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Abgeklärtes Talent: Der 21-jährige Nordire Rory McIlroy.

© AFP

Golf: Europa macht die Welle

Die Golfer der alten Welt haben nicht nur bei den British Open ihre Kollegen aus den USA abgehängt. Dem Aufschwung Europas steht ein Umbruch in den USA entgegen.

Rory McIlroy läuft über den Old Course von St. Andrews, als sei er ein Veteran der Szene. „Es gibt absolut überhaupt keinen Grund, weshalb ich nicht gewinnen könnte.“ Da strotzt einer vor Selbstbewusstsein – und das durchaus zu Recht. Seine 63er-Runde vom Donnerstag ist die beste Eröffnungsrunde, die jemals bei den British Open gespielt wurde. McIlroy nimmt das zufrieden zur Kenntnis, erstaunt wirkt er nicht. Dabei spielt der abgeklärte 21-Jährige in Nordirland gerade seine zweite British Open als Profi. Und auch wenn er bei heftigen Sturmböen mit einer 80er-Runde am Freitag auf Rang 39 zurückfiel gilt McIlroy als Ausnahmetalent. Gleichzeitig beginnt er seine Karriere in einer Phase, in der Europas Golf einem neuen Höhepunkt zustrebt und Erfolge feiert wie lange nicht mehr.

In St. Andrews zählen mehrere Spieler zu den Favoriten, die auch für den Aufschwung Europas stehen: Rory McIlroy ist der Jungstar, das unbedarfte Talent. Paul Casey, der sich am Freitag mit einer 69er- Runde nach vorne schob, gilt als der konstante Kämpfer. Lee Westwood, der einer 67er- eine 71er-Runde folgen ließ, hat das Race to Dubai 2009 gewonnen, er ist die Nummer drei der Weltrangliste, längst fällig für den Majorsieg. Andere Namen runden das beeindruckende Portfolio Europas ab. Der Nordire Graeme McDowell siegte im Juni als erster Europäer seit 40 Jahren bei den US Open. Der Brite Justin Rose hat in diesem Jahr bereits zwei große Turniere auf der US-PGA-Tour gewonnen. Das italienische Brüderpaar Molinari gewann den World Cup. Männer wie Luke Donald, Ian Poulter, Padraig Harrington und Martin Kaymer, der am Freitag sicher den Cut schaffte, zählen zur Weltspitze. Die Top 20 der Weltrangliste weist derzeit nur sechs Amerikaner, dafür aber zehn Europäer auf. Geht es um den Ryder Cup im Oktober, gilt Europa als haushoher Favorit – und das, obwohl die Amerikaner zuletzt gewonnen haben.

In den USA dagegen kämpft man derzeit mit dem Umbruch: Männer wie Stewart Cink oder Steve Stricker, der eine Titelverteidiger der British Open, der Weltranglistenvierter, sind zu alt und offenbar auch zu emotionslos, um die Jugend zu bewegen. Tiger Woods war selbst zu seinen besten Zeiten weniger Amerikaner als eine Marke für sich. Dass John Daly in St. Andrews mit gutem Spiel und wilden Hosen für Schlagzeilen sorgt, ist eine schöne Sache – eine Vorbildfunktion aber ist das Letzte, was man von dem affärengeplagten Mann verlangen kann. Bleibt allein der US-Masters-Champion Phil Mickelson als Führungspersönlichkeit im amerikanischen Lager. Doch der Weltranglistenzweite hat nach zwei Runden mit 73 und 71 Schlägen in St. Andrews seine Titelhoffnungen längst begraben. Und Jungstar Ricky Fowler, der 2010 als größtes US-Talent gehandelt wird, musste bei seinem ersten British-Open-Einsatz erkennen, dass er zumindest in Sachen Linksgolf noch viel zu lernen hat.

„Eines der wichtigsten Themen bei einem Major-Sieg ist die Konzentration auf eben diese Turniere, dass man nur an sie denkt und rausgehen will, um eines von ihnen zu gewinnen“, sagt Padraig Harrington. Er hat 2007 mit seinem Sieg bei den British Open in Carnoustie Europas Aufschwung eingeleitet und somit eine Rolle gespielt, die 1979 Severiano Ballesteros zukam. Damals holte sich der emotionsgeladene Spanier seinen ersten Major-Sieg. Amerikas Vormachtstellung im Golf war gebrochen, Männer wie Nick Faldo, Sandy Lyle, Ian Woosnam und Bernhard Langer begannen, an sich zu glauben. Die fünf Europäer sollten von da an den Golfsport dominieren und 16 Majors gewinnen.

„Mag sein, dass ich gerade ganz oben auf der Welle schwimme“, bemerkt Justin Rose nach zwei Siegen in den USA bei den British Open. „Aber eigentlich bin ich nur einer aus einer ganzen Truppe, die gut drauf ist.“ Tatsächlich inspiriert in Europa ein Spitzenspieler den anderen. „Ich habe mir Padraig vor drei oder vier Jahren angesehen. Das ist keiner, der außergewöhnlich begabt ist“, erklärt Graeme McDowell seinen Sieg bei den US Open. „Aber er hat hart gearbeitet, und man fängt dann einfach an, daran zu glauben, dass man das auch schafft.“

Ähnliche Argumente liefert jetzt Rory McIlroy, der schon als Jugendlicher zigmal zusammen mit McDowell Golf gespielt hat: „Als ich gesehen habe, wie er dieses Major gewonnen hat, ist mein Selbstbewusstsein einfach gewachsen. Ich war immer der Meinung, dass man Majors nur gewinnen konnte, wenn man ein Spieler auf einem anderen Niveau ist, aber jetzt habe ich kapiert, dass das gar nicht so ist. Man muss nur in der richtigen Woche gut spielen.“ Egal ob McIlroy, Westwood oder Casey – sie alle glauben, dass dies die Woche ist.

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