach fast 20 Jahren im Land nicht mal den Schweizer Pass beantragen wolle. „Die Schweiz ist schön, aber brauche ich einen Pass? Nein“, sagt Schumacher etwas zu ehrlich. „Ich muss nicht verstecken, dass ich Deutscher bin.“ Er sei eher ein Jetsetter, erklärt er noch entschuldigend, aber jeder weiß, dass er sich nur im Cockpit wirklich zuhause fühlt. „Ich bin ein Racer“, sagt er, „ich kämpfe bis zum Schluss.“

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