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Studium: Zwei von drei Studienanfängern verlassen das Land

Die jungen Abwanderer gelten als kreativer, dynamischer und risikofreudiger. Viele Brandenburger Abiturienten gehen statt zur Uni in die Berufsausbildung.

In Brandenburg nehmen im bundesdeutschen Vergleich zu wenige junge Menschen nach dem Abitur ein Studium auf. Das geht aus einer neuen Studie des Hochschulinformationssystems (HIS) zur „Studierbereitschaft in Brandenburg“ hervor, die Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) jetzt dem Kabinett vorgestellt hat. Danach entscheiden sich bislang nur 65 Prozent der Brandenburger Abiturienten für ein Studium – bundesweit sind es 71 Prozent, in Bayern oder Baden-Württemberg sogar fast 80 Prozent. Damit ließen zu viele Abiturienten nicht nur wichtige persönliche Lebenschancen aus, sagt Wanka, „es ist auch für das Land wegen des bevorstehenden Fachkräftemangels problematisch“.

Auffällig im Vergleich zu anderen Ländern ist nach der Studie, dass besonders zu wenige junge Frauen nach dem Abitur studieren – und zu wenige Absolventen von Oberstufenzentren ein Studium aufnehmen. Außerdem gebe es eklatante Informationsdefizite über Studienmöglichkeiten und die Berufsaussichten für Akademiker. Hier will Wanka unter anderem mit einer Werbekampagne und Studienberatern an jedem Oberstufenzentrum zuerst ansetzen.

In der 140-Seiten-Studie wurde mit Hilfe aufwendiger Befragungen versucht, die komplexen Ursachen für die geringe Studierneigung in Brandenburg auszumachen. Einer der Gründe liege dabei vor allem auch in der Mentalität. Zwar machen in Brandenburg mit 40 Prozent der Jugendlichen eines Jahrganges ungefähr so viele Jugendliche das Abitur wie im deutschen Durchschnitt. Doch danach ziehen viele Abiturienten – insbesondere Frauen – eine Berufsausbildung einem Studium vor. Und zwar deutlich häufiger als im Bundesdurchschnitt aus finanziellen Motiven: „aus dem Wunsch oder der Erfordernis, bald eigenes Geld zu verdienen“ oder wegen „einer niedrigeren Bereitschaft“, einen Bafög-Kredit aufzunehmen. Für jeden fünften Brandenburger Gymnasiasten ist laut der Studie sogar schon vor dem Abitur klar, nie zu studieren.

Aber auch die Attraktivität der Brandenburger Hochschulen lässt offenbar zu wünschen übrig. Denn mehr als zwei Drittel derjenigen Brandenburger, die nach dem Abitur ein Studium aufnehmen, tun dies außerhalb des Landes – so viel wie nirgendwo sonst in Deutschland. Und auch nur ein Drittel der „Abwanderer“ geht an Berliner Hochschulen, bleibt also wenigstens in der Region.

Zwischen den „Abwanderern“ und den „Sesshaften“ gibt es nach der Studie zudem auffällige Unterschiede. Wer in Brandenburg studiere, setze stärker auf eine „sichere berufliche Perspektive“ und „gute Verdienstchancen“, aber auch auf überschaubare Verhältnisse, auf die Nähe zum Heimatort.

Wer anderswo hingehe, stelle eher die eigene Persönlichkeitsentfaltung, soziales Engagement und bestimmte Berufswünsche in den Vordergrund. Dieser Typus, so die Studie, zeichne sich gegenüber den Sesshaften dadurch aus, „dass sie neben ihren dezidiert verfolgten beruflichen Interessen stärker zu sozialen Veränderungen beitragen wollen und mit ihrer Studienwahl wissenschaftliche Interessen verbinden“. Für ihre Hochschulwahl legen die „Abwanderer“ außerdem stärker Wert auf den Ruf der Hochschule. Im Klartext: Es sind tendenziell die kreativeren, dynamischeren und risikofreudigeren Abiturienten, die woanders studieren.

„Diese Abwanderung ist landespolitisch von Bedeutung“, heißt es dazu zwar in der Studie. Doch bislang, da sind sich Politiker von PDS und Grünen bis in die Reihen der Regierungsparteien SPD und CDU einig, hat die Landesregierung kein tragfähiges Konzept dagegen.

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