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Brandenburg: Alteigentümer müssen auf weiteres Geld warten

Vorerst kann sich Strausberg eine höhere Entschädigung im Fall „London“ ersparen: Bundesgerichtshof verweist Streit zurück an Oberlandesgericht

Strausberg. Freitag nach eins macht nicht jeder seins: Der Strausberger Bürgermeister Hans Peter Thierfeld (parteilos) war extra nach Karlsruhe gereist, um den Urteilsspruch der Bundesrichter im Fall „London“ live zu hören. Um kurz nach 14 Uhr konnte Thierfeld aufatmen: Der Bundesgerichtshof (BGH) verwies die Sache zurück ans Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG). Die finanzklamme 26 000-Einwohner-Stadt Strausberg muss – vorerst jedenfalls – keinen weiteren Schadenersatz an zwei geprellte Alteigentümerinnen zahlen. „Das Gericht hat eine große Last von den Schultern der Einwohner genommen – und von meinen“, sagte Thierfeld nach der Entscheidung.

Der Fall London gilt als besonders dicker Brocken im Strausberger Immobilienskandal: 1991 hatte die Stadt das ehemalige Kaufhaus in bester City-Lage zum Spottpreis von 396 000 Mark an eine Berliner Investorengesellschaft verkauft. Dabei überging die Verwaltung die bereits angemeldeten Ansprüche der Alteigentümerinnen. Und die Investoren investierten nicht wie vereinbart, sondern verkauften die Immobilie bald wieder – mit etwa einer Million Mark Gewinn. Die hochbetagten Erbinnen des einstigen Eigentümers zogen vor Gericht.

Louis London hatte sein Geschäft unter den Nazis zwangsweise verkaufen müssen, bevor er 1939 in die USA flüchten konnte. Zu DDR-Zeiten galt das Haus als Volkseigentum; von dem Verkauf nach der Wende waren Londons Erbinnen zunächst gar nicht informiert worden. Erst später erstattete die Stadt ihnen die 396 000 Mark, die sie selbst dafür bekommen hatte. 1996 allerdings, nach einigen Instandsetzungsarbeiten, war das Gebäude schon 1,2 Millionen Euro wert.

Sowohl das Landgericht Frankfurt (Oder) als auch das Brandenburgische Oberlandesgericht sprach den Erbinnen diese 1,2 Millionen Euro zu. Der Richter der zweiten Instanz warf der Stadtverwaltung gar „mehrfache schuldhafte und rechtswidrige Amtspflichtverletzungen vor“, weil sie ihre Fehler über Jahre nicht korrigiert hatte. Doch die Strausberger Stadtverordneten fochten auch dieses Urteil an. Vor allem wollten sie die Entschädigungssumme drücken, hieß es aus der Verwaltung.

Christoph Partsch, Anwalt der Klägerinnen, hat eine andere Vermutung: Er sagt, die Stadt wolle vor allem Zeit schinden: „Denn meine Mandantinnen sind mittlerweile 84 Jahre alt und haben 13 Jahre Prozesse hinter sich.“ Partsch hat schon in drei Fällen Schadensersatz für geprellte Strausberger Alteigentümer erstritten. In einer anderen Sache wurde ein Vergleich geschlossen. Beim Fall London müsse man nach der Entscheidung des BGH „davon ausgehen, dass das jetzt noch mal zwei Jahre dauern wird“.

Bürgermeister Thierfeld hat zumindest Zeit gewonnen, um mit den Hinterlassenschaften seiner Vorgänger fertig zu werden. „Dass Fehler gemacht wurden, steht ja außer Frage“, sagt er. Anwalt Partsch ist zwar enttäuscht, aber er erwartet, dass das Oberlandesgericht bei der Neuverhandlung den Erbinnen eine Entschädigungssumme zwischen 100 000 Euro und den bisher aktuellen 1,2 Millionen Euro zusprechen wird – falls sie dann noch leben.

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