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Alles voll. Beim Staffelrennen der Männer waren am Freitag 40 000 Zuschauer an der Strecke.

© dpa

Nordische Ski-WM in Falun: Wo die Tribüne wackelt

Bei der Nordischen Ski-WM in Falun interessiert die Schweden nur Langlauf. Der Volkssport ist eine Art Religion in Skandinavien - mit einer besonders schillernden Figur.

Der deutsche Startläufer Jonas Dobler hatte alles genau aus dem elften Stock des Scandic-Hotels beobachtet. Schon drei Stunden vor Beginn des Staffelrennens der Männer bei dieser Nordischen Ski-WM strömten die Menschen am Freitag ins Lugnet-Skistadion von Falun. Sie verteilten sich in der Arena rund um Start und Ziel und an den Anstiegen am legendären „Mördarbacken“. Familien mit kleinen, warm eingepackten Kindern. Mit etwas zu essen und heißen Getränken im Rucksack. Und natürlich mit schwedischen und norwegischen Fahnen.

An manchen Stellen sah man den Wald sprichwörtlich vor lauter Menschen nicht mehr. Mehr als 40 000 Zuschauer waren gekommen zum Höhepunkt dieser Titelkämpfe, selbstverständlich auch Schwedens Monarch Carl XVI. Gustaf und Vertreter der norwegischen Königsfamilie. Als es dann mit einem Schrei aus tausenden Kehlen losging, bekam auch Jonas Dobler eine Gänsehaut ob des einmaligen Erlebnisses. „Das ist mit nichts zu vergleichen, was ich bisher erlebt habe“, sagte der 23-Jährige. „Es ist irre, wie der Kessel tobt. Da wackelt die Tribüne.“

Wichtiger als Fußball

Skilanglauf ist Volkssport und eine Art Religion in Skandinavien. Wichtiger noch als die schwedischen Fußballer um Zlatan Ibrahimovic. Die besten Athleten sind Stars und Millionäre: Johann Olsen in Schweden, Petter Northug in Norwegen. Deshalb werden am Ende weit mehr als 200 000 Besucher live bei diesen Titelkämpfen zugeschaut haben. Auch die Einschaltquoten im Fernsehen sind so hoch wie hierzulande bei der Fußball-WM. Von der begeisterten Stimmung ließ sich auch Dobler mitreißen. Trotz seiner starken Startrunde war die deutsche Staffel mit den weiteren Läufern Thomas Bing, Florian Notz und Tim Tscharnke am Ende als Siebter jedoch einmal mehr chancenlos. Und somit werden die deutschen Langläufer die Heimreise ohne Medaille antreten müssen.

Dafür bekamen die schwedischen und norwegischen Fans in diesem Staffelrennen genau das geboten, was sie sich erhofft hatten: Einen erbitterten Zweikampf zwischen den beiden Erzrivalen über 4x10 Kilometer. Als der schwedische Startläufer Daniel Richardsson nach seiner Runde mit 20 Sekunden Rückstand ins Stadion einbog, wurde es plötzlich ganz ruhig in der riesigen Arena. Bei der anschließenden Aufholjagd von Weltmeister Olsson wurde dann jede aufgeholte Sekunde mit einem Jubelschrei gefeiert, der bis ins zwei Kilometer entfernte Stadtzentrum von Falun zu hören gewesen sein muss.

Northug, Schwedens schillernde Figur

Am Ende gab es einen packenden Schlussspurt der beiden Hauptdarsteller, in dem Petter Northug Norwegen den achten WM-Staffeltitel nacheinander bescherte. Damit steht es im Skilanglauf-Goldduell der beiden Nationen bei dieser WM nunmehr 7:2 für Norwegen. Seine Landsleute werden dem nunmehr zwölfmaligen Rekord-Weltmeister mit Blick auf diese Bilanz ganz sicher auch seine Sünden leichter verzeihen. Eigentlich hätte die schillerndste Figur des Skilanglaufs bei der WM nämlich fehlen sollen. Northug sollte genau zu dieser Zeit eine 50-tägige Haftstrafe absitzen. Dazu hatte ihn ein Gericht in Trondheim verurteilt – neben einer Geldstrafe von 22 500 Euro. Der 29-Jährige hatte in einer Nacht im Mai 2014 getrunken und gefeiert und sich danach trotzdem ans Steuer seines Autos gesetzt. Mit 1,65 Promille Alkohol im Blut raste er in die Leitplanken und beschuldigte seinen verletzten Kumpel auf dem Beifahrersitz gefahren zu sein.

Seine Strafe muss er nun nach der WM antreten. Beim Hausarrest in Trondheim wohl mit einer elektronischen Fußfessel. Zuvor durfte er sich aber auf dem Marktplatz von Falun noch seine dritte Goldmedaille bei dieser Weltmeisterschaft abholen. Am Freitagabend wurde dort auch der deutsche Skisprung-Weltmeister Severin Freund geehrt. Das Interesse an den Springern und der Nordischen Kombination ist in Schweden allerdings gleich null. In vielen Zeitungen gibt es deshalb auch eine WM-Medaillenwertung, in der nur der Skilanglauf auftaucht.

Lars Becker

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