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Rücktritt mit 25? Na und! Magdalena Neuner sehnt sich nach einem zurückgezogenen Familienleben. Nur so lange es innerlich kribbelt, will sie weiterlaufen.

© dpa

Magdalena Neuner: Strahlen bis zum Schluss

Die Erfolge der vergangenen Jahre haben Magdalena Neuner lockerer gemacht – und doch denkt sie zum Saisonstart an das Ende ihrer Biathlon-Karriere.

Von Katrin Schulze

Wenn man im Alter von 24 alles erreicht hat, kann man verrückt werden. Oder übermütig. Aber so weit kommt es bei Magdalena Neuner noch. Die Biathletin erweckt eher den Eindruck, dass sie sich umso mehr zurücknimmt, je erfolgreicher sie ist. Mittlerweile lächelt sie auch den Stress, den ihre überragenden Leistungen mit sich bringen, gern charmant-keck weg. „Ja, klar, ich bin wenig gelassener geworden, seit daheim ein paar Medaillen liegen“, sagt sie und untertreibt dabei gnadenlos. Zwei olympische Goldmedaillen und eine silberne, zehnmal Weltmeisterschaftsgold und dreimal Weltmeisterschaftsilber haben sich inzwischen im oberbayrischen Örtchen Wallgau im Hause Neuner angesammelt, dazu kommen zwei hübsche Glaskügelchen, die für die Siege im Gesamtweltcup stehen. Um nur die Trophäen aus dem Erwachsenenbereich aufzuzählen.

Während die Karriere anderer erst beginnt, gibt es für die 24 Jahre junge Neuner in ihrer Sportart nichts mehr zu gewinnen, was sie nicht längst gewonnen hätte. Und es ist auch diesem Umstand geschuldet, dass sich Magdalena Neuner jetzt schon darüber Gedanken macht, wann es denn vorbei sein könnte mit der großen Karriere im Biathlon. „Andere kommen erst viel später dazu. Aber ich bin schon seit vielen Jahren Profi“, erzählt sie. Und: „Ich habe schon häufiger gesagt, dass ich mir nicht vorstellen kann, als Biathlon-Oma noch im Kreis herumzurennen.“

Seit Magdalena Neuner neun Jahre alt ist, rennt sie nicht nur im Kreis herum, sondern ihren Teamgefährtinnen auch davon. Sie ist 19, als sie ihren ersten Weltcupsieg holt, mit 20 schießt und sprintet sie bei ihrer ersten Weltmeisterschaft zu drei Titeln. Schon damals, nach der WM 2007, hat sie sich mit dem Thema Rücktritt beschäftigt; nur die Gründe waren andere als heute. Der Rummel um ihre Person, all die Interviews und Termine wurden unerträglich, und sie hatte es satt, immer nur der süße, nette neue deutsche Wintersportstar zu sein. Kurz: Magdalena Neuner drohte den Spaß an dem zu verlieren, was sie einmal als ihren Traumberuf bezeichnete.

Natürlich gibt es sie noch. Die süße Blonde mit dem Dirndl am Körper und der Harfe in der Hand. Die ewig lächelnde Bayerin, die liebend gerne strickt. Das Eingangsbild ihrer Homepage zeigt Magdalena Neuner gemütlich mit einem dicken Wollschal bekleidet, doch dahinter steckt eine Frau, die – auch mit Hilfe eines Mentaltrainers – gelernt hat, Nein zu sagen. Gelassener mag sie im Laufe der zurückliegenden vier Erfolgsjahre geworden sein, aber, und das ist für ihr Wohlbefinden vielleicht noch wichtiger, vor allem auch entschlossener, konsequenter und selbstsicherer. Früher, als am Schießstand so manches Mal so mancher Schuss danebenging, haderte sie mit sich und machte sich verrückt. Jetzt sagt Neuner: „Ich weiß, was ich kann und lasse mich nicht mehr so schnell verunsichern, wenn ich mal ein paar Tage krank bin und nicht trainieren kann.“

Die Sache mit den Krankheiten muss erwähnt werden. Denn immer wieder hat die Biathletin vor allem zu Beginn der Saison mehr gegen Infekte als gegen Konkurrentinnen auf der Strecke gekämpft. Dass sie am Ende dennoch oft vorne lag, sagt viel über ihre physische Qualität aus – aber auch über ihre mentale. Es ist die Einstellung, die trotz aller Erfolge und trotz aller Gedankenspiele zum Leben nach dem Leistungssport geblieben ist: „Wenn ich am Start stehe, will ich nach wie vor gewinnen. Egal bei welchem Rennen. So einfach ist das.“ Jedenfalls, wenn man große Erfolge statt als Last eher als Befreiung begreift.

Ein paar wenige Tage sind es noch, bis Neuner sich in Schweden aufmacht, die nächsten Rennen zu gewinnen. Und dass sie diesmal von Beginn an richtig fit ist, könnte auch an dem kleinen Luxus liegen, den der Verband seinem Star gönnt. In den heimischen Alpen hat Magdalena Neuner zuletzt trainiert, während sich alle anderen Deutschen bei fiesen Minusgraden im dunklen Finnland auf den Weltcup-Winter vorbereiteten. Neuner ist sich bewusst, dass nicht jeder diese „Narrenfreiheit hat, aber es gab keine Diskussionen“. Groß reinreden lässt sie sich ohnehin nicht mehr – nicht in Sachen Karriereplanung und auch sonst nicht.

Als sie kürzlich verkündete, dass die bevorstehende womöglich schon ihre letzte Saison sein könnte, gab es einige, denen das merkwürdig vorkam. Rücktritt mit 25? Im Biathlon, wo der Norweger Ole Einar Björndalen noch mit 37 Jahren durch die Wälder dieser Welt rennt? Na und! Eine ewige Sportlerlaufbahn hat Neuner schließlich noch nie zum Ziel gehabt, sie ist nicht der Typ, dem die Karriere alles bedeutet – dazu ist der Wunsch nach einem zurückgezogenen Familienleben einfach zu groß. Doch damit das nicht falsch verstanden wird: Ob und wann sie es sich dann wirklich heimelig macht, stehe nicht fest.

Vielmehr darf Magdalena Neuners Befinden darüber entscheiden, wann es genug ist: „Inzwischen weiß ich, was gut für mich ist. Es muss mir weiter Spaß machen und das Kribbeln muss da sein.“ Und in diesem Bereich verspürt sie gerade so gar keine Probleme. Anders als nach den so erfolgreichen Olympischen Spielen in Vancouver 2010, „fällt es mir in diesem Winter nicht so schwer, mich zu motivieren“, sagt Magdalena Neuner. Dazu muss man wissen, dass im kommenden März die Weltmeisterschaft im heimischen Ruhpolding ansteht.

Und dass der Titel Heimweltmeisterin einer ist, der ihr noch fehlt.

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