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Brandenburg: Thälmann bleibt

Die Gedenkstätte des letzten Treffens der KPD-Führung im Jahr 1933 in Ziegenhals darf von ihrem Käufer nicht abgerissen werden

Ziegenhals. Ein Schild weist noch den Weg von der Hauptstraße zur „Ernst-Thälmann-Gedenkstätte“. Tatsächlich steht wenige Meter entfernt eine Büste des Kommunistenführers. Doch ein Zaun versperrt den Zutritt, und auch die Tür zum nahe gelegenen ehemaligen Sporthaus Ziegenhals unweit der südöstlichen Berliner Stadtgrenze ist nicht zu öffnen. Schon seit Januar 1998, so besagt es ein Zettel hinter einer Scheibe, hat die Gaststätte geschlossen. Seither können auch die Ausstellungsräume, die an Thälmann und andere führende KPD- und spätere SED-Mitglieder erinnern, nicht mehr betreten werden. Mehrmals machte das Gerücht vom bevorstehenden Abriss der Ziegenhalser Anlage die Runde: Der private Eigentümer des Grundstücks am Zeuthener See will hier einige Wohnhäuser errichten. Doch die Denkmalschützer machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie stimmen dem Antrag auf Beseitigung des Sporthauses nicht zu – vorerst jedenfalls.

Schon seit 1978 stehen zwei Räume in dem Sporthaus, die Thälmann-Büste und das hinter dem Gebäude in einem offenen Schuppen stehende Boot „Charlotte“ unter Denkmalschutz. Auf den Stühlen und an den Tischen in den beiden Zimmern saßen am 7. Februar 1933 die Mitglieder des Zentralkomitees der KPD auf ihrer letzten Tagung zusammen. Zu ihnen gehörten außer Thälmann auch Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck, was die große Bedeutung der Gedenkstätte in DDR-Zeiten zu einem Teil erklärt.

Die Beratung wenige Tage nach dem Machtantritt der Nazis fand unter größter Geheimhaltung statt. Viele Funktionäre waren aus Furcht vor einer Verhaftung schon untergetaucht. So trafen sich die 40 Teilnehmer der Tagung zunächst an verschiedenen Orten in Berlin, um von dort zur Sternwarte in Treptow geschickt zu werden. Hier warteten zwei Busse, die die als Ausflugsgesellschaft getarnte Führungsspitze nach Ziegenhals brachten. Der Wirt des Sporthauses war ein zuverlässiges Parteimitglied. Thälmann rief in seiner Rede zur „antifaschistischen Einheitsfront“ aus Kommunisten und Sozialdemokraten auf, um die Hitlerregierung zu stürzen. Für den Rückweg nach Berlin nahmen einige Teilnehmer auch das Boot „Charlotte“. Thälmann selbst wurde in einem Auto in sein illegales Quartier gefahren. Kurze Zeit darauf entging er dennoch nicht der Verhaftung. Im August 1944 erschoss ihn die SS im KZ Buchenwald.

Für die DDR-Führung war Ziegenhals ein wichtiger Propaganda-Ort. 1953 wurde im alten Sporthaus die erste Gedenkstätte eingerichtet, die Staatspräsident Wilhelm Pieck eröffnete. Doch das Haus war baufällig, so dass bis 1958 in freiwilligen Arbeitseinsätzen, mit Spenden aus der Bevölkerung und durch den Einsatz von NVA-Soldaten der heute noch bestehende Ersatzbau entstand. Fortan trafen sich hier Pioniere, Jugendliche, Brigaden, Parteigruppen und Soldaten zu Feierstunden und Gelöbnissen. Vor allem an Sommerwochenenden war die schön gelegene Gaststätte auch ein beliebtes Ausflugsziel.

Nach der Wende begann die Zeit der Ungewissheit. Wegen ausbleibender Besucher musste die Gaststätte schließen, die Ausstellung mit den Relikten, Fahnen und Bildern war nur noch nach Anmeldung beim Freundeskreis der Gedenkstätte zu besichtigen. Dem fehlte trotz vieler Spenden bald das Geld für die Betriebskosten. Die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft (TLG) versuchte das Haus mit dem 4650 Quadratmeter großen Grundstück mehrfach zu verkaufen. Doch alle Interessenten schreckten vor dem Denkmalschutz zurück. Im November 2002 schließlich versteigerte die TLG Immobilien das Anwesen. Ein Referatsleiter aus dem Potsdamer Bauministerium, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, erhielt den Zuschlag. Er stellte beim zuständigen Landkreis Dahme-Spree Anträge auf Streichung aus der Denkmalliste und Abriss des Gebäudes. „Das ist ein kapitalistischer Willkürakt“, empörte sich der Chef des Freundeskreises, Heinz Schmidt, und organisierte eine Protestkundgebung mit mehreren hundert Teilnehmern vor dem Haus.

Der Kreis suchte sich danach Rat beim Landeskonservator, der mit anderen Fachleuten die Ausstellung begutachtete. „Sie darf nicht unkommentiert bleiben“, urteilte Professor Detlef Karg, oberster Denkmalpfleger des Landes. Denn nur die Kommunisten würden hier als Gegner der Nazi-Diktatur dargestellt. Zugleich aber zeige die Ausstellung „den Umgang der DDR mit Thälmann und dem Antifaschismus so authentisch wie sonst kaum an einem anderen Ort“. Daher meint auch Vize-Landrat Stephan Loge: „So ein echtes Relikt aus der alten Zeit müsste erhalten bleiben. Es kann vielen die Augen öffnen, gerade uns Ostdeutschen.“

Und so bleiben das Sporthaus, der Ehrenhain, die Büste und das Boot „Charlotte“ vorerst unter Denkmalschutz. Doch möglicherweise wird ein Gericht das letzte Wort sprechen müssen: Der Grundstückseigentümer hat beim Landkreis bereits eine Klage gegen den Denkmalschutz angekündigt.

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