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Beifall für die Fremden. Im März dieses Jahres gastierten die Baseballer der Tampa Bay Ray in Havanna. Auch Barack Obama und Raul Castro schauten zu.

© dpa/Reynolds

Fußball: Team USA in Kuba: Mit Matthew in Havanna

Unter Jürgen Klinsmann kickt das US-Nationalteam erstmals seit 69 Jahren in Freundschaft auf Kuba. Der Trainer freut sich auf das Spiel, sagt er.

Matthew hat nun auch Jürgen Klinsmann erreicht. Der Hurrikan, der seit drei Tagen in der Karibik wütet und in Haiti und Kuba Verwüstungen und Tote hinterlassen hat, zwang den deutschen Nationaltrainer der US-amerikanischen Fußball-Nationalmannschaft zum umdisponieren. „Wir werden schon heute Nacht um eins von Miami nach Havanna fliegen, um Matthew aus dem Weg zugehen“, hat Klinsmann am Mittwoch erzählt. Am Freitag, 16 Uhr Ortszeit, 22 Uhr MESZ, kommt es in Havanna zu einem kleinen historischen Ereignis. Erstmals seit 69 Jahren tritt das Nationalteam der USA zu einem Freundschaftsspiel auf Kuba an.

„Es ist für uns ein ganz besonderes Erlebnis, nach Kuba gehen zu können“, sagt Klinsmann dem Tagesspiegel. Vor einem halben Jahr gaben die Rolling Stones ein erstes vielbesungenes Konzert vor einer halben Millionen Menschen in der kubanischen Hauptstadt. Als erster US-Präsident seit fast 90 Jahren war Barack Obama im März dieses Jahres nach Kuba gereist und mit dem kubanischen Präsidenten Raul Castro zusammengekommen. Auch wenn noch deutliche Differenzen bestehen, so ist der Besuch als ein Endpunkt der Eiszeit zwischen beiden Staaten gedeutet worden. Die USA hatten nach der sozialistischen Revolution von Fidel Castro Anfang der 1960er Jahre die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu Kuba abgebrochen. Das Handelsembargo, das die USA 1962 während des Kalten Krieges gegen Kuba verhängten, besteht bis heute fort. Bereits 2013 hatten sie Obama und Castro bei der Bestattungsfeier von Nelson Mandela in Südafrika die Hände geschüttelt. Im Sommer 2015 nahmen beide Staaten wieder diplomatischen Beziehungen auf.

„Das kann ein Türöffner werden, wie es nur der Fußball schafft“, sagt Klinsmann. Der 52 Jahre alte Schwabe trainiert seit 2011 das US-Team. Der frühere Bundestrainer sieht dieses Ereignis persönlich in einer Reihe mit seinem Aufenthalt in einem Township 1995 in Johannesburg, dem Treffen mit Mandela kurz nach Ende der Apartheid und seinem Besuch der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem, an der er 1997 als Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft einen Kranz niederlegte. „Für uns ist es etwas Besonderes, ein Privileg, nach Kuba zu reisen“, sagt Klinsmann. Er sieht darin eine weitere Art der vorsichtigen Annäherung. Er hoffe auf positive Signale und mithin um einen weiteren Beitrag zur Normalisierung der Beziehungen. „Hier in den USA hat das Riesen-Schlagzeilen gemacht“, sagt Klinsmann.

Zustande gekommen ist das Freundschaftsspiel auf politischer Ebene

Aber auch für seine Spieler erhofft Klinsmann sich einen Gewinn, der über das schlichte Ergebnis hinausgeht. „Meinen Spieler wird mal ein ganz anderes Bild vermittelt. Das die Spieler merken, da ist mehr als nur Fußball.“

Zustande gekommen ist das Freundschaftsspiel auf politischer Ebene. Der US-amerikanische Fußballverband hatte Klinsmann gefragt, ob er dafür offen sei. Er war es, mit Begeisterung, wie er erzählt: „Der Fußball hat einfach eine globale Tragweite.“ Zwar sei Baseball die Sportart Nummer eins auf der Karibikinsel, und die Tampa Bay Rays aus der Major League Baseball haben im März ein erstes Gastspiel auf Kuba gegeben, „aber die Kubaner lieben auch Fußball“.

Wie es Klinsmanns Art ist, überlässt er nur wenig dem Zufall. Ein „Kubaspezialist“ wird die amerikanische Reisegruppe „einführen in das komplexe Thema, damit sie mal eine Gefühl entwickeln dafür, warum und weshalb bestimmte Dinge zwischen beiden Ländern passiert sind in der Vergangenheit.“

Durchaus Ähnlichkeiten entdeckt Klinsmann mit einer besonderen Reise, die ihn und die deutsche Nationalelf im Oktober 2004 in den Iran führte. Damals war Klinsmann als Bundestrainer zu einem Freundschaftsspiel nach Teheran gereist. 110 000 Zuschauer waren ins Stadion gekommen und boten der deutschen Mannschaft „einen unvergesslichen Empfang“, wie sich Klinsmann erinnert. Sollte die Möglichkeit in Havanna bestehen, „nehmen wir die Jungs mit raus und schauen uns mal ein bisschen um“.

Der Ball verbindet. Jürgen Klinsmann freut sich auf Kuba.

© picture alliance /dpa

Solche Reisen und Gegner würden junge Spieler prägen. „In Teheran war damals ein junger Schlacks dabei, der Per Mertesacker, total aufgeregt“, erzählt Klinsmann: „Ich sagte zu ihm: Du kannst so viele Fehler machen, wie du willst.“ In den zehn Jahren danach brachte es Mertesacker auf 104 Länderspiele und einen WM-Titel. „Wir wollen eine neue Welle von jungen Spielern reinbringen, die jetzt einen Reifeprozess starten müssen.“

Ziel des verjüngten US-Teams ist die Weltmeisterschaft 2018 in Russland. Christian Pulisic (18) von Borussia Dortmund werde diese Gruppe zusammen mit Julian Green vom FC Bayern anführen. Ein anderer junger Spieler aus der Bundesliga, John Anthony Brooks, sei viel weiter. Der 23 Jahre Innenverteidiger von Hertha BSC „ist bei uns zu einer Leaderfigur der Defensive geworden“, sagt Klinsmann. Er bräuchte mehr Konstanz und müsste auch mal über einen langen Zeitraum verletzungsfrei bleiben.

Am 11. November kommt es dann für Klinsmanns Team zum Showdown in Columbus/Ohio. Mexiko kommt zur WM-Qualifikation vorbei. 30 Millionen Hispanics leben in den USA, erzählt Klinsmann: „Das ist unser Klassiker – wie Deutschland gegen England – da geht es richtig zur Sache.“ Jetzt aber erst Kuba. „Ich hoffe, dass der Fußball eine Brücke baut“, sagt Klinsmann. Das einzige, was dazwischen kommen könnte, sei Hurrikan Matthew. „Hoffentlich steht der Platz nicht unter Wasser.“

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