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In Schieflage. Die Aufbruchstimmung unter dem neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann ist erst einmal dahin.

© imago/Matthias Koch/imago/Matthias Koch

Neuanfang geht anders: Die Fortsetzung der Misere mit anderem Trainer

Die Aufbruchstimmung bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist schon wieder verflogen. Dazu hat auch der neue Bundestrainer Julian Nagelsmann beigetragen.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Das Liedgut der österreichischen Fans bei Fußball-Länderspielen hat sich in der Vergangenheit nicht durch besonders großen Einfallsreichtum ausgezeichnet. Das Repertoire gilt als überschaubar. Am Dienstagabend war das anders. Kurz vor dem Ende des Testspiels gegen Deutschland im Ernst-Happel-Stadion zu Wien bewiesen die österreichischen Anhänger ein durchaus treffliches Gespür für den Moment. „Der DFB ist so im Oarsch“, sangen sie.

Das war nicht nett – und irgendwie doch wahr.

0:2 lagen die Deutschen zu diesem Zeitpunkt zurück. 0:2 hieß es auch am Ende – und damit fiel die Niederlage für sie sogar noch halbwegs gnädig aus. Mit Österreich, ja Österreich, hatte die Nationalmannschaft an diesem Abend nicht mithalten können, weder offensiv noch defensiv. Wenige Monate vor der EM im eigenen Land, vor allem aber wenige Wochen nach dem Wechsel auf der Position des Bundestrainers ist das eine alles andere als erfreuliche Erkenntnis.

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Einen Monat liegen die ersten beiden Länderspiele für Julian Nagelsmann als Bundestrainer zurück. Bei der USA-Reise umwehte eine leise Andeutung von Aufbruchstimmung den Neuanfang. Davon aber ist nach zwei weiteren Spielen und den Niederlagen gegen die Türkei und gegen Österreich nichts mehr geblieben.

Ich verstehe die Sorgen der Fans. Ich kann sie absolut nachvollziehen.

Bundestrainer Julian Nagelsmann

Der vermeintliche Neuanfang hat sich eher als Fortsetzung der Misere mit anderen Mitteln herausgestellt. Die erfolglosen Jahre unter wechselnden Bundestrainern – erst Joachim Löw, dann Hansi Flick und jetzt Julian Nagelsmann – scheinen allen Beteiligten offenbar stärker in den Kleidern zu stecken, als das alle erwartet hatten. „Wir müssen langsam rauskommen aus der Opferrolle“, sagte Nagelsmann. Doch das scheint leichter gesagt als getan.

Denn das über Jahrzehnte von fußballerischen Erfolgen verwöhnte Land scheint sich inzwischen ans Verlieren gewöhnt zu haben. Von elf Spielen in diesem Jahr hat die Nationalmannschaft nur drei gewonnen; 22 Gegentore hat sie kassiert, im Schnitt zwei pro Spiel. Ein Zu-null ist ihr nur ein einziges Mal gelungen, im März gegen Peru. „Ich verstehe die Sorgen der Fans“, sagte der Bundestrainer nach der Niederlage in Wien. „Ich kann sie absolut nachvollziehen.“

Die Probleme der Mannschaft sind nicht neu, aber auch Nagelsmann hat noch kein Mittel gefunden, um ihnen beizukommen. Im Gegenteil. Sein manchmal etwas verkopfter Ansatz tut dem Team nicht gut.

Nicht von ungefähr hatte die Nationalmannschaft ihren besten Auftritt in diesem Jahr beim Sieg gegen Frankreich unter Interimstrainer Rudi Völler, der nicht nur wegen seines fortgeschrittenen Alters so etwas wie der Anti-Nagelsmann ist: eher alte Schule, aber solide, klar und berechenbar.

Nagelsmann denkt oft zu sehr um die Ecke. Warum einfach, wenn es auch anspruchsvoll geht? Den Defiziten in der Defensive will der Bundestrainer künftig nicht mit mehr Defensive begegnen, sondern mit mehr Offensive – weil ihm nun mal mehr herausragende Offensivkräfte als herausragende Defensivspieler zur Verfügung stünden.

Was sich sogar einigermaßen schlüssig anhört, ist nicht weniger als eine Kampfansage an die Gesetzmäßigkeiten des Fußballs. Denn die Offensive, so heißt es, gewinnt Spiele; Meisterschaften aber gewinnt die Defensive.

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