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Luis Rubiales, Präsident des spanischen Fußballverbandes RFEF, spricht bei der außerordentlichen Generalversammlung des Verbandes in Madrid.

© dpa/RFEF/Europa Press

Update

„Zum Fremdschämen“: Kein Rücktritt nach Kuss-Affäre – scharfe Kritik an Spaniens Fußball-Chef Rubiales

Der Boss des spanischen Fußballs lehnt einen Rücktritt ab. Nun will sich der erste Spieler, der spanische Stürmer Borja Iglesias von Betis Sevilla, aus der Nationalelf zurückziehen.

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Luis Rubiales legte seine flache Hand aufs Herz, sein Vater verdrückte im Publikum Tränen. „Hier geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um eine soziale Hinrichtung“, klagte der Präsident des spanischen Fußballverbandes RFEF. Im viel diskutierten Kuss-Skandal inszenierte Rubiales sich als Opfer einer Hetzjagd, rhetorisch geschickt leitete er 30 Minuten lang den Gegenangriff ein – den erwarteten Rücktritt lehnte er ab.

Als Rubiales am Freitag vor der außerordentlichen Generalversammlung des Verbands schließlich vom Pult wegtrat, bekam er stehende Ovationen und warmen Applaus. „Ich werde nicht zurücktreten“, betonte der 46-Jährige mehrmals energisch. „Soll mich ein Küsschen in beiderseitigem Einvernehmen hier rausbringen? Ich werde kämpfen bis zum Ende.“

Der 46-Jährige hatte bei der Siegerehrung der Fußball-Weltmeisterinnen in Australien die spanische Spielerin Jennifer Hermoso am Sonntag mit beiden Händen am Kopf gepackt und ungefragt auf den Mund geküsst. Hermoso hatte kurz danach in einem Video gesagt, dass ihr das Verhalten von Rubiales unangenehm gewesen sei. „Aber was sollte ich machen“, fügte sie hinzu. 

Der spanische Stürmer Borja Iglesias von Betis Sevilla hat aus Verärgerung über das Verhalten von Verbandschef Luis Rubiales im Kuss-Skandal seinen Rückzug aus der Nationalelf angekündigt. „Ich habe die Entscheidung getroffen, solange nicht in der Nationalmannschaft anzutreten, bis sich die Verhältnisse geändert und solche Handlungen nicht mehr straffrei bleiben“, schrieb er am Freitag auf der vormals als Twitter bekannten Plattform X. 

In Reaktion auf Rubiales Rede schrieb Weltfußballerin Alexia Putellas auf X knapp und hart: „Das ist nicht hinnehmbar. Schluss. Mit Dir, Kameradin Jenni Hermoso“. Auch der derzeit vereinslose spanische Torwart David de Gea äußerte sich entsetzt über das Verhalten und die Rede von Rubiales. „Mir bluten die Ohren“, schrieb er auf X.

Der falsche Feminismus sucht nicht nach der Wahrheit, er versucht, sich eine Medaille umzuhängen und zu glauben, dass wir vorankommen.

 Luis Rubiales, Chef des spanischen Fußballverbandes

Der Kuss hatte eine Welle der Kritik und der Empörung ausgelöst. Spanische Politiker und Vertreter des Fußballs reagierten mit heftiger Kritik auf Rubiales Entscheidung. „Herr Rubiales weiß immer noch nicht, wo er ist und was er getan hat. Er ist nicht auf der Höhe der Zeit. Er muss sofort zurücktreten und uns weitere Peinlichkeiten ersparen“, schrieb die geschäftsführende Vize-Regierungschefin Yolanda Díaz auf der vormals Twitter genannten Plattform X.

Es gehe nun darum, die Spielerin zu schützen, „um Nein zum Machismo zu sagen und um das Recht auf sexuelle Freiheit zu gewährleisten“, schrieb Gleichstellungsministerin Irene Montero auf X.

Vor der Generalversammlung hatte sich schon der geschäftsführende Premier geäußert. „Was wir gesehen haben, ist inakzeptabel“, sagte Pedro Sánchez. „Und die Entschuldigungen von Herrn Rubiales reichen nicht aus, ich würde sie als unangemessen bezeichnen, deshalb muss er weitere Schritte unternehmen, um klarzustellen, was wir alle gesehen haben“, sagte der Politiker.

Chef der Liga erhebt schwere Vorwürfe gegen Rubiales

Zugleich hatte er aber eingeräumt, dass die Regierung keinen direkten Einfluss auf den RFEF habe. Ob Rubiales noch Präsident des spanischen Fußball-Verbandes bleiben dürfe, sei nicht seine Sache, betonte Sánchez. Der Verband werde nicht von der Regierung kontrolliert.

Der Leiter der obersten spanischen Sportbehörde CSD, Víctor Francos, kündigte an, seine Institution werden nun gegen Rubiales vorgehen. „Wir werden handeln, wir haben alle Mechanismen aktiviert, um die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen“, schrieb er ebenfalls auf X. Allerdings ließ Francos offen, welche Maßnahmen das sein könnten.

Besonders hart ging der Chef der Liga, Javier Tebas, mit Rubiales ins Gericht. „Beleidigungen, Angeberei, Erpressung, Drohungen, Spionage und Verfolgung, betrügerische Nutzung von Verbandsorganen, wir leiden unter vielem und haben vieles angeprangert. Die Liste der Frauen und Männer, die in diesen Jahren von Luis Rubiales geschädigt wurden, ist zu lang und das muss aufhören“, schrieb Tebas auf X.

„Es ist unmöglich, sein frauenfeindliches und verabscheuungswürdiges Verhalten einer absurden Verschwörung zuzuschreiben, wenn der Rufschaden für den gesamten spanischen Fußball bereits unvermeidlich ist“, fügte Tebas hinzu. „Zum Fremdschämen“ sei das Verhalten des Verbandschefs, schrieb Ex-Nationaltorhüter Iker Casillas beim Portal X, vormals Twitter.

Mehrere Medien hatten am Donnerstag übereinstimmend berichtet, Rubiales werde zurücktreten. Wirklich einsichtig zeigte sich Rubiales in seiner voller Pathos vorgetragenen Rede am Freitag aber nicht. „Der falsche Feminismus sucht nicht nach der Wahrheit, er versucht, sich eine Medaille umzuhängen und zu glauben, dass wir vorankommen. Sie kümmern sich nicht um die Menschen“, sagte er und beklagte eine Hetzjagd.

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Der Weltverband Fifa hatte am Donnerstag ein Disziplinarverfahren gegen den Spanier eingeleitet. „Die Fifa bekräftigt ihr uneingeschränktes Bekenntnis zur Achtung der Integrität aller Personen und verurteilt deshalb jedes gegenteilige Verhalten aufs Schärfste“, teilte der Verband mit.

Die Disziplinarkommission prüfe einen Verstoß gegen Artikel 13 des Reglements, der mit „Beleidigendes Verhalten und Verstöße gegen die Grundsätze des Fairplay“ überschrieben ist. Rubiales ist auch Vizepräsident der Europäischen Fußball-Union Uefa. 

Zuvor hatte auch die Spielerinnen-Gewerkschaft FutPro „beispielhafte Maßnahmen“ gefordert. Solche Handlungen dürften „niemals ungestraft bleiben“, heißt es in dem Kommuniqué von FutPro, das auch eine direkte Aussage der Weltmeisterin Hermoso beinhaltet. Die RFEF veröffentlichte nun eine Erklärung, in der Spielerin Jennifer Hermoso zitiert wurde. Der Kuss sei in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt, hieß es darin.

Von den Klubpräsidenten aus der Primera División kritisierte bisher nur einer das Verhalten von Rubiales: Der Boss des FC Getafe, Ángel Torres, forderte eine Absetzung des Verbandschefs. Rubiales dürfe „nicht eine einzige Minute länger im Amt bleiben“, sagte er.

Rubiales hatte am Montag einen Fehler eingeräumt. Er habe Hermoso „spontan“ und „ohne jede böse Absicht oder bösen Willen“ auf den Mund geküsst, sagte er in einem Video.

„Hier haben wir alle es als etwas Natürliches, Normales betrachtet, aber draußen scheint es einen Aufruhr gegeben zu haben“, erklärte er. (dpa)

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