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Brandenburg: Beifall statt Buhrufen für Schröder

Beim letzten Besuch in Brandenburg flogen Eier auf den Kanzler – gestern in Premnitz gab es Applaus

Premnitz - Bürgermeister von kleinen Städten verlieren bei einem Besuch des Bundeskanzlers schon mal leicht die Fassung. „Das ist der wichtigste Tag für Premnitz seit der Wende“, sagte der Chef der Stadtverwaltung, Roy Wallenta, überaus euphorisch. „Der Ruf unserer Stadt war in den letzten Jahren nicht der beste. Nun kann es nur noch bergauf gehen.“ Der parteilose Kommunalpolitiker war denn auch zuversichtlich, dass die Einwohner Gerhard Schröder einen „freundlichen Empfang“ bereiten.

Er sollte Recht behalten. Als der Kanzler gestern Nachmittag im riesigen, nur noch teilweise genutzten Industriegebiet der Westbrandenburger Stadt vorfuhr, waren rund 50 Premnitzer Bürger gekommen und klatschten herzlich, als Schröder seiner Limousine entstieg. Der Kanzler wünschte im Gegenzug vielfach Guten Tag – und verschwand im Festzelt, das Hasso von Blücher hatte aufbauen lassen. Er war gestern der Gastgeber, denn seine Firma feierte die Eröffnung ihrer Premnitzer Produktionshalle.

„Wir stellen eine spezielle Aktiv-Kohle her, die in Luftfiltern, chemischen Anlagen und vor allem als Beschichtung von Schutzanzügen Verwendung findet“, erklärt Blücher. US-Truppen in Krisengebieten gehören zu den größten Kunden der Blücher Adsor-Tech GmbH mit Stammsitz in Düsseldorf.

Viele, die draußen standen, waren durch das große Polizeiaufgebot aufmerksam geworden. Als sie hörten, der Kanzler komme, gingen sie ihn begrüßen. „Nur schade, dass wir nicht in das Festzelt dürfen“, sagte eine Frau, „leider haben wir keine Einladung.“ Als Trost für die Schaulustigen gab es Bonbons in allen Farben und Formen. Da griff mancher ausgiebig zu. „Der kann ruhig mal was spendieren“, sagte ein älterer Mann und stopfte seine Hosentasche mit Hustenbonbons voll.

Noch vor zwei Monaten sah ein Kanzlerbesuch in Brandenburg ganz anders aus. Sowohl bei der Eröffnung des Bahnhofes in Wittenberge als auch beim Sängerfest in Finsterwalde waren Eier in Richtung Schröder geworfen worden. Zugleich brüllten Demonstranten ihre Wut gegen Hartz IV heraus. In Premnitz konnte sich Schröder auch über den rhythmischen Beifall der 300 geladenen Gäste im Zelt freuen. Dann aber sprach er deutlich die Probleme des Aufbaus Ost an. Die Politik habe sich nach der Wiedervereinigung sehr stark auf große Investitionen großer Konzerne konzentriert. Dabei sei der Mittelstand zu kurz gekommen. „Allerdings können wir nicht alle Misserfolge meinem Vorgänger im Kanzleramt anlasten“, sagte Schröder. Es habe oft keine Alternative gegeben, als sich auf Großprojekte zu konzentrieren. Nun sei es aber an der Zeit, nach anderen Wegen zu suchen.

Der Bürgermeister zeigte sich nach der Rede zuversichtlich. „1990 arbeiteten am Chemiestandort Premnitz rund 6500 Menschen, heute sind es 1000.“ 3000 Einwohner hätten die Stadt wegen Jobmangel verlassen. „Tiefer geht es nicht.“

Nun hat Blücher immerhin schon 60 Arbeitsplätze neu geschaffen. Und in Kürze will das Unternehmen hier noch eine zweite Produktionsstätte bauen.

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