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Wer koordiniert, hat Einfluss - auch im Bundesrat.

© Robert Schlesinger / dpa

Bundesrat: Olaf Scholz sammelt Aufgaben

Die Bundesratsarbeit der SPD-Länder koordiniert neuerdings Hamburg - und nicht mehr Nordrhein-Westfalen. Die Geschichte einer kleinen Entmachtung.

Neuerdings ist nicht mehr Nordrhein-Westfalen zuständig für die Koordinierung der Bundesratsarbeit der SPD-Länder. Sondern Hamburg. Auf der sogenannten A-Seite erledigt jetzt der Bevollmächtigte der Hansestadt, Wolfgang Schmidt, den Kärrnerjob, der zwar vor allem viel Detailarbeit bedeutet. Aber eben auch mehr Einblick und mehr Einfluss. Ein wenig verwunderlich ist es da schon, dass ausgerechnet Hannelore Kraft darauf verzichtet hat. Denn sie tat alles, um nach ihrem Amtsantritt als Ministerpräsidentin auch die SPD-Bundesratskoordinierung an sich zu ziehen. Da kam Krafts Machtbewusstsein zusammen mit der in Düsseldorf stets herrschenden Meinung, NRW müsse als bevölkerungsreichstes Land im Länderkreis die Nase mit vorn haben. Und sei es nur im SPD-Kreis. Deswegen wurde aus der Beck-Runde die Kraft-Runde – Rheinland-Pfalz gab vor Jahren die Leitung des großen SPD-Palavers an den Donnerstagabenden vor den Bundesratssitzungen an NRW ab. Krafts Bundesratsministerin Angelica Schwall- Düren agierte bald als Chefbevollmächtigte der A-Seite.

Krafts neue Aufstellung

Unlängst aber hat Kraft ihr Kabinett umgebildet und dabei auch die Zuständigkeiten für das Bundesratsgeschäft verändert. Schwall- Düren ging in Ruhestand, Staatskanzleichef Franz-Josef Lersch-Mense wurde zum neuen Bundesratsminister bestellt. Offenbar will Kraft damit ihre Regierungszentrale schlagkräftiger machen – NRW wählt 2017. Das etwas zeitraubende Detailgeschäft der Bevollmächtigten passt nicht dazu. Weshalb diese Aufgabe nun Volker Meier übernahm, der auch Leiter der Landesvertretung ist.

Meier aber ist „nur“ Beamter, andere SPD-Länder dagegen haben Minister und Staatssekretäre im Ständigen Beirat. So stellte sich erstens die Rangfrage, die ja auch Sozialdemokraten nicht fremd ist. Zweitens kam die Frage der Anciennität auf, das Prinzip also, dass der Dienstälteste den Vorrang hat. Und drittens gab es wohl im Kreis der A-Länder das Gefühl, die Düsseldorfer müssten mal ein bisschen gebremst werden. Ausdruck dessen ist der Satz: „NRW koordiniert nicht, NRW führt.“ Das Geführtwerden ist jedoch auch Sozialdemokraten gelegentlich lästig. So scheint Krafts Schritt anderen im A-Kreis gerade recht gekommen zu sein, um eine kleine Entmachtung zu inszenieren. Wobei aus NRW darauf verwiesen wird, dass das SPD-Palaver ja weiterhin bei ihnen in der Landesvertretung unter Krafts Leitung abgehalten wird.

Ein enger Vertrauter

Doch steckt aus anderer Warte vielleicht noch etwas mehr hinter dem Koordinierungswechsel. Wolfgang Schmidt ist ein enger Vertrauter von Olaf Scholz, und zwar seit Jahren. Wo Scholz war und ist, da war und ist auch Schmidt. Und umgekehrt. Schmidt war Büroleiter des SPD- Generalsekretärs Scholz, Büroleiter des Parlamentarischen Geschäftsführers Scholz, Büroleiter des Bundesarbeitsministers Scholz. Und der Bürgermeister Scholz machte Schmidt zum Staatsrat in der Senatskanzlei und zu seinem Mann für den Bundesrat. Das war 2011, weshalb Schmidt jetzt dienstältester SPD-Bevollmächtigter ist. Wie passend.

Denn Scholz gilt als einer, der mit Arbeitsaufträgen Machtansprüche verbindet. In der SPD nennen sie ihn schon mal den „Verfahrensgroßmeister“. Scholz hat da zuletzt einiges angesammelt. In den Gesprächen über die Bund-Länder-Finanzen schwang er sich zum Länder-Koordinator auf, zu einer Art Hauptverhandler, der in enger Übereinkunft mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) agierte. Neuerdings ist er der von der Länderseite bestimmte Vorsitzende des Vermittlungsausschusses. Ein Posten nicht ohne Einfluss, auch wenn der Ausschuss derzeit eher ins Abseits gestellt ist, weil die große Koalition ihre Differenzen mit den Ländern anders regelt. Da passt die A-Koordinierung, wenn auch nur im Maschinenraum, doch ins Bild. Wer also meint, Scholz habe noch etwas vor in seinem Leben, hat jetzt ein Puzzleteilchen mehr.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 10. November 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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