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Olympische Winterspiele 2010, Skispringen

© AFP

Skispringen: Kontinent des Glücks

Nach dem Doppelsieg in Salt Lake City feiert Simon Ammann ausgelassen sein drittes olympisches Gold auf nordamerikanischem Boden.

Irgendwann in der Mitte des Rennes verzweifelte auch der Stadionsprecher im Whistler Olympic Park. Der Schneeregen vor seinem Fenster wurde immer dichter, die ersten Zuschauer flüchteten von der Vip-Tribüne, als er in sein Mikrofon rief: „Wir versuchen weiter, Sie auf dem Laufenden zu halten, aber wir können nichts mehr sehen.“ Das stimmte nicht ganz, denn das, was er beobachten konnte, war ohnehin das Entscheidende an diesem seltsamen olympischen Biathlon-Sprintrennen der Herren über zehn Kilometer: der Schneeregen.

Wenige Minuten nach dem Start hatte erst starker Regen, dann dichtes Schneetreiben eingesetzt. Nur die ersten zehn Starter konnten bei ansprechenden Bedingungen ins Ziel laufen. „Danach hättest du einen Strich machen können“, sagte Bundestrainer Frank Ullrich. Es siegte Startnummer 6 vor Startnummer 10 vor Startnummer 4. Der Franzose Vincent Jay, der Norweger Emil Helge Svendsen und der Kroate Jakob Fak hatten diese olympischen Glücksnummern am Vorabend zugelost bekommen. „Es war ein unglaubliches Rennen. Ich kann es noch gar nicht fassen“, sagte Sieger Vincent Jay. Er hatte zuvor in seiner gesamten Karriere erst ein Weltcuprennen gewonnen – vor einem Jahr ebenfalls in Whistler.

„Das war eines der verrücktesten Rennen, die ich jemals erlebt habe“, sagte Ullrich gestern, „heute hast du absolutes Losglück gebraucht.“ Das hatte keiner der Deutschen. Michael Greis, dreifacher Olympiasieger von Turin, ging mit der Nummer 31 auf die Strecke – und war chancenlos. „Die erste Runde war noch schnell, dann war ich voll drin im Schneetreiben“, sagte er, „da hat du keine Chance mehr.“ Weil beim zweiten Schießen auch noch das Visier vereist war, kam er auf drei Strafrunden und belegte Platz 21. Bester Deutscher war Christoph Stephan auf Platz 19. Er war mit der Nummer 58 gestartet und musste nur eine Strafrunde absolvieren. Andreas Birnbacher, Startnummer 70, kam ebenfalls nach einem Schießfehler auf Rang 23. Arnd Peiffer, Startnummer 34, belegte nach zwei Strafrunden nur Rang 37. „Im Schneetreiben hat jeder pro Runde 20 bis 30 Sekunden auf der Strecke verloren“, sagte Bundestrainer Frank Ullrich, „Michael Greis und Arnd Peiffer hat es am Heftigsten erwischt.“

Auch der Altmeister Ole Einer Björndalen sah sich dem Schnee hilflos gegenüber, er wurde 17. Allerdings hatte sich der fünffache Olympiasieger aus Norwegen auch vier Schießfehler geleistet. „Das waren meine Fehler“, sagte er, „aber als der Schnee einsetzte, waren die Bedingungen hoffnungslos.“

Eigentlich hatten die Deutschen mit einer Medaille geliebäugelt. Greis fühlte sich gut in Form, Peiffer hatte sich ebenfalls Hoffnungen gemacht. „So habe ich mir mein erstes olympisches Rennen nicht vorgestellt“, sagte der Bundespolizist. Bei jeder Abfahrt fuhr er plötzlich 20 Meter kürzer als vorher, weil die Ski nicht auf den nassen Schnee vorbereitet worden waren. „Du arbeitest und machst, aber du hast keine Chance mehr“, sagte Peiffer, „mein Anzug ist immer enger geworden.“ So durchnässt kamen einige Biathleten ins Ziel, dass sie sich sofort ins Trockene retten mussten. „Ich muss mich umziehen, ich erfriere“, rief der Österreicher Daniel Mesotitsch.

„Es ist schade, dass die äußeren Bedingungen so ein Rennen entscheiden“, sagte Greis. Beim Verfolgungsrennen am Dienstag haben die deutschen Starter bereits einen so großen Rückstand, dass sie keine Chance mehr auf eine Medaille haben dürften. Greis wird 1:48,2 Minuten nach Vincent Jay starten. „Da müssen die Führenden schon grobe Fehler machen, wenn da noch etwas passieren soll“, sagte Greis. Zu diesem Zeitpunkt strahlte die Sonne wieder über den Whistler Olympic Park, als sei nichts geschehen.

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