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Brandenburg: Biesenthal: Abgekanzelt

Eine unheimliche Angst beschleicht die Jäger in den Wäldern rund um Biesenthal. Bang und vorsichtig nähern sie sich ihren Hochsitzen, von denen sie den hier sehr reichen Wildbestand gewöhnlich aufs Korn nehmen.

Eine unheimliche Angst beschleicht die Jäger in den Wäldern rund um Biesenthal. Bang und vorsichtig nähern sie sich ihren Hochsitzen, von denen sie den hier sehr reichen Wildbestand gewöhnlich aufs Korn nehmen. Doch seit dem Vorfall vor einigen Tagen klettert kein Jäger mehr ohne sorgfältige Prüfung der Pfosten und Sprossenleiter auf die so genannte Kanzel. Gleich zwölf Hochstände wurden im Revier in einer Nacht abgesägt und umgeworfen. "So lange die Täter nicht ermittelt sind, herrscht Unruhe", sagt Jäger Manfred Roy. "Es kann ja immer wieder passieren."

Doch die Polizei kommt bei ihren Ermittlungen nur schwer voran. So viel steht fest: Hinter der Aktion in Biesenthal stehen keine militanten Tierschützer oder Gegner der Jagd. Die zwölf zerstörten Hochsitze gehören nur einem einzigen Pächter. Er jagt in zwei Gebieten, die in der Nähe der Bundesstraße 2 rund dreieinhalb Kilometer auseinander liegen. Da der geschädigte Pächter aus Cloppenburg stammt, ging sogleich das Gerücht vom Ost-West-Krieg unter Jägern um.

Das findet Kuno Marzok, Vorsitzender der in einer Jagdgenossenschaft zusammengeschlossenen Landeigentümer und selbst Jagdpächter, einen "absoluten Quatsch": "Wir lassen uns keinen Streit zwischen Ossis und Wessis andichten." Hier werde versucht, die hiesigen Jäger zu kriminalisieren. Kein Jäger lege Hand an die Kanzel eines Kollegen. Doch der geschädigte Pächter aus Cloppenburg behauptet das Gegenteil. "Ich vermute die Täter in der Biesenthaler Jägerschaft", sagt Ferdinand Schwegmann. "Die alten Seilschaften halten zusammen und wollen mich und meine Jagdfreunde vertreiben." Schon 1999 seien mehrere seiner Hochsitze angesägt oder zerstört worden. Er habe bereits als Unternehmer in Biesenthal beim Bau eines Supermarktes große Probleme erlebt. Die Angriffe auf die Hochsitze gehörten mit in diese Kette, sagt Schwegmann, der den Schaden auf rund 15 000 Mark schätzt.

In der Kleinstadt brodelt unterdessen die Gerüchteküche. Schwegmann habe die ganze Sache selbst inszeniert, um Sympathien zu wecken, heißt es in der Kneipe. Andere Einheimische verdächtigen Angler, Pilzsammler oder Reiter als Täter. Denen seien die Jagdgäste des Cloppenburgers immer "dumm gekommen". Doch sofort regt sich am Nachbartisch Widerspruch. "Pilzsammler oder Jäger kennen sich doch in den Grenzen der Jagdreviere gar nicht aus", sagt ein energisch wirkender Mann. "Das müssen Jäger gewesen sein. Vielleicht hat sich der feine Herr mit einem seiner westdeutschen Jagdfreunde überworfen, der sich jetzt an ihm rächt." Einheimischen Jägern wird so eine Zerstörungswut jedenfalls nicht zugetraut. "Es gibt so etwas wie einen Ehrenkodex", meint Olaf Neu, Chef des Ordnungsamtes des Landkreises Barnim. "Die Kanzel des anderen Jägers bleibt tabu."

In absehbarer Zeit wird sich die Sache mit dem vermeintlichen Ost-West-Zwist unter den Jägern ohnehin erledigt haben. "Herr Schwegmann wird von der Jagdgenossenschaft keinen weiteren Pachtvertrag erhalten", sagt der Vorsitzende Kuno Marzok. 2004 sei damit Schluss. "Dann berücksichtigen wir nur noch Ortsansässige." Das sei keine Abschottung gegenüber dem Westen, sondern ein Gebot der Stunde. Einheimische könnten sich viel besser um ihr Jagdrevier kümmern als Auswärtige. Die Regelung sei durch das Brandenburger Jagdgesetz gedeckt. In der neuen Satzung der Jagdgenossenschaft ist sogar von "fachlicher und charakterlicher Eignung der Bewerber" die Rede. Der um seine Hochsitze gebrachte Schwegmann will um die Verlängerung der Pacht kämpfen. "Aber ich überlege mir schon, ob es sich bei dieser Feindschaft in Biesenthal lohnt", sagt er. Auch wenn dann die Hochsitz-Säger ihr Ziel erreicht hätten.

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