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Geschichte im Gras. Jordan Spieth beim Training in St. Andrews.

© dpa/Penny

British Open im Golf: Wo jeder Bunker Geschichte atmet

In St. Andrews beginnen die British Open – nirgendwo anders findet Golf eine so prägnante Kulisse wie in der schottischen Kleinstadt.

Im Home of Golf herrscht Ruhe vor dem Sturm. Am Dienstag morgen um 7 Uhr kommt in dem kleinen Universitätsstädtchen St. Andrews an der schottischen Ostküste der klassische British-Open-Rummel allmählich in Gang. Hundertschaften von Fans ziehen von ihren Bed-and-Breakfast-Quartieren, aus den gemieteten Studentenbuden oder gar vom Campingplatz um die Ecke zum ersten Tee des Old Course, auf dem am Donnerstag das dritte Major-Turnier des Jahres beginnt.

Jetzt, zu Tagesbeginn, lässt sich die spezielle Atmosphäre am besten erfahren. Rechter Hand des ersten Abschlags kreischen die Möwen am Strand und die Wellen klatschen auf den Sand. Linker Hand sitzt im düsteren Grau die mittelalterliche Kulisse der Stadt. Uralte Häuser, scheinbar nie renoviert, ziehen sich nur eine kleine Straßenbreite entfernt das 18. Fairway entlang. Im Hintergrund des ersten Abschlags sitzt das Clubhaus des Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews, der die British Open organisiert. Wie eine Trutzburg wirkt es, und so ist die kleine Gänsehaut, die Zuschauer wie Spieler an diesem Ort erfasst, unvermeidlich.

Eine British Open in St. Andrews, wie sie am Donnerstag beginnt, ist speziell. Jede Ecke der Stadt und des Platzes verströmen Historie. Mit jedem Bunker, jedem Grün sind zig Geschichten von Debakeln oder Erfolgen verbunden. Der Old Course ist der Platz der vielsagenden Titel und Namen. Valley of Sin heißt die riesige Einbuchtung vor dem 18 Grün, die so oft eine Attacke aufs Grün zu Ende bringt. „Hell“– die Hölle ist ein teuflischer Bunker an Bahn 14, in dem der 18-malige Major-Sieger Jack Nicklaus bei seinen letzten British Open mit seinem Ball landete, erst nach vier Schlägen herausfand und am Ende zehn Schläge für das Loch notierte.

Tiger Woods hat sich vor seinem ersten Sieg in St. Andrews im Jahr 2000 die Mühe gemacht, alle alten British-Open-Videos auf dem Old Course zu studieren. Der Platz mit seinen sieben Doppelgrüns und ineinander fließenden Bahnen ist ein Kurs für Kreative, die sich einen Pfad suchen durch dieses Dickicht von Bunkern und Büschen , um am Ende in eine Art Amphitheater einzutauchen, welches die Schlussstrecke der British Open so einzigartig macht. 10 000 Sitze umfassen die Tribüne rund um die 18. Bahn, auf der die Fans den Sieger am Sonntag mit stehenden Ovationen empfangen.

Jordan Spieth ist klarer Favorit

Es ist noch ein weiter Weg dahin. Jordan Spieth, der nach dem Bänderriss des Titelverteidigers Rory McIlroy als haushoher Favorit beim dritten Major des Jahres gehandelt wird, muss erst noch warmwerden mit diesem Schauplatz und seinen Traditionen. Er hat den Old Course zu Hause im Keller auf seinem Golfsimulator gespielt – ohne Tribünen, ohne Wind, ohne den Regen. Während zahlreiche Konkurrenten bereits am Wochenende in St. Andrews eintrafen, um zu trainieren, hat er die John Deere Classic in Texas gewonnen, seinen vierten Saisonsieg erzielt. Entsprechend groß ist sein Selbstvertrauen. „Gefühl reist mit“, kommentierte Tiger Woods die Frage, ob Spieth seine Chancen auf den dritten Major-Titel in einem Jahr nicht durch die späte Anreise, den Jetlag und die fehlende Spielpraxis minimiere.

Im Falle des jungen Texaners aber, so scheint es, gelten ohnehin andere Regeln. Er hat die US Masters im April in Augusta National souverän gewonnen, sich anschließend bei der US Open in Chambers Bay auf einem ihm neuen Platz in einem Kraftakt durchgesetzt. Er ist flexibel, anpassungsfähig. In St. Andrews könnte er nach Ben Hogan zum zweiten Spieler werden, dem der Sieg bei den ersten drei Major-Turnieren in einer Saison gelingt. Selbst der Grand Slam, der Sieg bei allen vier Majors, ist noch möglich.

Spieths Übungsrunde am Montag vor einer fast leeren Tribüne hat ihm nur eine leichte Ahnung davon vermittelt, wie elektrisierend die Atmosphäre hier während des Finalsonntags sein wird. Eines aber wird auch dem 21-Jährigen schon bei seinem ersten Versuch auf diesem Platz aus dem 14. Jahrhundert klar: Die Kulisse der Stadt, die Zuschauer und das gewichtige Clubhaus wirken auch gewaltig. St. Andrews ist mystisch. Hier sind die British Open wirklich zu Hause.

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