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Schlagen und stapfen. Zach Johnson (rechts) und Gefolge.

© dpa

US Open im Golf: Zeitreise durchs hohe Gras

Der Kurs im Merion Golf Club ist alt, klein und schwer einschätzbar für die Profis bei den US Open, die am Donnerstag in Pennsylvania beginnen.

Es sind die „Boutique-Open“. Johnny Miller, einst US-Open-Champion im Golf und nun Kommentator für den Fernsehsender NBC, hat diesen Begriff im Vorfeld der diesjährigen US Open geprägt, die am Donnerstag in Pennsylvania beginnen. Klein und charmant ist der East Course des Merion Golf Clubs, auf dem das Turnier ausgetragen wird. Bezaubernd und sehr speziell. Das sind Adjektive, die man üblicherweise niemals auf die US Open anwenden würde. Das zweite Major-Turnier des Jahres hat sich einen Namen gemacht als brutaler Test, als unbarmherzige Prüfung für die Besten der Besten. Superlange Löcher, handtuchschmale Fairways, steinharte Grüns – das sind die klassischen Merkmale von US- Open-Schauplätzen wie Bethpage Black oder Shinnecock Hills.

Es ist eine kleine Ewigkeit her, dass David Graham 1981 zuletzt die US Open in Merion gewann. Seitdem hat die United States Golf Association (USGA) das Turnier nie wieder dorthin vergeben. Irgendwie waren die US Open zu mächtig, zu groß geworden für diesen Platz, der sich auf einem so kleinen Gelände erstreckt, dass man die Zuschauerzahl in dieser Woche auf 25 0000 pro Tag begrenzen muss. Und doch: Dem Charme von Merion konnte sich die USGA nicht entziehen. „Es ist ein architektonischer Schatz“, sagt Direktor Mike Davis. „Aus golferischer Sicht ist es ein Denkmal.“ Viel Geschichte ist hier geschrieben worden. Der Golferlegende Bobby Jones gelang hier 1930 der Grand Slam.

In dieser Woche muss das Denkmal gegen Menschen wie Dustin Johnson bestehen: Ein muskelbepackter Golfer, der den Drive routinemäßig an die 300 Meter drischt. Ein typischer moderner Profi eben, der es gewohnt ist, Par-4-Löcher mit mehr als 450 Meter Länge zu spielen und an jedem Abschlag auf Gedeih und Verderb den Driver zu zücken. Die Golfplatzarchitektur hat sich auf Spieler wie ihn längst eingestellt. Der Platz von Augusta National maß in diesem Jahr bei Par 72 knapp 6900 Meter, bei der British Open in Muirfield wird bei Par 71 über 6331 Meter gespielt. Selbst der Klassiker Oak Hill, Schauplatz der PGA Championship, kommt bei Par 70 auf 6421 Meter. Merions East Course gibt nicht mehr her als 6162 Meter. Boutique eben – klein und nett.

Oder vielleicht doch nicht? Der Platz nämlich hat zwar gerade im Mittelstück eine ganze Reihe kurze Löcher, gilt ansonsten aber als ausgesprochen tückisch. „Es wird ein paar Löcher geben, die von den Spielern missbraucht werden, aber eben auch einige Löcher, an denen der Platz die Spieler missbraucht“, hat Altmeister Jack Nicklaus erklärt. Die Spielbahnen sind im Schnitt nur 20 Meter breit, auf eine erste Rough-Stufe daneben hat man in dieser Woche verzichtet. Wer die Bahn nicht trifft, stochert im dichten, hohen Gras herum. Der Schlag auf die winzigen, stark abhängenden Grüns ist von dort unmöglich.

Die Finesse der Spieler ist damit gefragt, dazu ein wenig Denkarbeit. Kraft muss durchaus eingesetzt werden. Am 18. Loch zum Beispiel, das mit 469 Metern Länge als schwerstes Schlussloch aller US Open gilt. Ansonsten aber sind vor allem Präzision und perfektes Putten gefragt. „Verspielt“ hat der Masters-Sieger Adam Scott nach zwei Proberunden leicht verwirrt auf die Frage geantwortet, wie er den Platz charakterisieren würde. Er sei noch auf der Suche nach den richtigen Routen vom Abschlag. Scott steht dabei in dieser Woche mit seiner Suche nach der richtigen Strategie nicht allein. Kaum einer der Teilnehmer kennt den Platz. „Ich erzähle allen Leuten die ganze Zeit, dass dies mein Lieblingsplatz weltweit ist“, ließ allerdings Titelverteidiger Webb Simpson wissen, der hier 2005 die US-Amateur-Championship bestritt. „Was er vom Spieler verlangt, ist so anders als auf allen Plätzen.“

Die Zeit scheint im Merion Golf Club einfach stillzustehen. Wenn die Mitglieder an den Lunchtischchen neben dem ersten Abschlag Platz nehmen, ist das 21. Jahrhundert irgendwie weit entfernt. Doch so faszinierend das ist, so groß sind die Bedenken, dass der East Course bei schlechtem Wetter zur Farce werden könnte. Sind die Grüns weich, dürften die Ergebnisse extrem gut ausfallen, weil die Profis oftmals nur mit einem kurzen Eisen die Fahne anvisieren. Wird es dagegen heiß und die Grüns sind hart, zeigt Merion seine Zähne. Die Favoriten lassen sich leicht ermitteln, wenn man einen Blick auf die Statistiken wirft, in denen es um gerade Abschläge, Grüntreffer und exzellentes Putten geht. Spieler wie der Schwede Henrik Stenson oder Jim Furyk (USA) zählen dazu. Vielleicht finden aber auch die Deutschen Martin Kaymer und Marcel Siem Geschmack am Boutique-Stil.

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