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Autodiebstähle: Autoklau auf Bestellung

Gestohlene Wagen werden in polnischen Werkstätten zerlegt und nach Osteuropa gebracht. In Berlin werden aber auch gezielt Luxusmarken wie BMW oder Bentley gestohlen, um sie nach vorheriger Bestellung vor allem im Baltikum abzusetzen.

Keine vier Stunden brauchen professionelle Autodiebe in Polen für die Zerlegung eines hochwertigen Fahrzeuges in seine Einzelteile. In dieser Zeit haben die meisten Eigentümer in Berlin oder Brandenburg den Verlust ihres Wagens noch gar nicht bemerkt, sodass die Polizei kaum noch etwas unternehmen kann. In Windeseile verschwinden die Teile dann in Richtung Litauen, Ukraine, Weißrussland und andere Länder Osteuropas, wo sie dann nicht selten wieder zusammengebaut werden. Autos der Luxusmarken wie BMW oder Bentley werden dagegen gezielt in Berlin gestohlen, um sie nach vorheriger Bestellung vor allem im Baltikum abzusetzen. So schildert Robert Baranski, Verbindungsbeamter der polnischen Polizei in Deutschland am Rande einer Konferenz über Grenzkriminalität in Frankfurt (Oder) die alltägliche Praxis der Autoschieberbanden. „Vor allem Autos der VW-Gruppe werden in den sogenannten Bunkern, wie die versteckten Werkstätten genannt werden, auseinandergebaut.“ Bis zum Wegfall der Grenzkontrollen 2007 befanden sich diese Bunker meistens noch in Brandenburg, heute sind sie in Polen.

„Die Mehrzahl der bundesweit gestohlenen Autos dürfte nach Osteuropa gebracht werden“, schätzt Roger Höppner, Kriminaldirektor im Brandenburger Innenministerium. „Die Diebe gehen dabei immer raffinierter vor und knacken die meisten Sicherungssysteme.“ Immerhin 40 375 Pkw wurden im Vorjahr entwendet. Die Spitze hält zwar mit 7570 Wagen das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen, aber mit 7262 Diebstählen folgt dahinter gleich Berlin. Brandenburg liegt mit 3317 Diebstahlanzeigen noch in der Spitzengruppe.

Immerhin 600 in Deutschland gestohlene Autos konnte die polnische Polizei im Vorjahr wiederfinden. „30 bis 40 Prozent der von Deutschen gemeldeten Diebstähle sind aber gar keine, sondern nur versuchte Versicherungsbetrügereien“, sagte der polnische Fachmann Baranski. „Die übergeben ihr Auto an hiesige Banden und fordern bei ihrer heimischen Versicherung einen Ersatz.“ Da aber inzwischen die meisten polnischen Innenstädte durch Videokameras überwacht würden, komme man vielen Betrügern auf die Schliche.

Baranski sieht nur einen Ausweg, um den Autodiebstahl einzudämmen: „Sofort nach dem Erwerb müssen zusätzliche Alarmsysteme eingebaut werden, die möglichst immer erneuert werden sollten.“ Nicht zuletzt deshalb sei in Polen die Zahl der Autodiebstähle im Unterschied zu Deutschland stark zurückgegangen – von 70 000 im Jahr 1999 auf 17 000 im Vorjahr. Außerdem würden die Täter nicht mehr nur wegen Autodiebstahls verurteilt, sondern wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Mehrjährige Haftstrafen hätten eine abschreckende Wirkung, glaubt Baranski.

Deshalb sind die meist polnischen und litauischen Banden zum Zerlegen der Fahrzeuge übergegangen. Die deutsche und polnische Polizei kann trotz der auf der Frankfurter Konferenz demonstrierten Zusammenarbeit nur wenig dagegen ausrichten. Der Zeitfaktor und die offenen Grenzen spielen den Dieben in die Hände. Von Berlin dauert die Fahrt in einem schnellen Wagen bis Frankfurt weniger als eine Stunde. Da hilft auch das eingebaute GPS-Signal im geklauten Wagen nicht viel weiter.

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