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Paralympics sucht Frau. Das Starterfeld in Peking ist männerlastig.

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Athletinnen-Mangel in Peking: Wo sind die Frauen bei den Winter-Paralympics?

Team Deutschland reist mit acht Frauen und neun Männern zu den Paralympics. Ähnlich ausgeglichene Geschlechterverhältnisse sucht man dort aber vergebens.

Von
  • Mona Alker
  • Elena Deutscher

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook. Dieser Text erschien zu unserem Weltfrauentag Spezial.

Para-Ski-Alpin-Athletin Anna-Lena Forster ist das Gesicht von Team Deutschland bei diesen Winter-Paralympics und sie liefert: zweimal Silber und dann Gold in der Super-Kombination. Einen Tag später: Überraschungsgold für Para-Ski-Nordisch-Athletin Leonie Walter. An Ausnahmesportlerinnen mangelt es den Deutschen in Peking nicht und ohne die verletzungsbedingte Absage von Para-Biathletin Clara Klug wären für Deutschland sogar gleich viele Frauen wie Männer angetreten. Ein Verhältnis, das sich im internationalen Startfeld dieser Paralympics vergeblich suchen lässt. 

Nach dem Ausschluss von Russland und Belarus treten aus 46 Nationen rund 560 Sportlerinnen und Sportler an – davon sind laut IPC gerade einmal 138 Frauen. Eine „Rekordzahl“ titelt das Internationale Paralympische Komitee, denn es sind so viele wie noch nie. Oder anders ausgedrückt: Fünf mehr als 2018 bei den vergangenen Winterspielen in Pyeongchang. 

Also wo sind sie – oder wo sind sie nicht – die Athletinnen im Winter-Para-Sport? 

Sowohl bei Olympischen als auch bei Paralympischen Spielen im Sommer gab es bisher stets mehr teilnehmende Männer als Frauen. Doch in den letzten Jahren näherten sich die Prozentzahlen zunehmend an: Bei den letzten Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 und Tokio 2021 war knapp die Hälfte aller Teilnehmenden weiblich. Die Frauenquote lag dort bei 45 und 48 Prozent. In einem ähnlichen Bereich bewegten sich die Sommer-Paralympics: Dort lagen die Frauenquoten in denselben Jahren bei 39 und 42 Prozent.  

Weit dahinter liegen die Winter-Paralympics. Während die Frauenquote bei Olympischen Winterspielen ähnlich hoch ist wie im Sommer, liegt sie bei den Para-Winterspielen gerade einmal bei ungefähr 24 Prozent. 2018 in Pyeongchang bei etwas mehr als 23 Prozent.

Männerdomäne Para Eishockey

Einen nicht unerheblichen Anteil an der niedrigeren Frauenquote hat das Para-Eishockey. Eigentlich können dort in den Nationalmannschaften Männer und Frauen gemeinsam in einem Team antreten, doch bei den aktuellen Spielen gibt es in sieben Mannschaften mit der Chinesin Yu Jing gerade einmal eine Frau – bei fast 120 Männer. Auch im deutschen Nationalteam, das die Qualifikation für Peking knapp verpasste, ist keine Frau vertreten. „Das gab es hier bisher auch noch nie“, sagt Andreas Pokorny, Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft. Gleichwohl hofft er darauf, mehr Frauen – und auch Männer – für den Sport begeistern zu können. „Wir brauchen mehr Nachwuchs. Wir würden uns natürlich freuen, wenn wir auch Frauen im Team hätten“, sagt er. Es müsse mehr Vereine geben, wo junge Spieler und Spielerinnen die Möglichkeit hätten, den Sport mal auszuprobieren. Ein Verein, der diese Möglichkeit bietet, ist der Para-Eishockey Club Berlin.  

Die Chinesin Yu Jing (2.v.l.) ist bei fast 120 Männern die einzige Frau im Para-Eishockeyturnier von Peking.
Die Chinesin Yu Jing (2.v.l.) ist bei fast 120 Männern die einzige Frau im Para-Eishockeyturnier von Peking.

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Gregor Kemper, Leiter Internationales der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), hat die sogenannte „Eiszeit“ für Menschen mit Behinderung initiiert. „Also, wenn ich das richtig überblicke, dann haben wir insgesamt zwölf aktive Spieler, davon sind drei Frauen. Wir spielen in einer Spielgemeinschaft mit Freiburg in der Deutschen Para-Eishockey Liga, die haben auch noch zwei Frauen. Also kommen wir insgesamt auf fünf Frauen“, erzählt Kemper. Damit sind sie überhaupt die einzige Mannschaft, die in der Bundesliga ein Team mit Frauen aufstellt. „Wie das Fußgänger-Eishockey, wird die Sportart immer noch als Männersportart gesehen, auch das bezahlte Eishockey ist deutlich von Männern dominiert. Ich kann jetzt nur für Berlin sprechen, aber gerade im Para-Eishockey mit dem Schlitten macht es kaum einen Unterschied, ob Mann oder Frau“, erklärt Kemper. Wie genau mehr Frauen für den Sport begeistert werden könnten, wisse er aber nicht. „Wir werben für Frauen und Männer gleichermaßen.“

Und obgleich es für Kemper auf nationaler Ebene keinen Unterschied in der Leistung der Männer und Frauen gibt, stellt er sich die Umsetzung auf internationalem Niveau schwierig vor, da Frauen aufgrund der Physis schwer das Niveau der Männer erreichen könnten und so weniger Zeit auf dem Eis bekommen würden. Ein Lösungsansatz könnte eine Quote sein, meint Kemper: „Man könnte sagen, pro Team müssen x Frauen mitspielen oder diese Plätze bleiben leer. Aber auch das garantiert noch kein angemessenes Verhältnis von Eiszeiten.“  

„Mädchen brauchen Vorbilder“

Eine Frau in der Männersport-Domäne Para-Eishockey ist in Berlin Anja Schneider. Die Sozialpädagogin findet die Idee einer Quote gut: „Mädchen brauchen Frauen im Sport als Vorbilder.“ Bevor sie zum Para-Eishockey kam, spielte sie Rugby und Feldhockey. „In den Freizeitteams beim Feldhockey war auch vorgeschrieben, dass es mindestens zwei Frauen im Team geben muss. Dann können die Männer nicht ihr eigenes Ding durchziehen, sondern die Frauen müssen mit einbezogen werden“, sagt Schneider. Dadurch, dass sie in Berlin in einem gemischten Team spielt, nimmt sie das Para-Eishockey nicht als Männerdomäne wahr. „Ich liebe einfach die Geschwindigkeit und die Eisluft um die Nase“, begründet sie die Wahl ihres Hobbys.  

Das Phänomen der männerlastigen Quote bei den Winter-Paralympics kann aber nicht allein dem Para-Eishockey zugeschoben werden. Rechnet man die Athleten aus der Teilnehmeranzahl beispielsweise im Jahr 2022 raus, treten immer noch doppelt so viele Männer wie Frauen bei den Spielen in Peking an. So sind auch die Startlisten im Para-Ski-Alpin und Ski Nordisch bei den Männern deutlich länger als bei den Frauen.  

Auch beim Rollstuhlbasketball gemischte Teams

Mareike Miller ist Aktivensprecherin des Deutschen Behindertensportverbands und setzt sich für die Belange der Athletinnen und Athleten ein. Sie findet, dass man an dieser Stelle keinen Unterschied zwischen olympischem und paralympischem Sport machen kann. „Der Leistungssport ist bisher noch männerdominiert“, erklärt Miller. Sie selbst spielt Rollstuhlbasketball, auch dort wird in gemischten Teams gespielt: „Da ist es für Frauen nicht so leicht, sich durchzusetzen.“ Miller ist der Auffassung, dass generell mehr Menschen mit Behinderung an den Sport herangeführt werden müssen.

Mareike Miller ist der Auffassung, dass generell mehr Menschen mit Behinderung an den Sport herangeführt werden müssen.
Mareike Miller ist der Auffassung, dass generell mehr Menschen mit Behinderung an den Sport herangeführt werden müssen.

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Für Mädchen könnte gerade der Einstieg in den Sport schwierig sein: „Ich habe in der dritten Liga selbst in einer bunt gemischten Mannschaft gespielt. Da gab es junge Sporttalente, aber auch ehemalige Leistungssportler, die dass dann noch mit 40 oder 50 Jahren als Hobby gemacht haben. Das ist ein ganz anderes Ambiente, als wenn man in einer reinen Mädchenmannschaft trainiert“, sagt Miller.

Warum es allerdings besonders bei den Winter-Paralympics an Frauen fehlt, kann die Aktivensprecherin nur mutmaßen: „Im Wintersport ist es noch schwieriger, Talente zu finden, weil es viel Equipment, viel Struktur und Mobilität benötigt, um überhaupt Sport in den Bergen betreiben zu können.“ Das betrifft jedoch Frauen und Männer gleichermaßen.  

Israel und Lichtenstein haben die Nase vorne

Die bescheidene Frauenquote bei den Winter-Paralympics scheint also nicht allein mit der Verteilung in den verschiedenen Sportarten zu begründen sein. Allerdings kann auch nicht wirklich ein Land ausgemacht werden, dass für die schlechte Quote verantwortlich ist. Viele der Nationen, die mehr als zehn Teilnehmende nach Peking schicken, entsenden Männer und Frauen in einem 70:30-Verhältnis. Besonders schlecht schneiden Südkorea mit 30 Männern und zwei Frauen und Tschechien mit 21 Männern und – keiner Frau ab.  

Die einzigen Länder der 46 Nationen, die mit mehr Frauen als Männer zu den Paralympics nach Peking geschickt haben, sind Israel und Lichtenstein. Die treten nämlich jeweils nur mit einer Sportlerin an. 

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